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Komplizierte Dichterliebe#

"Herzzeit": Bachmann–Celan, ein Liebessturm in Briefen.#


Von der Wiener Zeitung, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (Samstag, 13. September 2008)

von

Rolf-Bernhard Essig


Für Spezialisten sind die gesammelten Briefe eine philologische Sensation: Konkreter ist hier das poetische Zwiegespräch der beiden belegt, Gedichte und Prosa der beiden sind nun besser zu verstehen. Für den interessierten Leser ist es ein großer Liebesbriefwechsel; dazu ein Stück tragischer Literaturgeschichte.

Für Ingeborg Bachmann und Paul Celan dagegen war der Briefwechsel dramatisch, dämonisch, gefährdend, zerrüttend. Sie schreibt: "Ich weiß nicht, ob Du spürst, dass ich niemand habe außer Dir, der meinen Glauben an das 'Andere' befestigt, dass meine Gedanken Dich immer suchen, nicht nur als den liebsten Menschen, den ich habe, sondern auch als den, der, selbst verloren, die Stellung hält, in der wir uns verschanzt haben."

Er schreibt: "Ich weiß ja nicht, was all das bedeutet, weiß nicht wie ichs nennen soll, Bestimmung, vielleicht, Schicksal und Auftrag, Namenssuche hat keinen Sinn, ich weiß, daß es so ist, für immer. (...) Du weißt auch: Du warst, als ich Dir begegnete, beides für mich: das Sinnliche und das Geistige. Das kann nie auseinandertreten, Ingeborg. Denk an 'In Ägypten'. Sooft ichs lese, seh ich Dich in dieses Gedicht treten: Du bist der Lebensgrund, auch deshalb, weil Du die Rechtfertigung meines Sprechens bist und bleibst."

Man wusste schon von der komplizierten Liebesgeschichte der genialen Dichterin, die im Mai 1948 beginnt und Ende Juni, mit der Abreise Celans aus Wien, die erste Trennung überstehen muss. Es folgen Treffen in Paris, und in Niendorf bei Hamburg. Nach einer Pause flammt die Liebe 1957 wieder auf, obwohl Celan mittlerweile mit Gisèle Celan-Lestrange verheiratet ist und einen Sohn hat. 1958 zerbricht die Hoffnung endgültig, dass die beiden ein Leben miteinander führen könnten. Doch man schreibt sich – mit Unterbrechungen – bis zu Celans Tod 1970.

Neben die Liebesnöte treten oft auch die Nöte der Künstler im Getriebe des Betriebs. Wie engagiert sich Bachmann für Celan einsetzt, ihm die Einladung zur "Gruppe 47" verschafft, nimmermüde für ihn wirbt, auch mit ihrer Rundfunkarbeit in Wien und München! Celan hingegen warnt die Geliebte vor Tätigkeiten, die vom Kunstdienst abziehen. Eine Weltreise mit dem Flugzeug, um Reportagen zu liefern? Das degradiere sie zum Rädchen einer Werbemaschinerie. Ein Amerika-Aufenthalt? Reine Zeit- und Ich-Verschwendung. Celan ist fordernd, vorwurfsvoll, radikal, misstrauisch. Hingegen begegnet Bachmann ihm extrem verständnisvoll, schweigsam, ängstlich, schuldbewusst. Missverständnisse, Bitterkeiten und Krisen prägen die Briefe von Beginn an.

Hier liebt ja ein Entronnener der Judenvernichtung die Tochter eines Auch-Nazis. Unter solcher Last der Vergangenheit lässt sich kaum atmen. Dabei einigt beide die Angst vor neuen Kriegen, vor kaltem Vergessen und frecher Nazi-Wiederauferstehung, vor allem aber der Zweifel: an der Sprache, an sich, am Leben. Selbst mit Hilfe ausführlicher Herausgeber-Nachworte und Stellenkommentare lassen sich die klaffenden Sinn-, Zeit- und Verständnislücken nur ansatzweise füllen.

Ohne Zweifel wird der Briefwechsel Legenden ein Ende bereiten, eine Aufgabe, die sich auch Frauke Meyer-Gosau in ihrem Buch "Einmal muss das Fest ja kommen. Eine Reise zu Ingeborg Bachmann" gestellt hat.

Tatsächlich beschreibt sie eine lebendige Künstlerin, die mit dem Popanz Bachmann der Feuilletons und Philologen, den Thesen von der Heiligen, der Wahngeschlagenen, der lebensunfähigen Hysterikerin und Kunsteremitin wenig zu tun hat. Meyer-Gosau geht angenehm konkret, klar und sympathisch vor. Sie erkundet die Lebens- und Schreiborte der Autorin, hört Geliebten, Freunden und Verwandten zu, verbindet Reiseeindrücke mit guten Werkbeobachtungen. Man erlebt die Bachmann radelnd, wandernd, feiernd, eitel brillenlos durch Straßen und Lesungen stolpernd, energisch persönliche wie literarische Chancen ergreifend, kurz vor ihrem Tod Umzugspläne schmiedend. Die routinierte Reportageprosa Meyer-Gosaus fließt, abgesehen von schiefen Bildern und dem Hang zur Wiederholung, munter dahin, erlaubt engagierte Aus- und Einfälle. Das Buch, obschon für Einsteiger gedacht, kann auch Kenner auf fruchtbare Gedanken bringen und erweist sich als gute Ergänzung zum Briefwechsel.

  • Ingeborg Bachmann – Paul Celan Herzzeit Briefwechsel.Hrsg. Bertrand Badiou u.a., Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008. 400 Seiten, 25,50 Euro.
  • Frauke Meyer-Gosau: Einmal muss das Fest ja kommen. Eine Reise zu Ingeborg Bachmann. C. H. Beck, München 2008236 Seiten, Abbildungen, 20,50 Euro.

Wiener Zeitung, Samstag, 13. September 2008