!!!Das Abendland in der Nacht

!!Robert Menasse hat ein kluges Europa-Buch geschrieben - aber alle reden über Sponsor Novomatic. "Der Europäische Landbote" entfacht eine Debatte - über Kunstmäzene.

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''Von der [Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at] (Donnerstag, 27. September 2012) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.''

Von 

__Reinhard Göweil__

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[{Image src='Franz-Fischlwe-Robert-Menasse.jpg' class='image_right' caption='Franz Fischler (links) und Robert Menasse: Wie geht europäische Demokratie?\\©krischanz.zeiller./Novomatic' alt='Franz Fischler (links) und Robert Menasse' width='500' height='414'}]




[Robert Menasse|Biographien/Menasse,_Robert] ist Autor - und ein eminent politischer Kopf. Also fasste er die Idee, sich für einige Monate nach Brüssel zu begeben, um dort - im Dickicht der europäischen Institutionen - das wahre Wesen Europas zu erkunden. Herausgekommen ist ein kluges Büchlein auf 112 Seiten, in dem er essayistisch Stellung bezieht - gegen überkommenes nationalstaatliches Denken und ringend um die Ausformung einer "nachnationalen Demokratie".



Menasse zieht leidenschaftlich und mit großem Pathos ins Feld. "Europa muss der Phantasie der Künstler folgen, und nicht den Pragmatikern, die die Krise erst geschaffen haben", sagte er bei der Buchpräsentation des Zsolnay-Verlags in Novomatic-Forum am Mittwochabend in Wien.


!Ideal und Dogma

Genau damit begannen die Zores. Wie kann ein redlicher linker Intellektueller wie Robert Menasse ein Buch sponsern lassen von einem grauslichen Glücksspielkonzern, der Admiral-Sportwetten und Kasinos betreibt? Das war das eigentliche Thema der Buchpräsentation. Nicht der Inhalt des Buches; nicht die kluge Debatte mit dem früheren EU-Kommissar Franz Fischler; nicht die ostentative Anwesenheit des jetzigen EU-Kommissars (und früheren Novomatic-Managers) Johannes Hahn.

!Shitstorm statt Brainstorm

Nein. Robert Menasse habe alle Ideale verraten, weil Novomatic seine Recherche in Brüssel finanziell unterstützt hat - und als Gegenleistung die Buch-Präsentation im Novomatic-Forum eingefordert hat. Der Glückspielkonzern bezahlte den Abend auch noch selbst (Brötchen und Wein gingen als sprichwörtliche Anfütterung allerdings überall klaglos durch). Noch während der Veranstaltung begann auf Twitter und Facebook ein aufgeregtes Summen: Menasse, der Verräter.

!19.000-Mitarbeiter-Konzern

Wie konnte das geschehen? Novomatic (beschäftigt mittlerweile 19.000 Mitarbeiter weltweit) unterhält den "Admiral Charity Fonds". Der wiederum sponsert Kunst sowie Studien zur europäischen Entwicklung. Robert Menasse sprach dort vor, erklärte, was er vorhat - und der Fonds befürwortete ein Sponsoring. Kunst und Europa würden sich dabei gut vereinen. Im Buch wird diese Unterstützung auch ausgewiesen.

Für die Guten war dies des Guten zu viel. Joachim Riedl von der "Zeit" twitterte aus der Veranstaltung: "Europäische Vision von Menasse: Spielautomat schluckt Euros, viele. Novomatic sponsert nächstes Menasse-Buch."

Florian Klenk vom "Falter" postete: "Franz Fischler & Robert Menasse über Postdemokratie bei der Novomatic" (mit Foto der beiden unter dem Novomatic-Logo).

Sogar der gar nicht anwesende ORF-Mann Armin Wolf machte (vorsichtig) mit: "Und warum ist es bei Menasse ein Problem - vorausgesetzt Sponsor mischt sich inhaltlich nicht ein?"

!Antisemitische Angriffe

Damit lösten sie auf Twitter einen Mini-Shitstorm aus, bestehend aus Häme und politischem Kalkül. Der aus der Hans-Peter-Martin-Liste kommende EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser gab es entrüstet - und noch ein ein paar, die vor allem eines wussten: So geht das nicht, Herr Menasse.

Der Autor selbst sprach das Sponsoring in seiner Eröffnungsrede an - und verwies darauf, dass Novomatic als Kunstsponsor allgemein anerkannt das Kulturradio Ö1 unterstützt.

Sinnlos, die Kuh war aus dem Stall. "Ich bekam teilweise sehr untergriffige E-Mails an meine private Adresse", erzählt ein sichtlich ernüchterter Autor am Tag danach. "Es war eine Zangenbewegung von Antisemiten und Linken mit Heiligenschein, ohne dass beide Gruppen wussten, dass sie eine Zange bilden. Aber das Gift ist nun in der Seele."

