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Scharfe Attacke im "Secessionskrieg"#

Dem „WZ“-Kritiker Hans Grasberger war Jugendstil ein Graus.#


Von der Zeitschrift Wiener Zeitung (Freitag, 28. November 2008) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

von

Alfred Schiemer


Bild 'Secessionskrieg1'

Nicht vom Sezessionskrieg 1861ff soll hier die Rede sein, sondern vom Secessionskrieg 1898ff. Diese altösterreichische Fehde zwischen traditioneller und moderner Kunstrichtung forderte zum Glück keine blutigen Opfer. Gestritten wurde jedoch, dass die Fetzen flogen. Auch Papierfetzen. Denn die Gazetten der Donaumetropole stürzten sich begierig ins Getümmel. Und mitten drin focht ein ansonsten die Contenance wahrendes Blatt – die „Wiener Zeitung“ bzw. deren das Feuilleton pflegende Zwillingsschwester und Spätausgabe „Wiener Abendpost“. Aberwitz dabei: Die vom legendären „WZ“-Chef Friedrich Uhl im Sinne kultureller Aufgeschlossenheit geführte Redaktion warf bei diesem Anlass die bewährte Maxime über Bord. Gegen die Jugendstil-Künstler der aufmüpfigen Secession schickte die kriegerisch gestimmte „Abendpost“ einen Mann an die Front, der das Althergebrachte mit Zähnen und Klauen verteidigte. Sein Name: Hans Grasberger. Sein journalistisches Spezialgebiet: bildende Kunst.

Am 12. November 1898 wurde das Haus der Secessionisten im Rahmen einer Vernissage eröffnet. Zwei Tage danach erschien ein gepfefferter Artikel aus Grasbergers Feder. Es handle sich um ein schreckliches Bauproject, hieß es darin. Denn das Ausstellungs-Gebäude weiß nichts vom älteren Palastcharakter Wiens, auch nichts von Wiener Luft und Himmel und ganz speciell nichts von der nächsten architektonischen Umgebung. Ja, noch schlimmer: Was als pikanter Versuch (...) im Ausstellungsprater hingehen mag, gehöre nicht ins Viertel um die Karlskirche!

Neben Joseph Maria Olbrich, dem Erbauer des Kunsttempels mit der Parodie einer Kuppel, geriet überdies noch ein in der Schau vertretener Architekt ins Visier: Otto Wagner stellt (...) eine Studie „für eine neue Akademie der bildenden Künste“ aus. Das wäre (...) ein weiter entwickelter (...) Secessionisten-Styl – willkürlich gegriffen (...) und mit einem nichtssagenden (Giebel-)Aufsatz, der einem Blumenständer gleicht. Ebenfalls nicht gut kamen die im neuen Gebäude ihre Werke präsentierenden Maler Carl Moll und Josef Engelhart weg.

Dennoch verdammte der „Abendpost“-Berichterstatter die Aussteller nicht in Bausch und Bogen. Er verbeugte sich vor Rudolf v. Alt und dessen Gemälden – also vor jenem Künstler, der für die „freie Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs“, den Trägerverein der Secession (dessen Name formell die Bezeichnung „frei“ nicht enthielt), als Ehrenpräsident fungierte. Das macht stutzig. Wozu all das Getöse im Blatt gegen die neue Kunst, warum die papierene Breitseite auf deren Heimstätte? Nur, um schließlich ihrem bekanntesten Repräsentanten die Honneurs zu machen?

Es scheint, dass sich der Verfasser der Kriegserklärung gegen die Moderne beim Schreiben nicht ganz wohl in seiner Haut fühlte. Den Verdacht verstärkt ein Blick auf seine Person. Hans Grasberger wurde 1836 im obersteirischen Obdach geboren; der Journalist und Schriftsteller blieb seiner Heimat zeitlebens mental verbunden. Seine Dialektwerke (z.B. „Zan Mitnehm“, Wien 1880) zeugen davon, ebenso etliche seiner Novellen (z.B. in dem Band „Steirische Geschichten“, Leipzig 1897). Dass er „italienische Wanderjahre“ verbrachte, wie er selbst 1891 in einer Lebensskizze anmerkte, brachte einen Hauch des Südens in sein Schaffen. Zu seinen engsten Freunden in der Steiermark zählte Peter Rosegger (der posthum herausgegebene „Ausgewählte Werke“ Grasbergers mit einleitenden Worten versah), zu seinen wichtigsten Förderern in der k.k. Haupt- und Residenzstadt gehörte „WZ“-Chefredakteur Friedrich Uhl. Gewiss, der knorrige H. G. war kein Freund kultureller Experimente und lehnte voll Ingrimm ein schreckliches Bauproject wie das von vielen Wienern als „Laubfroschtempel“ und „Krauthappel“ verspottete Haus ab. An wilder Polemik dürfte dem geradlinigen Mann aber weniger gelegen sein. Manches mag ihn zudem nachdenklich gestimmt haben. So vielleicht das, was der 86-jährige Rudolf v. Alt dem Kaiser zur Abspaltung (vgl. lat. secessio) vom erstarrten Künstlerhaus gesagt hatte: „Ich bin...alt, Majestät, aber ich fühle mich noch jung genug, um...von vorne anzufangen.“ Was kann Grasberger bewogen haben, mit schwerem Geschütz aufzufahren? Zum einem wohl die hitzige Debatte; zogen doch einst z.B. Schreiber vom Humoristen Eduard Pötzl („Neues Wiener Tagblatt“) bis zum Essayisten Karl Kraus wütend über Secessions-Präsident Gustav Klimt her. Zum anderen hatte natürlich die Uhl’sche Redaktionsleitung die Hand im Spiel; sie beförderte das vorschnell erstellte – von ihr gar urgierte? – Manuskript zum Satz. Übrigens: Nach dem Artikel gegen die Secession druckte die „Abendpost“ am 26. November 1898 einen letzten Grasberger-Beitrag zu einem Bildungsthema ab. Hans Grasberger starb am 11. Dezember 1898.

Wiener Zeitung, Freitag, 28. November 2008