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Im Ernstfall mit Humor#

Zum Tod des österreichischen Liedermachers und Schauspielers Ludwig Hirsch (65). Als großer Stiller schwankte Hirsch zwischen Traurigkeit und Sarkasmus.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 25. November 2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Andreas Rauschal


Ludwig Hirsch
Ein großer Stiller und ewiger Grübler: Ludwig Hirsch, der Erzähler unter den österreichischen Songwritern. Der Austropop-Stempel stand ihm nicht.
Foto: © SZ-Photo/picturedesk.com

Wien.

"I lieg am Ruck’n und stier mit offene Augen in die Finsternis.
Es is so eng und so feucht um mi herum,
i denk an dich.
I kann’s noch gar net kapieren:
Du liegst heut Nacht net neben mir -
und i frier.
Wie lacht der Wind, wie weint der Regen,
i möchtet’s so gern hören!
Du kannst dir’s net vorstellen
des beinharte Schweigen, da
vier Meter unter der Erden.
Die Schuh auf Hochglanz poliert,
ein’n Scheitel haben s’ mir frisiert.
I frag mi wofür?
Aber vielleicht stehst grad da oben
mit ein paar Tränen,
und vielleicht sickert eine, a kleine, zu mir durch?
A ganz a heiße,
bitte, bitte, lass eine fallen,
weil mir is so kalt, mir is so kalt."

Mit "I lieg am Ruck’n", einer Meditation aus den Tiefen der Grube, hatte Ludwig Hirsch bereits auf seinem Debütalbum zu einer ganz spezifischen Sprache gefunden. "Dunkelgraue Lieder", wie die Arbeit programmatisch betitelt war, sollte ihn ab 1978 - und eine ganze Karriere lang - vor allem bei den letzten Dingen verorten.

Markenzeichen Lamento und Humor#

Der Tod, ein Ende: Der gerne als "Urwiener" bezeichnete Liedermacher, der 1946 allerdings im steirischen Hartberg geboren wurde, wo sein als Arzt tätiger Vater ein Jahr lang beschäftigt war, fühlte sich künstlerisch dem Morbiden verpflichtet. Wie mit "Komm, großer schwarzer Vogel" ein zweiter Klassiker bald darauf unter Beweis stellen sollte, erfüllte Ludwig Hirsch seine Rolle dabei mit großem Ernst - zwischendurch wurde das Traurige bei ihm aber gerne nicht nur mit der (überlebens-)notwendigen Dosis Sarkasmus aufgebrochen.

Wie bereits der Blues lehrte, kann das Leid über das Lamentieren, also eine zutiefst österreichische Kulturtechnik, zwar in die Schranken gewiesen werden. Wenn selbst das nichts mehr hilft, darf es im Ernstfall aber auch mit Humor versucht werden. An dieser Schnittstelle entwickelte sich Ludwig Hirsch, der seine Lieder oft weniger sang als vielmehr vortrug, zum Erzähler unter den heimischen Songwritern, der mit dem Austropop-Stempel, der ihm noch aufgedrückt werden sollte, wenig gemein hatte. Als großer Stiller und ewiger Grübler intonierte er stets um eine Geschichte bemühte Songs zumeist ebenso still wie in sich versunken - ob sich darin nun "Der Herr Haslinger" als Kinderverzahrer entpuppte oder das Todtraurige mit dem Komischen bitterböse verschränkt wurde. "Unterm Christbaum liegt jedes Jahr ein Packerl Tränen als Geschenk und ein Märchenbuch, wo der Teufel immer gwinnt", sang Hirsch in "Der blade Bua", dessen Protagonist als hoffnungsloser Fall immer das Bummerl hatte.

Nachkriegskind im dunkelgrauen Wien#

Als Nachkriegskind im mindestens dunkelgrauen Wien seiner Kindheit und Jugend mit einer älteren Generation konfrontiert, die sich ihrer Vergangenheit bevorzugt über das Verdrängen stellte, verhandelte Hirsch aber bald auch das Politische über das Private.

Der "Omama", einer aus der Zeit gefallenen Frau, die man nicht mehr verstehen konnte, kam im gleichnamigen Lied eine Rolle als Projektionsfläche zu: "Einmal hab ich’s gfragt: ,Wo ist der Opa? - ,Im Himmel auf an Wolkerl spielt er Geign. Für Führer, Volk und Vaterland erschossen, aufghängt und verbrannt, auch das hat sie dem Adolf stets verziehn. Er hat ihr ja das Mutterkreuz verliehn."

Liebeslieder mit zartem Schmelz#

Aber auch als Autor von Liebesliedern durfte Hirsch nicht unterschätzt werden. Mit "Gel’, du magst mi", einem vom zarten Schmelz der Urzeit- Rock-’n’-Roll-Balladen eines Elvis Presley bestimmten und mehr als entsprechend begnadet gecroonten Song, erzielte Hirsch 1983 einen seiner größten Erfolge - die Single eroberte den ersten Platz in den Charts. Kommerziell ähnlichen Segen erfuhr er mit dem allgemein verträglichen "Sternderl schaun" erst im Jahr 1991 wieder.

Vor seiner aktiven Laufbahn als Musiker besuchte Hirsch, der im zweiten Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen war und zunächst Grafik an der Universität für Angewandte Kunst studiert hatte, die Schauspielschule Krauss, um seiner ursprünglichen Leidenschaft eine berufliche Zukunft zu sichern. Nach einem Engagement am Stadttheater Regensburg im Jahr 1973 wurde er schließlich fixes Ensemblemitglied im Theater in der Josefstadt, wo er zwischen 1975 und 1979 etwa in Ödön von Horváths Stück "Kasimir und Karoline" zu sehen war.

Abschied vom Publikum per Konzerttour#

Aber auch, als Hirsch sich bereits hauptberuflich als Musiker verdingte, blieb er dem Theater noch treu und stand bald auch vor der Kamera - etwa in Klaus Emmerichs Tragikomödie "Trokadero" (1983) - oder für Fernsehrollen in Serien wie "Tatort" oder "Kommissar Rex". 2004 war er auch bei den Festspielen Reichenau in Tschechows "Der Kirschgarten" und 1998 im Volkstheater ("Irma La Douce") zu sehen. 1992 trat er im Salzburger "Jedermann" als "Armer Nachbar" auf.

Während Hirsch, der seit 1977 mit der Schauspielerin Cornelia Köndgen verheiratet war, mit der er einen Sohn hatte, seine letzte CD-Veröffentlichung vor zwei Jahren mit gesprochenen Weihnachtsgeschichten feierte, verabschiedete er sich im Vorjahr mit einer Konzerttour (und mit einzelnen Auftritten auch noch heuer) live von seinem Publikum. Ihr Titel "Vielleicht - zum letzten Mal" sollte sich bewahrheiten: Am Donnerstag ließ sich Ludwig Hirsch vom schwarzen Vogel besuchen: Im Alter von 65 Jahren schied der Liedermacher aus dem Leben.

Wiener Zeitung, Freitag, 25. November 2011