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Von der Katalogkarte zum elektronischen Katalog#

Die Auswirkungen der EDV im Bibliothekswesen, speziell an der Universitätsbibliothek Leoben#

von Lieselotte Jontes

L. Jontes
HR Lieslote Jontes
Die Universitätsbibliothek Leoben stand schon immer technischen Neuerungen aufgeschlossen gegenüber. Bibliotheksdirektor Peter Sika hatte in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Vervielfältigungsstelle eingerichtet, seine „Fabrik“, in der er für die gesamte Hochschule Kopien und Rotaprint-Vervielfältigungen herstellte. Er bemühte sich in diesen Jahren, den technischen Fortschritt in der Büroarbeit zu verfolgen und in Leoben auch für die Bibliotheksarbeit anzuwenden.

So war es 1979 in Leoben als der ersten österreichischen Bibliothek der Fall, dass eine Speicherschreibmaschine die Katalogkarten für die Titelaufnahmen herstellte und auch Listen der Neuerwerbungen nach Kategorien geordnet ausdrucken konnte. Für uns Bibliothekare in dieser kleinen Bibliothek eine großartige Arbeitserleichterung.

Die Katalogisierung der Bücher erfolgte nach dem Regelwerk der Preußischen Instruktionen. Diese speziellen Regeln, die stark von der Struktur der deutschen Sprache ausgingen und nur schwer auf andere Sprachen übertragen werden konnten, war speziell für technisch orientierte Bibliotheken nicht immer leicht anzuwenden. Eine der Besonderheiten dieser Beschreibungsvorschrift von Büchern war, dass diese nach dem Prinzip der grammatischen Ordnung im Katalog sortiert wurden. Das bedeutet, dass in der Regel das erste unabhängige Substantiv für die Einordnung im Katalog maßgeblich ist, Artikel und Präpositionen werden dabei übergangen. Hatte ein Werk mehrere Autoren, so mussten auch diese Namen im Katalog aufscheinen. Und hier kam nun die Speicherschreibmaschine zur Anwendung, die die Katalogkarten nach verschiedenen Gesichtspunkten ausdrucken konnte. Es war ein eher fehleranfälliges Verfahren, das uns bald dazu brachte, die Katalogkarten, die eine bestimmte Normgröße hatten, mit einem eigenen Katalogkartenkopierer zu vervielfältigen. Dieser UBIX gereichte uns Bearbeitern der Titelaufnahmen auch nicht immer zur Freude, hatte er doch die Angewohnheit, mehrere Karten auf einmal zu schlucken und damit ein größeres technisches Problem auszulösen.

Neben der zaghaften Automatisierung der Titelaufnahmen kamen zunehmend auch Mikroformen zur Anwendung. Schon 1980 hatte man in Leoben damit begonnen, die Dissertationen zu verfilmen. Dazu wurde ein eigenes Mikrofilmgerät gekauft und eine eigene Fotografin dafür angestellt. Daneben hörten wir immer öfter von den Möglichkeiten der automatisierten Abfrage von Literatur zu bestimmten Themen, dem Information Retrieval.

Für die Fachgebiete unserer Hochschule waren Datenbanken für Werkstoffe, Geowissenschaften, Bergbau und allgemeine Technik von Interesse. Dafür wurden von der Bibliothek sogenannte Abstract-Werke angekauft, die noch in gedruckter Form Bücher und Aufsätze zu bestimmten Themenbereichen verzeichneten. Diese sehr umfangreichen Werke waren nicht leicht zu benützen, fanden aber großen Zuspruch. Am meisten wurde in den Metals Abstracts recherchiert, die jeden Monat mit neuen Titeln zu Themengebieten der Werkstoffwissenschaften erschienen. Die Abfragen dieser Datenbanken wurden bald auch in elektronischer Form angeboten, eine Herausforderung für unsere kleine Bibliothek.

