!!!Der Sprache im Wort geblieben    

!!Die österreichische Lyrikerin Christine Busta gehörte nicht zu den Geschwätzigen. Vor allem mit dem legendären    Kinderbuch „Sternenmühle“ ist sie im Gedächtnis geblieben. Ein Porträt zum hundertsten Geburtstag am 23. April.    

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''Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: [DIE FURCHE|http://www.furche.at] (Donnerstag, 23. April 2015)''

Von 

__Hubert Gaisbauer__

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[{Image src='Bilder_und_Videos/Historische_Bilder_IMAGNO/Busta,_Christine/00519949/00519949wm.jpg' caption='Christine Busta\\Foto: © IMAGNO/Otto Breicha' class='image_right' alt='Christine Busta' height='400' width='400'}]

Es war „der Tonfall, der Rhythmus,  die Monotonie der Liebe“,  die in den Bann zogen,  wenn Christine Busta ihre Gedichte  gelesen hat. Sie hat sich wenig  darum gekümmert, ob ihre Gedichte  Kunst oder Literatur sind.  Wichtig war ihr, „die gesprochene  Sprache knüpfen / von Mensch zu  Mensch und durch Dasein reden, /  wie die geduldigen Dinge es tun.“  Als Angebot für den Dialog warten  ihre Gedichte „unter einer Leselampe“  auf den Dialog mit der Leserin,  dem Leser.  

Die Sprache war ihr nicht Experimentierfeld  und die Worte  nicht Munition für gezielte Provokationen.  Das „gefrorene Meer  in uns“ wollte sie nicht wie Franz  Kafka mit der Axt spalten, sondern  durch Wärmezufuhr geduldig  zum Schmelzen bringen. Freunde  von Busta erzählen, dass sie immer  wieder auf Gerechtigkeit zu  sprechen gekommen ist, eine Gerechtigkeit,  die nicht dem Gesetz  des anmaßenden Richtspruchs gehorcht.  Ihr ist es Gerechtigkeit, „als  Schuldner aller zu sterben - und  sie um Vergebung zu bitten“. 

!„Wer in Stein schreibt ...“  

Einfach wie ihre Sprache war  ihr Leben. Sie wird am 23. April  1915 als uneheliche Tochter der  Magdalena Busta in Wien geboren.  Die Kindheit grau wie die Zimmerwände  der kleinen Wohnung  in der Wiener Vorstadt Fünfhaus.  Das war eine Gegend der Wäscherinnen  und der düsteren Werkstätten  der Handwerker. Sie erlebt die  Arbeitslosigkeit der Mutter in der  Zwischenkriegszeit und lindert  deren und ihre eigene Not durch  Nachhilfestunden; wegen einer  Erkrankung muss sie ein begonnenes  Studium abbrechen und  wird Hilfslehrerin an einer Handelsakademie.  

1940 heiratet sie den Musiklehrer  und Geiger im Gau-Symphonie-  Orchester Niederdonau Maximilian  Dimt, der aus dem Krieg nicht  zurückkehren wird. Nach 1945 arbeitet  sie zuerst als Dolmetscherin,  dann – bis zu ihrer Pensionierung  – als Bibliothekarin. Zunehmend  veröffentlicht sie Gedichte, zuerst  verstreut, 1946 erstmals in der  FURCHE. Schließlich ihre kostbaren  Bändchen, zuerst bei Herder,  dann bei Otto Müller, jenem  Verlag, dem sie ein Leben lang „im  Wort“ bleiben wird. In den Fünfziger-  und Sechzigerjahren werden  sie und ihre im selben Jahr geborene  Namensschwester Christine  Lavant oft in einem Atemzug genannt.  Namhafte Literaturpreise  folgen. Sie sind die Busta und die  Lavant und werden als Erbinnen  Rilkes und Trakls gefeiert. Was sie  verbindet und unterscheidet: beide  hängen -  heute als Relikte empfunden  - an Gott: die eine im Staunen  und die andere im Hadern mit ihm.  

Im Dezember 1987 ist Christine  Busta gestorben. Bald schien sie  fast vergessen. Doch seit September  2006 erinnert ein merkwürdiges  Denkmal an die Lyrikerin. Da  prangt ihr Gedicht „Schrift und Inschrift“  als Lese-Zeichen an einer  knallroten Entlüftungssäule im  Klieberpark in Wien-Margareten,  wo sie lange gewohnt hatte: „Verschwenderisch  ergießt man sich  auf Papier. / Wer in Stein schreibt,  / wird sparsam mit Lettern.“ Busta  gehörte nicht zu den Geschwätzigen.  Denn die Sprache, der sie  schließlich ein Leben lang „im  Wort“ bleibt, „wird nicht geredet,  / sie wird erlitten.“ Wort für Wort.  