Menasse, keine Freund bescheidener Vergleiche, zitierte während der Präsentation seines Buches "Der Europäische Landbote" Victor Hugo. Der hatte schon 1850 geschrieben, dass eine Zeit kommen werde, in der die europäischen Völker zusammengehören würden wie jene Königreiche und Herzogtümer, aus denen das damalige Frankreich entstanden war. Hugo wurde damals der Narrenturm empfohlen.

162 Jahre später befindet sich nun Robert Menasse in einem medialen Narrenturm.

Denn die wesentliche Frage wird in dieser Debatte nicht einmal gestellt: Wie geht man mit Sponsoring um? Der Hinweis, dass es sich bei Novomatic um einen Konzern handelt, der mit der Spielsucht von Menschen Gewinne macht, klingt moralisch gefestigt - ist aber doppelbödig und greift gar kurz.

!Wer darf sponsern?

Banken spekulieren auf Lebensmittelpreise. Dürfen sie nun nichts mehr sponsern oder gar eigene Kunst-Austellungen organisieren? Casinos Austria, ebenfalls im Glücksspiel tätig, ist größter Förderer des heimischen Sports. Dürfen die 80 Millionen Euro nicht mehr dorthin fließen? Siemens baut(e) Atomkraftwerke - müssen sie nun das Sponsoring der Salzburger Festspiele einstellen? Der Gründer von Ikea war ein Nazi. Darf die Caritas von so jemandem Großspenden nehmen?

Darf also ein freischaffender Künstler wie der Schriftsteller Robert Menasse Geld nehmen von Novomatic? Weil ihm das einen neunmonatigen Aufenthalt in Brüssel ermöglichte, ohne dass seine Familie zuhause darben musste? Darf er vielleicht den Donauland-Preis (10.000 Euro) auch nicht nehmen, weil der dahintersteckende Bertelsmann-Konzern mit seiner RTL-Sendergruppe halb Europa verblödet?

Ja, er darf. Es handelt sich bei allen genannten Unternehmen um Konzerne, die legal Geschäfte machen. Manche können diese Geschäfte geschmacklos finden, aber es gibt sie. Wenn sich also ganz und gar nicht miteinander vergleichbare Gesinnungen vereint in der Kritik finden, sollte allgemeines Nachdenken einsetzen.

Das Verbot eines solchen Sponsorings würde bedeuten, dass jemand anderer einspringen muss. Das können moralisch einwandfreie Organisationen sein wie Caritas oder Greenpeace. Die sind aber auch eher auf der Nehmer- als auf der Geberseite zu finden.

!Die Frage der Zensur

Bleibt die öffentliche Hand - also staatliche Zuschüsse an die Künstler. "Der Staat kann und soll das nicht alleine machen. Es gibt auch eine gesellschaftliche Aufgabe der Unternehmen, und wir kommen ihr mit unserer Stiftung nach", sagte Erste-Bank-Chef Andreas Treichl einmal zu den Aktivitäten eben dieser Erste-Stiftung. Die Wiener Städtische Versicherung unterstützt Künstler wie den Kabarettisten Lukas Resetarits.

Und in einer freien, demokratischen Gesellschaft ist das wohl auch gut so. Wenn eine Behörde monopolistisch diese Zuwendungenzu beurteilen hätte, wäre es bis zur Zensur ein gefährlich kleiner Schritt. Doch selbst bei noch so unveränderlichen Vergabe-Richtlinien bleibt: Wenn ein Beamter ein Ansuchen abschlägig bescheidet, was dann? Das Buch von Robert Menasse hätte es vermutlich gegeben - aber mit einem finanziellen Kraftakt. Als Autor ist Menasse - gewerberechtlich gesprochen - Unternehmer und nicht Angestellter. Ein privater Konzern reduzierte seine Kosten - und verlangte als Gegenleistung die Buch-Präsentation in seinen Prunk-Räumlichkeiten gegenüber der Secession. Ist das zu viel?
 
Menasse verlangt von seinen Lesern, das Provinzielle abzustreifen. Und in der europäischen Frage ein genaues Hinhören der Politiker, wenn Künstler dazu Antworten geben. Am Beginn seines neuen Buches steht: Nachdenken über das Abendland in der Nacht.


[{Image src='Buchcover.jpg' caption='© Zsolnay ' alt='Buchcover: Der Europäische Landbote' class='image_left' width='100' height='129'}]

''"Der Europäische Landbote. Die Wut der Bürger und der Friede Europas oder Warum die geschenkte Demokratie einer erkämpften weichen muss" (Paul Zsolnay Verlag, 12.50 Euro): Menasse fordert darin "die Erfindung einer nachnationalen Demokratie".''


%%(text-align: right; font-size:80%;)
[Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at], Donnerstag, 27. September 2012
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