!!!Im steten Wandel der Zeit

!!Wehrpflicht und Berufssoldatentum haben sich in den vergangenen 500 Jahren immer wieder abgewechselt

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''Von der [Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at] (Samstag/Sonntag, 19./20. Jänner 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt und als etwas gekürzte Version übernommen.''


Von


__Wolfgang Zaunbauer__

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!Ein Exkurs mit Christian Ortner vom Heeresgeschichtlichen Museum.


[{Image src='Im-steten-Wandel.jpg' class='image_right' caption='Eine Zäsur in der Militärgeschichte stellten die Napoleonischen Kriege dar. Die Wehrpflicht wurde zum europäischen Standard, die Armeen wurden nationalisiert.\\© steschum/Fotolia.' width='400' alt='Armeen wurden nationalisiert' height='293'}]



Wien. ~[...] Nur noch eine Handvoll EU-Staaten hält an der Wehrpflicht fest. Derzeit zumindest, denn auch das Modell der Freiwilligenarmee ist keineswegs in Stein gemeißelt. Das macht auch ein Blick in die Geschichte deutlich. In den vergangenen 500 Jahren gab es einen steten Wechsel zwischen Berufsheer und Wehrpflicht. Und nicht selten überlappten sich die beiden Modelle, wie Christian Ortner, Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) in Wien (und nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen WZ-Kolumnisten) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt.


Das beginnt schon im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit, also Ende 15., Anfang 16. Jahrhundert, als neben den feudalen Ritterheeren - klassische Berufssoldaten - schon Landesaufgebote entstanden. Im 16. und 17. Jahrhundert waren die europäischen Streitkräfte geprägt von Reisläufern und Landsknechten, die jedem dienten, der ihren Sold übernahm. Es dominierte also weiterhin das Berufssoldatentum. Das ändert sich allerdings mit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges 1618. Weil die bezahlten Soldaten mit fortschreitender Kriegsdauer langsam aber sicher ausgehen, kommt es vermehrt zu Zwangsverpflichtungen.

[{Image src='Im-steten-Wandel1.jpg' caption='Christian Ortner, Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien.\\© apa/Artinger' width='200' class='image_left' alt='Christian Ortner' height='260'}]

Nach dem Westfälischen Frieden 1648 prägen stehende Heere das Bild Europas - und diese setzen sich wiederum aus Berufssoldaten zusammen. Es entsteht der klassische "miles perpetuus", der ständige Soldat, der im Prinzip sein Leben lang dient.

Allerdings kann so ein Soldatenleben auch sehr kurz sein. Vor allem im von Erbfolgekriegen geprägten 18. Jahrhundert waren "die Verluste so hoch, dass keiner mehr freiwillig zum Heer ging", erklärt Militärhistoriker Ortner. In Österreich wird daraufhin unter Maria Theresia die Konskriptionspflicht eingeführt. Allerdings gab es zahlreiche Ausnahmen von dieser Wehrpflicht, etwa für Adelige, den Klerus, Grundbesitzer, freie Bauern und deren Söhne.

 


!Französische Revolution als Zäsur

Eine Zäsur in Sachen Wehrpflicht stellte schließlich die Französische Revolution dar. Nach ersten Erfolgen befand sich die revolutionäre Freiwilligenarmee 1793 gegenüber den preußischen, österreichischen und britischen Koalitionstruppen wieder in der Defensive. Deshalb beschlossen Nationalkomitee und Wohlfahrtsausschuss die "Levée en masse", die alle unverheirateten Männer zwischen 18 und 25 zum Kriegsdienst verpflichtete. Dadurch konnte Frankreich innerhalb kürzester Zeit ein Millionenheer aufstellen. Gleichzeitig bedeutete die "Levée en masse" eine Nationalisierung der Armee. Allerdings konnte Patriotismus die fehlende Kampferfahrung nur schlecht kompensieren. Aufgrund hoher Verluste schrumpfte französische Armee bis 1796 auf 400.000 Mann. Auch Napoleon konnte in der Folge kein Millionenheer mehr aufstellen, trotzdem hatte Europa seiner "Grande Armée" anfangs wenig entgegenzusetzen.

Als Reaktion wurde in Österreich 1808 als Ergänzung der regulären Armee die Landwehr geschaffen. In ihr mussten jene dienen, die für die normale Konskription nicht tauglich waren oder ihren Militärdienst schon geleistet haben, wie Christian Ortner erläutert. Vergleichbar ist die Landwehr mit der heutigen Miliz. Sie stellte die Truppen der zweiten Linie und wurde nur im Bedrohungsfall aufgeboten, so Ortner. Nach den Franzosenkriegen wurde jedem aktiven Regiment eine Landwehr zugeordnet.

Den Schritt von der Konskription hin zur allgemeinen Wehrpflicht machte Österreich nach der Niederlage gegen Preußen von 1866. Die 1868 eingeführte Wehrpflicht verpflichtete jeden 21-jährigen Staatsbürger zu drei Jahren Präsenzdienst, sieben Jahren Reserve und anschließenden zwei Jahren Landwehr. 1912 wurde der Präsenzdienst auf zwei Jahre verkürzt. "Allerdings wurden nur rund 30 Prozent aller Stellungspflichtigen eingezogen", sagt HGM-Direktor Ortner. Der Rest war untauglich oder musste Heeresersatzsteuer zahlen.

!Siegermächte verbieten die Wehrpflicht

Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und der Ausrufung der Republik beschäftigten sich eigentlich nur die Sozialdemokraten mit der Wehrpflichtfrage, so Ortner. Diese waren sich einig: "Es muss eine Volksbewaffnung her" - also die Wehrpflicht. Das wurde der kleinen Republik jedoch von den Siegermächten im Frieden von Saint Germain verboten. Österreich wurde ein Berufsheer mit maximal 30.000 Mann vorgeschrieben. Allerdings wurde auch diese Zahl nie erreicht. Aus finanziellen Überlegungen wollte man sie auch gar nicht erreichen. So zählte das Bundesheer 1932 nur 22.000 Mann.

Das führte zu der grotesken Situation, dass bei der Abrüstungskonferenz von Genf (1932 bis 34) Österreich aufgefordert wurde, aufzurüsten. Die Siegermächte wollten kein militärisches Vakuum zwischen dem faschistischen Italien und den nationalsozialistischen Deutschland. Allerdings wurde bald klar, dass eine Modernisierung und Vergrößerung des Bundesheeres mit Berufssoldaten nicht möglich war. Daher wurde 1936 die allgemeine Dienstpflicht für alle männlichen Staatsbürger eingeführt.

Als Österreich 1955 mit dem Staatsvertrag auch die Wehrhoheit zurückerlangte, waren sich SPÖ und ÖVP einig, dass das Bundesheer auf Basis der Wehrpflicht aufgebaut werden sollte. Diesen Konsens zwischen den beiden Parteien gibt es mittlerweile nicht mehr. ~[...]

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[Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at], Samstag/Sonntag, 19./20. Jänner 2013
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