!!!Wenn Masern und Co. zuschlagen


!!Kinderkrankheiten bei Erwachsenen sind nicht zu unterschätzen – der Krankheitsverlauf ist oft schwerwiegend

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''Von der [Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at] (Mittwoch, 18. Mai 2011) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.''


Von

__Alexandra Grass__

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[{Image src='Masern-u-Co.jpg' class='image_right' caption='Drei Windpocken-Viren unter dem Elektronenmikroskop.\\Foto: © CNRI/SPL/PictureDesk.com' alt='Drei Windpocken-Viren unter dem Elektronenmikroskop' width='400' height='267'}]



!Genesung dauert wesentlich länger als bei Kindern. Gegen die meisten Infektionen kann man sich schützen.


Wien. 39 Grad Fieber, bis zu münzgroße Bläschen am ganzen Körper, Juckreiz, der den Partner um vier Uhr morgens den Weg in die Apotheke antreten lässt. Unangenehme Umstände, die den Feuchtblattern, Windpocken oder auch Varizellen genannt, zuzuschreiben sind.

Treten Kinderkrankheiten wie diese bei Erwachsenen auf, ernten sie häufig Gelächter. Denn alleine die Vorstellung, dass eine 36-Jährige mit Windpocken das Bett hütet, entlockt so manchem zumindest ein Schmunzeln.
Doch hochansteckende Infektionskrankheiten wie Masern, Mumps und Co. verlaufen bei Erwachsenen oft nicht so unkompliziert wie bei Kindern. Die Erkrankung ist mit mehr Strapazen für den Körper verbunden und die Genesung dauert wesentlich länger.

!Die Klassiker

"Die klassischen Kinderkrankheiten sind einerseits bakterielle Infektionen wie Keuchhusten, Diphtherie und Scharlach, oder virale wie Mumps, Masern, Windpocken oder Polyomyelithis (Kinderlähmung). Sie können, wenn man als Kind daran weder erkrankt ist noch geimpft wurde, im Erwachsenenalter auftreten", sagt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten, Florian Thalhammer, zur "Wiener Zeitung". Jedoch kann es auch trotz Impfung zu einer Erkrankung kommen. Die Ursachen dafür sind fehlende Auffrischungsimpfungen, Alterung des Immunsystems (Immunseneszenz) oder anfangs nicht so wirksame Impfstoffe wie heute (etwa bei Masern), betont der Mediziner.

Vor allem Masern nehmen oft problematische Verläufe an. Neben einer Mittelohr- oder Lungenentzündung kann es auch zu einer Gehirnentzündung oder gar zu einer sogenannten subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE) kommen, bei der alle Erkrankten innerhalb von maximal drei Jahren sterben. SSPE ist eine Spätkomplikation einer Maserninfektion, die eine generalisierte Entzündung des Gehirns nach sich zieht und bis zu zehn Jahre nach der Erkrankung auftreten kann. Dies passiert auch in Europa, deshalb hat die WHO erst im April eine Ausbruchswarnung für Europa herausgegeben.
Bei Masern kommt es immer wieder zu kleinen Epidemien. So wurden 2008 laut Statistik Austria 445 Masernfälle gemeldet – Hauptausbruchsgebiete waren Oberösterreich und Salzburg. 2009 waren es 52 Fälle – das Gros in der Steiermark. Derzeit grassieren die Masern in der Schweiz. Seit Dezember 2010 sind bereits rund 450 Fälle bekannt geworden.

Auch Todesfälle aufgrund von Kinderkrankheiten waren in den letzten zwei Jahren in Österreich zu beklagen: So sind im Jahr 2010 zwei Personen an Mumps verstorben. 2009 gab es einen Toten aufgrund von Scharlach und einen nach einer Windpockeninfektion.

!Symptome bekämpfen

Gegen die meisten durch Viren hervorgerufenen Erkrankungen gibt es bis heute keine wirksame Therapie, betont Thalhammer. Hier können nur die Symptome behandelt werden, um die Erkrankung erträglicher zu gestalten. Bei bakteriell verursachten Kinderkrankheiten kommen Antibiotika zum Einsatz. Der Mediziner rät daher zu Schutzimpfungen, die als einzige Präventionsmöglichkeiten angesehen werden.

Die Gefahren für Schwangere sind unterschiedlich, hängen von der einzelnen Erkrankung ab und können bis zu schweren Missbildungen des Ungeborenen oder sogar dessen Tod führen, so Thalhammer. Problematisch können einige Infektionen auch sein, wenn die Mutter rund um die Geburt erkrankt, wie etwa bei den Windpocken, da das Neugeborene dann an dieser Infektion schwer und lebensbedrohlich erkranken kann. Dies kann aber auch für die Mutter lebensbedrohlich sein.
Gegen die meisten klassischen Kinderkrankheiten kann man sich durch eine Impfung schützen. Nicht gegen alle Infektionen existiert jedoch ein Impfstoff. Bei Scharlach etwa ist Penicillin die Behandlung der Wahl. Auch gegen andere Bakterien wie Pneumokokken oder Meningokokken gibt es neue Konjugatimpfstoffe. An der gefährlichen Lungenentzündung mit Pneumokokken kann man lebenslänglich erkranken, aber demnächst können sich auch Erwachsene impfen lassen.

