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Fatima Ferreira: "Bei Ausbildung nicht sparen"#

Die Allergieforscherin Fatima Ferreira ist für den Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten „Österreichs Wissenschafterin des Jahres 2008“. #


Von der Wochenzeitschrift Die Furche, freundlicherweise zur Verfügung gestellt.


von

Thomas Mündle


Österreichs Wissenschafterin des Jahres 2008 heißt Fatima Ferreira. Die gebürtige Brasilianerin ist Allergieforscherin und Professorin an der Universität Salzburg. Mit der Ernennung zur Wissenschafterin des Jahres würdigt der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten ihr Engagement an Schulen. Das „Fliegende Immunologische Klassenzimmer“ bringt Schülern modernste Labormethoden näher. DIE FURCHE sprach mit der ausgezeichneten Wissenschafterin über Forschung, Medien und Politik.

DIE FURCHE: Frau Professor Ferreira, Gratulation zum Titel der „Wissenschafterin des Jahres“. In den letzten Tagen haben wohl einige Journalisten mit Ihnen reden wollen. Stehen Sie denn überhaupt gerne im öffentlichen Rampenlicht?

Fatima Ferreira: Stimmt, es gab viele Anrufe. Ich rede gerne über meine Arbeit, weil ich denke, dass es auch ein Teil von meinem Beruf als Forscherin ist.

DIE FURCHE: Über Ihre Forschung – die Herstellung künstlicher Allergene – hat DIE FURCHE erst vor einigen Monaten berichtet (in Ausgabe 32/08) …

Ferreira: Ja, neue Resultate gibt es keine. Der Fortschritt passiert nun mal nicht so schnell, wie man es gerne hätte. Das muss man verstehen.

DIE FURCHE: Reden wir also über die Wissenschaftskommunikation. Wissen Sie, dass man bei manchen Wissenschaftern Tage, ja Wochen wartet, bis sie Zeit für ein Interview haben?

Ferreira: (Lacht) Manche Leute sind wie Stars. Bei uns ist das anders. Wir werden ja nicht immer von den Medien nachgefragt.

DIE FURCHE: Vielleicht. Finden Sie es denn gar nicht schwierig, mit Laien zu reden?

Ferreira: Mhm. Die Journalisten haben ja oft Fragen, über die wir gar nicht so detailliert nachgedacht haben. Ich fi nde: Das ist sehr gut. Denn so müssen wir die Dinge auf einfache Weise beschreiben. Auch werden wir daran erinnert, dass es im Leben nicht nur Forschung gibt. Deshalb bin ich froh, mit Journalisten zu reden.

DIE FURCHE: Sie sind Genetikerin …

Ferreira: Ich bin Biochemikerin von der Ausbildung her. Die Gentechnik ist nur eine Methode, die ich benutze. Ich interessiere mich ganz allgemein dafür, was man mit Molekülen so alles machen kann.

DIE FURCHE: Sie haben sich im Fach Genetik habilitiert. Warum vermeiden Sie das GWort? Ist es anrüchig?

Ferreira: Ich habe kein Problem mit dem Wort „Genetik“. Aber die Genetik ist kein so klar defi niertes Gebiet. Zur Genetik gehört auch die molekulare Biologie. Ja, alle diese Fächer kommen heute in einem großen Feld zusammen. Wir benutzen Werkzeuge von hier und dort. Jede Methode hat Vor- und Nachteile. Wir können eher eine gute Forschung machen, wenn wir mehrere Methoden benutzen.

DIE FURCHE: Moderne wissenschaftliche Methoden bringen Sie auch in die Schulen – mit dem „Fliegenden Immunologischen Klassenzimmer“. Wie kam es dazu?

Ferreira: Wenn ich mich erinnere, dass ich auch einmal Schülerin war und mich frage, was damals interessant war, dann ist die erste Antwort: All die Dinge, bei denen ich selbst aktiv war. Wir hatten in der Schule in Brasilien die Möglichkeit, zu Hause kleine Experimente zu machen. Das war faszinierend für mich. Deshalb habe ich mich auch für die Richtung Biologie entschieden. Daneben hatte ich auch wirklich sehr gute Lehrer.

DIE FURCHE: Und diese Faszination wollen Sie nun mit dem „Klassenzimmer“ auslösen?

Ferreira: Ich mache das mit meinem Kollegen Reinhard Nestelbacher, der der eigentliche Motor hinter dem Konzept ist. Wir benutzen Experimente, um zu erzählen, wie Forschung funktioniert. In unseren diversen Koffern haben wir hochtechnische Geräte, die den Schülern eine Idee davon geben sollen, wie es bei uns im Labor aussieht.

DIE FURCHE: Was kann man da genau lernen?

Ferreira: Wir bieten zum Beispiel einen kleinen Kurs namens „Kommissar DNA“. Dort lernen die Kinder, wie man DNA analysiert und wie heute Verbrechen aufgeklärt werden können. Dann haben wir ein Mikroskop, mit dem man Blutzellen anschauen und zählen kann. Die verschiedenen Übungen ergänzen auf spannende Weise den normalen Unterricht.

