!!!„Preßfrechheit“ & Zensur    

!!Im Geist der Aufklärung wagte der Habsburger-Kaiser Joseph II. das Experiment „erweiterter  Preßfreiheit“. In den Karlsbader Beschlüssen von 1819 erreichte die Zensur indes einen Höhepunkt.

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''Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: [DIE FURCHE|http://www.furche.at] Donnerstag, 16. Mai 2013''


Von 

__Alexandra Bleyer  __


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[{Image src='Setzkasten.jpg' caption='Druck. Lange wurde um die Freiheit des gedruckten Wortes – den Mächtigen ein Dorn im Auge – gerungen.\\Foto: Willi Heidelbach. Aus: [Wikicommons|https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Metal_movable_type.jpg?uselang=de]' alt='In einen Setzkasten sortierte und in einen Winkelhaken eingespannte Letter' width='500' class='image_right' height='332'}]



Der Philosoph Jean-Jacques  Rousseau bezeichnete die  Presse bereits im 18. Jahrhundert  treffend als „vierte Säule  des Staates“. Die öffentliche und  veröffentlichte Meinung wuchs in  der Neuzeit zu einem Machtfaktor  heran, den selbst die absolutistischen  Fürsten nicht ignorieren  konnten. Sie versuchten mittels  Zensur, die Presse zu kontrollieren  und unerwünschte Meinungen zu  unterdrücken. Der Kampf um die  Pressefreiheit wurde zu einem wesentlichen  Bestandteil in der Auseinandersetzung  zwischen den Herrschenden  und den nach politischer  Mitbestimmung drängenden liberalen  und nationalen Kräften. Ein  Kampf, der das lange 19. Jahrhundert  entscheidend prägte.  

!Pressefreiheit und Propaganda  

1781 lockerte Kaiser Joseph  II. die Zensurvorschriften in der  Habsburgermonarchie, wofür der  zeitgenössische Begriff der „erweiterten  Preßfreiheit“ Verwendung  fand. Im Paragraph drei der Verordnung  hieß es: „Kritiken, wenn  es nur keine Schmähschriften  sind, sie mögen nun treffen, wen  sie wollen, vom Landesfürsten bis  zum Untersten, sollen, besonders  wenn der Verfasser seinen Namen  dazu drucken lässt, und sich also  für die Wahrheit der Sache dadurch  als Bürgen darstellt, nicht  verboten werden, da es jedem  Wahrheitsliebenden eine Freude  sein muß, wenn ihm solche auf diesem  Wege zukommt.“ Durch diese  neue Freiheit der Medien entstand  in der Habsburgermonarchie die  Meinungspresse, die weniger von  den periodischen Zeitungen als  von Broschüren getragen wurde.  

Joseph II. wollte den öffentlichen  Diskurs unter Gebildeten  fördern. Allerdings dienten die diversen  Druckerzeugnisse nicht  nur den Kritikern der Regierung  als Sprachrohr: Der Kaiser setzte  auf eine aktive, gezielte Öffentlichkeitsarbeit,  vor allem in Bezug  auf seine umstrittenen Reformprojekte.  Bezahlte Schreiber,  meist Beamte, sollten auf Schmähschriften  antworten, Zeitungsbeiträge  verfassen und die öffentliche  Meinung zugunsten der kaiserlichen  Politik beeinflussen.  

1787 wurde zugunsten der Wiener  Druckereien sogar die Vorzensur  eingestellt und durch eine  nachträglich einzuholende Druckerlaubnis  ersetzt. Die „erweitere  Preßfreiheit“ blieb allerdings ein  kurzlebiges Experiment. Joseph  II. sah sich mit einer wahren „Broschürenflut“ konfrontiert, welcher  er mit restriktiven Maßnahmen  Herr zu werden versuchte. 

[{Image src='Mettrnich.jpg' caption='Metternich Untrennbar mit dem Namen des österreichischen Staatsmannes Clemens Lothar Wenzel Fürst von Metternich (l.) verbunden ist das nach dem Wiener Kongress 1814/15 aufgebaute repressive System des Vormärz.\\© k.K' width='300' class='image_left' alt='Mettrnich' height='387'}]

Ihrer Charakteristik nach widersprach  die Zensur den Idealen  der Aufklärung, doch der Pressefreiheit  stand die Sorge um das  moralische und sittliche Wohl des  gemeinen Volkes entgegen. In  Preußen prägte Friedrich Wilhelm  II. dazu 1788 in einer Kabinettsorder  den Begriff der „Preßfrechheit“,  der zum Schlagwort der Zensurbefürworter  wurde: Demnach  sei die Zensur notwendig, um das  Volk vor schlechten Einflüssen zu  schützen.  

!„Lauigkeit“ und „Zweifelsucht“  

Dass die Zensoren gelegentlich  falsch entschieden, wurde als Argument  nicht anerkannt. Joseph  Freiherr von Sonnenfels, der sich  durch seinen Reformeifer im Justizwesen  und in der Verwaltung  auszeichnete, erklärte 1798, „daß  der Nachteil immer ungleich geringer  sei, wenige gute Bücher zu  entbehren, als den zahlreichen  schädlichen Büchern freien Lauf  zu gestatten“.  