!Lebenslanger Schutz

Die üblichen Kinderkrankheiten bekommt man nur einmal, danach besteht ein lebenslänglicher Schutz. Im höheren Alter oder bei einer das Immunsystem unterdrückenden Therapie (wie bei einer Organtransplantation notwendig) kann der Schutz ausbleiben.


Jeder, der sich aktiv immunisieren möchte, sollte regelmäßig nachschauen, wann die nächste Impfung fällig wäre. Wenn die Unsicherheit besteht, ob man geschützt ist, oder wenn man den Körper nicht unnötig belasten möchte, kann durch eine einfache Blutabnahme eine entsprechende Titerkontrolle durchgeführt werden. Danach wird entweder geimpft oder – sollte noch ein Schutz bestehen – abgewartet. Will man sich nicht impfen lassen, sollte man auf jeden Fall auf ein intaktes Immunsystem achten und Ansteckungsmöglichkeiten meiden.



!!Wissen


[{Image src='Masern-u-Co-1.jpg' class='image_left' caption='Meistens sind Kinder betroffen.\\Foto: © fotolia' alt='Meistens sind Kinder betroffen' width='200' height='195'}]

!Masern (Morbilli)
Die Viruserkrankung zeigt grippale Symptome, nach drei bis fünf Tagen kommt es zum Ausschlag – hellrote Flecken, die ins Bräunliche übergehen können. Meist hohes Fieber. Inkubationszeit: 7 bis 14 Tage. Übertragung: Tröpfcheninfektion. Mögliche Komplikationen: Mittelohr-, Lungen- oder Gehirnhautentzündung. Impfung möglich.
Röteln (Rubella): Beginn grippeähnlich – später zeigen sich kleine, hellrote Flecken. Inkubationszeit: 14 bis 21 Tage. Übertragung: Tröpfcheninfektion. Bei Kindern ist die Viruserkrankung oft harmlos. Gefahren für Erwachsene: Ohr-, Gehirn- und Gelenksentzündungen. Bei Schwangeren sind schwere Komplikationen möglich. Gefahr von Missbildungen beim Säugling bis zu Totgeburten. Impfung möglich.


!Mumps (Parotitis epidemica)
Es kommt zu einer schmerzhaften Entzündung der Ohrspeicheldrüse mit Schwellung und Fieber. Inkubationszeit: 14 bis 24 Tage. Übertragung: Tröpfcheninfektion. Komplikationen: Die Viruserkrankung dehnt sich auf andere Organe aus, infiziert vor allem Bauchspeicheldrüse, Gehirn oder Hirnhäute. Eine seltene, aber typische Folge ist eine Hörstörung. Bei Männern kann es zu einer Hodenentzündung mit anschließender Sterilität kommen. Impfung möglich.


!Windpocken (Feuchtblattern, Varizellen)
Die Viruserkrankung beginnt mit Krankheitsgefühl, es folgen Fieber und rötliche Flecken, die sich zu wasserhaltigen Bläschen umbilden. Inkubationszeit: 14 bis 21 Tage. Übertragung: Tröpfcheninfektion oder über die Luft. Seltene Komplikationen: Lungen- oder Hirnhautentzündung. An Windpocken erkrankt man nur einmal. Überleben die Viren aber im Körper, können sie später eine Gürtelrose auslösen. Erkrankt eine Schwangere fünf Tage vor oder bis zu 48 Stunden nach der Geburt, so kann dies zum Tod des Säuglings führen. Impfung möglich.



!Keuchhusten (Pertussis)
Diese bakterielle Erkrankung führt zu einer Atemwegsentzündung und beginnt wie eine Erkältung, später treten schwere Hustenanfälle auf. Inkubationszeit: 7 bis 21 Tage. Übertragung: Tröpfcheninfektion. Mögliche Komplikationen: Mittelohr- und Lungenentzündung. Keuchhusten kann sechs Wochen dauern. Impfung möglich.


!Scharlach (Scarlatina):
Verursacht wird diese bakterielle Erkrankung durch Streptokokken. Inkubationszeit: 2 bis 4 Tage. Übertragung: Tröpfcheninfektion. Meist beginnt Scharlach mit plötzlichen Kopf- oder Halsschmerzen, hohem Fieber und Schluckbeschwerden. Kennzeichnend sind ein Hautausschlag und die sogenannte Himbeerzunge. Mögliche Komplikationen: Wird der Patient nicht ausreichend mit Antibiotika behandelt, können Herz-, Nieren- oder Gelenkschäden entstehen. Impfung existiert nicht.

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[Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at], Mittwoch, 18. Mai 2011
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