Ich wurde als einzige Akademikerin, die aber nicht die Fachgebiete der Hochschule studiert hatte, zu verschiedenen Kursen über die Literaturabfrage geschickt. Damit tat sich für uns ein neues Betätigungsfeld auf, die übliche Auskunftserteilung in der Bibliothek erweiterte sich zur Informationsvermittlungsstelle, der IVS. Die Datenbanken der internationalen Hosts wie DIALOG, STN oder COMPENDEX wurden nun in elektronischer Form angeboten. Damit wurde der erste Personal Computer in Leoben angeschafft. Da das Budget für die damals noch sehr teuren Computer nicht vorhanden war, wurden die ersten elektronischen Recherchen mit einem Drucker durchgeführt, der ein Ausstellungsstück war und uns für den Anfang zur Verfügung stand.

Es war eine neue Welt, die uns viel abverlangte: abgesehen von technischen Problemen wie dem Füttern des Druckers mit Endlospapier, mussten wir uns auch mit der Retrieval Sprache auseinandersetzen, die Boolesche Logik war für mich ein neuer Begriff, den unsere Benützer besser kannten als ich. Diese Datenbanken waren für uns in Form von CD-ROMS (Compact Disc, Read Only Memory) vorhanden, auf einer CD-ROM der Datenbank METADEX befanden sich etwa 375.00 Literaturzitate aus sechs Jahren. Mit kurzen Inhaltsangaben wurde die weltweit veröffentlichte Literatur zur theoretischen und angewandten Metallurgie verzeichnet. Die Abfrage nach Titelworten, Schlagworten, Autorennamen, etc. führte bald zu einem selbständigen Recherchieren der Benützer, doch waren die Bibliothekare deshalb nicht zur Untätigkeit verdammt. Die Gesetzmäßigkeiten der Abfragen, die Benützung von Schlagwortkatalogen, die Auswahl der Datenbanken wurden nach wie vor durch die Fachbibliothekarin begleitet und die Benützer zur richtigen Abfrage angeleitet.

Die Datenbanken-Abfrage führte natürlich in der Folge dazu, dass unser eigenes Literaturangebot nicht alle Wünsche erfüllen konnte, die Fernleihe war zunehmend gefordert. Um die Standorte verschiedener Literaturstellen zu eruieren, gab es nun Kataloge ausländischer wissenschaftlicher Bibliotheken in Mikroform, die die Fernleihe verbesserten und ausweiteten.

Die zunehmend automatisierte Bibliotheksarbeit führte bei uns in Leoben zu verschiedenen neuen Überlegungen, wie wir unsere Bestände elektronisch erfassen könnten, um mit einer bessere Erschließung die Benützer zu einer verstärkten Auslastung der Ressourcen der Bibliothek zu führen. Mit dem Kauf eines weiteren PC sollte mit einem eigenen EDV-System als Pilotprojekt vorerst einmal das Dissertationen-Verzeichnis auf EDV erstellt werden.

1980 entstand so die Dissertations-Datenbank mit dem System MASULIST, der dann in den Jahren 1988 und 1989 weitere Datenbanken folgten.

Eine Besonderheit der Bibliothek der Montanistischen Hochschule Leoben war die Montanhistorische Dokumentation. Im Gegensatz zum Usus anderer Bibliothek wurden hier auch Zeitschriftenartikel verzeichnet, die sich mit den Themengebieten der Montangeschichte auseinander setzten. Bereits 1962 hatte man mit einem Zettelkatalog begonnen, der bis 1990 etwa 50.000 Eintragungen umfasste. Um nun die Abfrage zu erleichtern und mehr in die Tiefe gehende Recherchen zu ermöglichen, wurde die Dokumentation von einem Zettelkatalog auf EDV umgearbeitet, was erst durch die Förderung mit Hilfe eines Forschungsprojektes durch das Wissenschaftsministerium möglich wurde. Nach vielen Prüfungen entschieden wir uns in Leoben für das Datenbanksystem CDS/ISIS, das von der UNESCO hergestellt wurde. Die vorhandenen Katalogkarten wurden nun eingescannt und in die Datenbank migriert.

Nach dem Erfolg dieser Literaturdatenbank gingen wir daran, auch unsere Graphik- und Bilddokumentation in ISIS zu verzeichnen, es folgte eine Datenbank der Biographien, um für biographische Anfragen ein zeitgemäßes Nachschlageinstrument zur Verfügung zu haben.