DIE FURCHE: Sie haben vorhin erwähnt: Sie kommen aus Brasilien. Sie sind eine Frau. Nicht gerade ideale Voraussetzungen, um in Österreich eine Uni-Karriere zu machen. Sie haben es trotzdem geschafft. Was ist ihr Geheimnis?

Ferreira: Ich weiß nicht, ob es ein Geheimnis gibt. Wenn ich auf meine Kindheit zurückblicke, war es natürlich schwierig. Aber meine Mutter hat uns positives Denken beigebracht: Eine gute Ausbildung ist wichtig, meinte sie. Und so war für mich klar, dass ich nicht stehenbleiben kann, immer weitergehen muss. Dabei war ich immer sehr aktiv auf der Suche nach neuen Möglichkeiten. Wenn man das macht, fi ndet man auch Wege.

DIE FURCHE: Wie wichtig war Unterstützung?

Ferreira: Natürlich habe ich Stipendien gehabt, sonst hätte ich nicht die Universität besuchen können. Ganz allgemein halte ich Stipendien für ein wichtiges Mittel, weil es Leuten – unabhängig von der Herkunft – erlaubt, eine gute Ausbildung zu bekommen, wenn sie denn nur wollen.

DIE FURCHE: Heute unterstützen Sie junge Forscher, die bei Ihnen Diplom- oder Doktorarbeiten schreiben.

Ferreira: Ich habe eine tolle Arbeitsgruppe. Und das Gute an einem Team ist, dass man nicht alles allein machen muss. Die Postdocs bringen den Diplomanden und Dissertanten viele Dinge bei. Und so hilft mir auch mein Team.

DIE FURCHE: Und wie leicht können Sie Ihren Leuten „helfen“? Denn offenbar spitzt sich die Lage an den Universitäten derzeit zu. Die Rektoren, die Akademie der Wissenschaft und auch der Wissenschaftsfonds klagen bereits über fehlende Mittel.

Ferreira: Stimmt. 2009 wird nicht rosig sein. Wir haben gerade heute darüber diskutiert, wie wir mit dieser Summe das ganze Jahr über auskommen und wo wir noch mehr Geld herbekommen können. Diese Art von Projektmanagement müssen auch die jungen Forscher lernen. Und heuer hängt vieles noch in der Luft: Das Budget des FWF (des Wissenschaftsfonds, Anm.) etwa. Und der FWF ist natürlich die Hauptquelle für Drittmittel. Wenn es dort schlecht geht, leidet die gesamte österreichische Forschung. Wir hoffen natürlich immer noch. Im Jänner können aber vorerst keine Projekte bewilligt werden, weil es kein Budget gibt. Das ist natürlich eine Katastrophe.

DIE FURCHE: Welchen Rat gibt man da dem Nachwuchs?

Ferreira: Das ganze Umfeld ist natürlich nicht sehr stimulierend. Aber auch in meiner Karriere gab es Zeiten, wo ich nicht wusste, wo ich in ein, zwei Jahren sein werde. Ich versuche, den Leuten dann klar zu machen, dass das, was nächstes Jahr passiert, wesentlich von dem abhängt, was wir heute tun. Wenn wir heute ausgezeichnete Forschung betreiben, haben wir eher die Chance in Zukunft weiterzumachen.

DIE FURCHE: Wenn Sie einen Wunsch an die Politik hätten, wie würde der aussehen?

Ferreira: Wir können nicht bei der Ausbildung sparen, weil die Ausbildung wichtig für die Zukunft ist. Wenn wir heute dort sparen, wird es morgen auch nicht besser. Nein, das ist nicht die richtige Maßnahme.

Fatima Ferreira (49) leitet seit 2006 das Christian Doppler Labor für Allergiediagnostik und Therapie an der Universität Salzburg und hat das weltweit erste gentechnisch hergestellte Allergen (jenes der Birke) mitentwickelt. Der Vorteil dieser neuen, künstlichen Allergene ist, dass sie hochrein sind und als Impfstoffe weniger gefährliche Nebenwirkungen zeigen (siehe auch „Kleine Pollen, große Wirkung“ in FURCHE 32/08). Der Weg an die wissenschaftliche Weltspitze war für die gebürtige Brasilianerin keineswegs vorgezeichnet: Aus einfachsten Verhältnissen stammend, kann Ferreira nur dank staatlicher Stipendien Zahnmedizin studieren. Später promoviert sie in ihrem Heimatland in Biochemie. Bei einem Postdoc in Toronto lernt sie ihren zukünftigen Mann, einen Wiener Biochemiker, kennen. Als sie vor 18 Jahren nach Österreich übersiedelt, wechselt sie auch das Fach – und betreibt fortan Allergieforschung. Im Jahr 2000 habilitiert sie in Genetik an der Uni Salzburg und wird außerordentliche Professorin. Mit der Ernennung zur Wissenschafterin des Jahres würdigt der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten nun ihr Engagement als Wissenschaftskommunikatorin: Konkret hat die Allergologin mit ihrem Kollegen Reinhard Nestelbacher das „Fliegende Immunologische Klassenzimmer“ ins Leben gerufen. Damit werden heute für rund 10.000 Schüler pro Jahr modernste Labormethoden im wahrsten Sinne des Wortes be-greifbar.