!Bekenntnisse zur Liebe  

Der letzte Gedichtband, den  Busta selber zusammengestellt hat,  ist 1985 erschienen, eine Sammlung  von Liebesgedichten und Bekenntnissen  zu einer Liebe im  Alter, „inmitten aller Vergänglichkeit“.  Darunter viele sehr persönliche,  ja intime Gedichte, voll tiefer  Zuneigung zu einem bestimmten  Menschen, manche gar voll seligem  Übermut junger Verliebter.  Das Glück, Mutter zu sein, ist ihr  versagt geblieben, aber wie vielen  Kindern ist doch ihre mütterlich  bergende Stimme in der „Sternenmühle“  zu einem prägenden Kindheitseindruck  geworden! Sie hat  dieses legendäre Kinderbuch geschrieben,  weil sie sehen wollte,  wie man schreiben muss, um etwas  für Kinder zu sagen. Einmal  nach dem in ihren Augen Gültigsten  aus ihrem Werk befragt,  meinte sie: „Ich werde wohl in meiner  Sternenmühle weiterleben“.  

Busta wusste nur zu gut, wie gefährlich  Kunst sein kann, wenn die  Botschaft zum schönen Gefühl verkommt  oder dazu verführt. Der Vorwurf,  sie erdichte sich und anderen  eine heile Welt, ja flüchte geradezu  in eine solche, hat sie schmerzhaft  getroffen. In einem Gedicht als  Antwort „gegen ein Mißverständnis“  heißt es: „Ich habe genug Unheil  erfahren, / um die Hoffnung  nicht aufzugeben, / dass vieles davon  vermeidbar ist.“ In einem Brief  wird sie deutlicher: „Dummköpfe  müssen halt immer ein Kastl oder  eine Lade suchen, in die sie das  flüchtig Gelesene zum Ein- oder  Wegordnen stopfen können.“  Schon in ihre Jugend bricht  die „furchtbare Erhellung“ eines  Satzes von Dostojewski: „Die Hölle  ist: nicht mehr lieben zu können.“  In ihren Kindheits- und Jugenderinnerungen  „Die Farben der Kindheit“,  einem ihrer wenigen Prosatexte,  schreibt sie über dieses Wort:  „Es hat mich von meiner Kindheit  losgerissen und ausgesetzt am Abgrund  aller Schrecken, dran wir  das Menschsein lernen und wo  neue Farben das Auge bestürzen,  aus deren wildem Chaos wir oft  erst spät die stillen Töne wieder finden,  dazwischen uns Gott die Brücke  der Bestimmung ins Licht gehängt  hat.“  

!Schuld und Demut  

Seit Nachlass und Korrespondenz  von Busta weitgehend aufgearbeitet  sind, muss man als langjähriger  Verehrer der Dichterin  erst lernen, damit einigermaßen  versöhnlich umzugehen, dass ihre  Sympathie und Zugehörigkeit zum  Nationalsozialismus unbestritten  und – relativ spät – sozusagen öffentlich  geworden sind. Gleichzeitig  gewinnt man damit aber auch eine  Erklärung für die Allgegenwart  des Themas der Schuld in ihrem  Werk, allerdings ohne damit selber  als Leserin oder Leser aus der  Verantwortung entlassen zu sein.  Ihre und ihrer Mutter Mitgliedschaft  in der Partei bezeichnete sie  in einem Brief an eine Dissertantin  als „katastrophales Missverständnis“,  bis an ihr Lebensende werde  sie „daran schleppen“. Als Beweggründe  für dieses Missverständnis  dürften sich die Hoffnung auf  Verbesserung der existenziellen  Notlage und eine schwärmerische  Begeisterung – ausgelöst oder verstärkt  durch ihren späteren Mann,  den glühenden Nationalsozialisten  Maximilian Dimt – die Waage gehalten  haben. Erkenntnis, Reue  und Demut lassen nach 1945 keine  Spur von sprachlicher oder anderer  Überheblichkeit zu. In einem  Brief an Hilde Domin bittet sie: „…  üben Sie Nachsicht mit allen, die es  brauchen u. hoffentlich auch mit  Ihrer Christine Busta.“  

Mit den Trümmerfrauen räumte  sie 1945 den Schutt weg. Auch  den Schutt ihrer Irrtümer, etwa,  dass sie anlässlich ihrer Eheschließung  aus der Kirche ausgetreten  war; sie spricht später von ihrem  Glauben, der wieder „mühsam aus  dem Schutt herausgegraben werden  muss“. Von nun an steht sie als  unorthodoxe Katholikin treu zum  Evangelium, aus dem sie viele Themen  und Bilder in ihre Gedichte  überträgt. Bedingungslos steht sie  allerdings damit auch auf der Seite  jener Menschen, die nicht zu  den Rechtgläubigen gezählt werden  können oder wollen. In vielen  Gedichten findet diese Solidarität  unverblümt Ausdruck, wenn sie  zum Beispiel von der „Atemzuwendung“  der Liebe als der „Sprache  Gottes“ redet: „Auch die Ungläubigen  sprechen sie.“ Und an die  Wände ihrer „heimlichen Kirche“  malt sie ein eigenwilliges messianisches  Friedensreich, in dem  heidnische und christliche Mythen  „erlöst beisammen sind“. Ohne  Scheu und Zögern hat sie aber noch  Worte verwendet, die sich heute  kaum mehr aus einem kümmerlich-  kirchlichen Ausgedinge herauswagen:  Schuld, Gnade, Vergebung.  Sie hat nicht nur an das Gute  geglaubt, sondern es geradezu beschworen,  Zeile für Zeile. So gut sie  konnte, hat sie es auch gelebt. 

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[DIE FURCHE|http://www.furche.at], Donnerstag, 23. April 2015
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