In allen österreichischen Bibliotheken gab es inzwischen auch große Umbrüche. Man plante für die österreichischen wissenschaftlichen Bibliotheken ein integriertes Bibliothekssystem, das alle Bereiche der Bibliotheksarbeit unterstützen sollte, einzuführen. Nach vielen Überlegungen entschied man sich für das System BIBOS, in Leoben fanden im Jahre 1990 die Planungen dafür statt. Auch wenn nach wie vor z.B. die Literaturbestände der Institutsbibliotheken auf CDS/ISIS erfasst wurden, wollte man hier doch an der großen Idee eines gemeinsamen Systems aller Bibliotheken mitwirken und dabei sein.

Am 25. Mai 1993 wurden die konventionellen Kataloge abgebrochen und die Neuzugänge nur mehr mit BIBOS bearbeitet. Es wurde bei uns eine zentrale Erwerbung eingeführt, alle im Haus erworbenen Bestände wurden mit dem neuen Verbundkatalog sichtbar, die Mehrfachkäufe damit eingedämmt. Alle Mitarbeiter waren mit Eifer bei der Sache, umfangreiche Schulungen wurden durchführt, den Mitarbeitern die Angst vor dem Computer genommen. Der BIBOS-Verbund war für uns alle eine Erleichterung der täglichen Arbeit, konnte doch bereits bei der Erwerbung festgestellt werden, wo dieser Buchtitel bereits aufschien und die Daten anderer Bibliotheken genutzt werden.

Der Verbund hatte aber noch kein Modul für die Ausleihe, 1996 entschied man sich daher in Leoben, ein eigenes Entlehnsystem, aLF, zu implementieren, das auch automatische Suchläufe für die abgelaufenen Entlehnfristen durchführte. Dies führte bei der Einführung zu ziemlich heftigen Diskussionen, wurden doch alle Benützer im System gleich behandelt, der Usus der längeren Ausleihfristen der Professoren und des wissenschaftlichen Personals nicht berücksichtigt. Man umging diese unpersönliche, gleichmachende Automatisierung mit viel Einfühlungsvermögen, das Problem stellte sich bald nicht mehr.

Eine weitere Neuerung war die Einführung eines CD-ROM-Netzes für den gesamten Campus. Alle Datenbanken auf CD-ROM sollten von allen PCs im Campus abzufragen sein. Mit der Hilfe des Zentralen Informatikdienstes wurde das Ultranet in Leoben eingeführt, so dass man nun für Literaturrecherchen nicht mehr die Bibliothek aufsuchen musste, sondern von seinem eigenen Arbeitsplatz aus in den Datenbanken recherchieren konnte. Das führte natürlich zu einem Rückgang der Benutzerzahlen in der Bibliothek, der aber durch gezielte Informationen zur „Einführung in die Literatursuche“ ausgeglichen werden konnte.

Die Technik des Recherchierens lag in der Kompetenz der Bibliothekare, sie konnten die verschiedenen Medien, Abfragemodalitäten und weiterführenden Aktionen den Informationssuchenden gezielt vermitteln. Niemand sollte die Bibliothek verlassen, ohne zumindest den Hinweis bekommen zu haben, wo man die gesuchten Informationen, sofern sie nicht im Hause vorhanden waren, bekommen könne.

Wie alles in der EDV war auch der BIBOS-Verbund mit einem Ablaufdatum versehen. Man sah sich nach einem neuen System um und fand es in ALEPH. Mit 11. Dezember 1998 wurde BIBOS abgeschaltet und die Daten in ALEPH migriert. Mit diesem neuen System wurden nun alle Daten von der Erwerbung bis zur Ausleihe in einem System verwaltet. Nach ersten Anfangsschwierigkeiten konnte 2000 das Entlehnmodul implementiert werden, ebenso die Zeitschriften-Heft-Verwaltung. Man hatte sich inzwischen an die EDV gewöhnt, die Angst vor dem Computer war abgebaut worden.

