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Der Blechdackel#

Vom Tatra 11 zum Steyr-Puch Haflinger#

von Martin Krusche

In manchen Berichten über den Steyr-Puch Haflinger wird die Vermutung geäußert, Konstrukteur Erich Ledwinka habe sich etwa bezüglich des Motors von Ferdinand Porsche inspirieren lassen. So zum Beispiel Bodo Wistinghausen in „Auto Classic“ 1/2017, wo er schrieb: „Der Motor soll auf eine Konstruktion von Ferdinand Porsche zurückzuführen sein.“ Der Haflinger teile sich „mit dessen Kreationen“ verschiedene Merkmale „wie die Boxer-Anordnung, die hängenden, schräg stehenden, über Stösselstangen betätigten Ventile sowie die zentrale Nockenwelle“.

Der Haflinger mit seinem luftgekühlten Boxermotor am Zentralrohrrahmen ist Ledwinka pur. (Foto: Martin Krusche)
Der Haflinger mit seinem luftgekühlten Boxermotor am Zentralrohrrahmen ist Ledwinka pur. (Foto: Martin Krusche)

Dieser Eindruck kommt daher, weil sich Porsche von Ledwinka inspirieren ließ. Und zwar nicht von Erich, sondern von dessen Vater Hans, den er gut kannte. Der Steyr-Puch 500 und der Haflinger stehen freilich auch in dieser Tradition, sind quasi eine Familienangelegenheit. Bevor Porsche seinen KdF-Wagen, der später zum VW-Käfer wurde, nach den von Hans Ledwinka ersonnen Prinzipien aufstellte, konstruierte er ganz konventionell: Leiterrahmen und Reihenmotor.

Hans Ledwinka war während des Ersten Weltkriegs als Chefkonstrukteur nach Steyr gegangen. Die Österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft (ÖWG) produzierte ab 1921 seinen Steyr IV, der zeigt, daß sich Ledwinka bemüht hatte, ein kompakteres, preiswerteres Auto zu schaffen, als es die repräsentativen Personenkraftwagen von Austro-Daimler, Steyr und Puch bis dahin üblicherweise waren.

Bei Probefahrten zu diesem Projekt war Ledwinka verunglückt. Er hatte sich überschlagen, einen Arm gebrochen, mußte für einige Tage im Spital bleiben. Vielleicht war es diese erzwungene Pause, in der sich das Nachdenken über ein leistbares Auto auf eine neue Ebene zubewegte.

Der luftgekühlte Zweizylinder Boxer des Tatra 11. (Foto: Ben Skála, GNU / Creative Commons)
Der luftgekühlte Zweizylinder Boxer des Tatra 11. (Foto: Ben Skála, GNU / Creative Commons)

Ledwinka ersann einen Wagen, der ohne Leiterrahmen auskam, statt dessen auf einem Zentralrohr stand, von einem vorne liegenden, luftgekühlten Boxermotor befeuert wurde, dessen Kraft hinten in einem gelenklosen Schwingachsenantrieb umgesetzt wurde.

In Steyrs Direktions-Etage lehnte man dieses Konzept ab. Darauf nahm Ledwinka ein Angebot der Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft an, blieb dort als Chefkonstrukteur bis 1945. Als dieser Betrieb 1924 mit der Waggonfabrik Ringhoffer AG fusionierte, entstanden daraus die Tatra-Werke.

Im Jahr 1923 erschien Ledwinkas Tatra 11. Ein preiswerter Kleinwagen mit Zentralrohr-Fahrgestellt. Der obengesteuerte, luftgekühlte Zweizylinder-Boxermotor schöpft seine 12 PS Leistung aus 1.056 ccm Hubraum. Das Getriebe ist an den Motor angeflanscht, der Heckantrieb erfolgt über schwingende Halbachsen. Die Vorderachse ist starr. Ledwinka hatte Motor, Getriebe und Achsantrieb mit dem Zentralrohrrahmen verblockt.

Der Wagen wiegt 680 Kilo und kann es auf rund 80 km/h bringen. Das Auto bewährte sich nicht bloß im Alltag. Der Tatra 11 hatte bis 1925 seine Standfestigkeit und Effizienz bei allerhand Sportveranstaltungen beweisen können.

Am bedeutendsten war dabei wohl die Russische Zuverlässigkeitsfahrt von 1925 auf einer Strecke von Leningrad über Tiflis nach Moskau. (16.08.-07.09.1925) Das ist übrigens jener Bewerb gewesen, an dem Clärenore Stinnes, Tochter eines Stahlbarons, als einzige Frau teilgenommen hatte. Allein dieser Umstand und daß sie schließlich 12 der 52 Piloten hinter sich gelassen hatte, galt als Skandal. (Stinnes absolvierte später die erste Fernreise der Automobilgeschichte.)

Ein Tatra 11 von 1925. (Foto: AlfvanBeem, Creative Commons)
Ein Tatra 11 von 1925. (Foto: AlfvanBeem, Creative Commons)

Von den rund 5.300 Kilometern waren wenigstens 60 Prozent holprige Feldwege, Sumpf- und Steppenpfade. In der Kategorie bis 2.400 ccm Hubraum liefen neben dem kleinen Tatra Brocken von Cadillac, Citroen, Fiat, Ford, Mercedes, Packard etc. Aber Josef Vermirovsky holte sich auf Ledwinkas effizientem Elfhunderter den Gesamtsieg.

Der Amateur-Rennfahrer Fritz Hückel, ein Freund von Ledwinka, hatte den Konstrukteur überredet, ihm für die sizilianische Targa Florio einen Rennwagen auf Basis des Tatra 11 zu bauen. Der Monoposto brachte 560 Kilo auf die Waage, hatte 27 PS, schaffte rund 120 km/h. Hückel gewann dieses Rennen in seiner Klasse.

Das sind vertraute Motive. Der „Tatritschek“ oder „Blechdackel“ darf gewissermaßen als ehrwürdiger Urahn des Puch-Schammerls und des Haflingers angesehen werden. Daß sich die Konstruktion auch im Rennsport bewährte, findet man später bei den Pucherln ebenso. Und Porsche wußte beizeiten zu schätzen, was Hans Ledwinka ersonnen hatte.

  • Siehe dazu: Der Haflinger (Ein Online-Projekt zum Steyr-Puch Haflinger 700 AP)
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