1789 erschütterte die Französische  Revolution Europa. An den  Höfen wuchs die Angst vor gewaltsamen  politischen Umbrüchen.  Die Zensur – Stütze von Thron,  Altar und gesellschaftlicher Ordnung  – wurde sukzessive verschärft  und sollte ein Bollwerk  gegen die revolutionären Ideen bilden.  1790 erließ Kaiser Leopold  II. ein Presserescript, wonach „alles,  was die allgemeine Ruhe störet,  was Irrungen, Uneinigkeiten  und Spaltungen hervorbringt oder  hervorbringen kann, was den Gehorsam  gegen den Landesfürsten  vermindert, Lauigkeit in Beobachtung  der bürgerlichen oder Religionspflichten, was endlich Zweifelsucht  in geistlichen Sachen nach  sich ziehen kann, für bedenklich“  angesehen wurde.  

Nach dem Wiener Kongress  1814/15 entwickelte sich im Vormärz  ein System der Kontrolle und  Unterdrückung, das mit dem Namen  des österreichischen Staatskanzlers  (ab 1821) Clemens Lothar  Wenzel Fürst von Metternich  verknüpft wurde. Pressefreiheit?  Nein, danke! Sein Mitarbeiter  Friedrich von Gentz beklagte  sich bereits 1813 über die Macht  der öffentlichen Meinung als Kritikerin  der Regierung. Politisch besonders  verdächtig erschienen die  Studenten und ihre neue Organisation,  die 1815 in Jena gegründete  Urburschenschaft. Ihr Ideal war  die Einheit Deutschlands. Zu den  politischen Forderungen, die auf  dem Wartburgfest 1817 erhoben  wurden, gehörte unter anderem jene  nach Rede- und Pressefreiheit.  

!Ein Attentat als Vorwand  

Als der Student Karl Ludwig  Sand im März 1819 den Lustspieldichter  und russischen Staatsrat  August von Kotzebue ermordete,  schien dies vielen als erster Akt  einer weit angelegten Verschwörung,  die auf nichts weniger als  den politischen Umsturz in den  deutschen Staaten abzielte. Das  Attentat bot somit den Vertretern  der Reaktion die günstige Gelegenheit,  um innerhalb des Deutschen  Bundes eine einheitliche Zensurregelung  anzustreben. „Ich hoffe,  daß wir durch diese entsetzliche  Begebenheit […] den Debatten über  Preßfreiheit in Deutschland auf eine  Reihe von Jahren entgehen werden“,  schrieb Gentz Anfang April  an Metternich. Es galt, keine Zeit  zu verlieren, „denn heute fürchten  sich die Regierungen genug,  um handeln zu wollen“, antwortete  Metternich Anfang Mai. Nachdem  sich Österreich und Preußen  vorab über die weitere Vorgehensweise  verständigt hatten, wurden  auf den Konferenzen in Karlsbad  im August jene Beschlüsse gefasst,  die am 20. September 1819 von der  Bundesversammlung in Frankfurt  am Main einstimmig angenommen  wurden. Die Burschenschaft  wurde verboten, die Universitäten  sollten stärker kontrolliert und jene  Professoren, die einen verderblichen  Einfluss auf die Studierenden  ausübten, entlassen werden.  Presseerzeugnisse unter einem  Umfang von zwanzig Druckbogen  – also vorrangig Journale und  Flugschriften – wurden der Zensur  unterworfen: Das weithin unpopuläre  Wort „Zensur“ sucht man  in den Karlsbader Beschlüssen allerdings  vergeblich.  

Mit Überwachung und Kontrolle  entwickelte sich der Deutsche  Bund in Richtung Polizeistaat.  Erst die Revolution von 1848 fegte  die Karlsbader Beschlüsse hinweg,  auch Metternich musste gehen.  In der Dezemberverfassung  1867 wurde die Pressefreiheit verbürgt,  die Zensur für unzulässig erklärt.  Ein wichtiger Schritt. Denn  nur mit der verfassungsrechtlich  verankerten Pressefreiheit können  die Medien als vierte Gewalt  ein Gegengewicht „gegenüber dem  Machtstreben der den Staatsapparat  beherrschenden Parteiengruppe  (sowie dem Herrschaftsstreben  mächtiger Wirtschafts- und Interessensverbände)“  (Martin Löffler)  bilden.    
  
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[DIE FURCHE|http://www.furche.at], Donnerstag, 16. Mai 2013
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!Weiterführendes
> [Hausjell, F.: Gefährliche Rede von der Lügenpresse|Wissenssammlungen/Essays/Medien/Lügenpresse] (Essay)


[{Metadata Suchbegriff='Pressefreiheit Vormärz Metternich' Kontrolle='Nein'}]