Die Möglichkeiten der automatisierten Erwerbung, Katalogisierung, Ausleihe überwogen die strengen Vorschriften, die uns die Regelwerke für Katalogisierung und Beschlagwortung auferlegten. Besonders die Beschlagwortung mit einheitlich vorgegebenen Begriffen war für unsere Fachgebiete des Montanwesens nicht immer zutreffend, viele Begriffe waren einfach noch nicht vorhanden und mussten bei der zentralen Schlagwortkartei in einem sehr bürokratischen Procedere beantragt werden, ein keineswegs österreichisches Verhalten, die deutschen Kollegen standen uns darin in nichts nach.

Doch der OPAC, der Online Public Access Catalog, wurde immer umfangreicher, die Benützer gewöhnten sich daran, nicht mehr in der Bibliothek nachzufragen, ob man zu einem bestimmten Thema Literatur vorrätig habe, man machte alles am eigenen PC. Dies führte leider zu einem Rückgang in der Zahl der Benützer, aber auch zu einem Nachlassen der Qualität in der Literaturvermittlung. Man versuchte, diesem Umstand durch Vorträge in den Instituten zum richtigen und zielführenden Recherchieren abzuhelfen, ich hielt sogar durch einige Semester eine Vorlesung über die Technik des wissenschaftlichen Arbeitens, die diesem Umstand Rechnung tragen sollte.

Eine Erweiterung unseres Angebotes war 2003 die Möglichkeit, die Datenbanken über das Internet abzufragen, was in der Folge zur Einstellung des Ultranets für die CD-ROM Datenbanken führte. Das Internet bot schier unbegrenzte Möglichkeiten für die Erfüllung von Literaturwünschen, hatte man doch bei vielen Literaturzitaten auch einen Durchgriff auf die elektronischen Volltexte.

Das Internet hatte das Bibliothekswesen stark geprägt und verändert. Die Einführung vernetzter Bibliothekssysteme, die bei uns mit der Einführung von BIBOS 1993 stattfand, war ein Kind des Internets. Die Verbreitung des Internets hat zu umfassenden Umwälzungen in vielen Lebensbereichen geführt. Es trug zu einem Modernisierungsschub in vielen Wirtschaftsbereichen sowie zur Entstehung neuer Wirtschaftszweige bei und hat zu einem grundlegenden Wandel des Kommunikationsverhaltens und der Mediennutzung im beruflichen und privaten Bereich geführt. Man hatte die Einführung des Internets als eine der größten Veränderungen des Informationswesens seit der Erfindung des Buchdruckes apostrophiert.

Unsere Leobener Lösung, die historische Literatur in einem eigenen Datenbanksystem zu erfassen, fanden wir bald nicht mehr befriedigend, musste man doch bei historischen Recherchen in zwei System nachfragen, oder überhaupt auf allgemeine Suchmaschinen ausweichen. Daher war es unser Bemühen, die Montanhistorische Dokumentation in den Gesamtkatalog zu überführen, was in den Jahren 2003 bis 2006 auch gelang. Damit waren etwa 43.000 Titel zur Montangeschichte im allgemeinen Katalog abrufbar.

Als weitere Serviceleistung der Bibliothek wurden die Inhaltsverzeichnisse von Tagungsbänden und Festschriften digitalisiert, eine großen Anstrengung der Bibliothekare, was natürlich auch zu einem Ausbau des Geräteaufkommens führte, Scanner und zusätzliche Computer mussten gekauft werden. Und die Leobener Dissertationen, sofern sie nicht aus patentrechtlichen Gründen gesperrt waren, wurden als Volltexte ins Netz gestellt. Immer mehr Zeitschriften konnten in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden, die schönen Arbeitsplätze im Zeitschriftlesesaal wurden in der Folge mit PCs für die Benützer ausgestattet. Die EDV hatte bis zu meinem Ausscheiden aus der Bibliothek vor zehn Jahren alle Bereiche der Bibliotheksarbeit erfasst, von der Erwerbung bis zu Ausleihe war der Computer das Arbeitsgerät, von dem wir abhängig wurden.

Ausfälle des Systems oder einfache Unterbrechungen des elektrischen Netzes brachten uns diese Abhängigkeit zu Bewusstsein. Doch mit all den Möglichkeiten der EDV blieb immer der Mensch, der Bibliothekar, der alles oder fast alles erklären konnte, die maßgebliche Ansprechperson, die Komponente, die über Bits und Bytes hinaus den Informationssuchenden zur Seite stand.