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"Happy Pepi" Staribacher ist tot#

Ein persönlich gehaltener Nachruf auf Kreiskys Weggefährten und Handelsminister.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Dienstag, 7. Jänner 2014)

Von

Paul Vécsei


Letztes Pressefrühstück Staribachers im Mai 1983
Letztes Pressefrühstück Staribachers im Mai 1983: neben dem Minister Staatssekretärin Anneliese Albrecht. Am Ende holte er seine Mundharmonika aus der Tasche und spielte für die Journalisten "Oh, Du lieber Augustin, alles ist hin".
Foto: Privat

Wien. Seinen Spitznamen "Happy Pepi" trug der leutselige Handelsminister Josef Staribacher stets wie einen Adelstitel. Dass ihn jeder so nannte, war Ausdruck seiner Popularität und des optimistischen Gemüts. Dabei war das nur der öffentlich meistgebrauchte Kosename. Im Laufe seines Lebens brachte es der umtriebige Nationalökonom auf rund 40 davon. Sein Büro musste dazu einst genau Buch führen.

Der "Pickerl-Joe" oder in bundesdeutscher Nennform "Etiketten-Josef" entstand in der Ölkrise zu Beginn 1974. Damals wurde zur Benzinrationierung der autofreie Tag eingeführt: Autofahrer mussten mittels "Pickerls" an der Windschutzscheibe den selbstgewählten Wochentag ausweisen, an dem ihr Pkw Fahrpause hatte.

"Pedalritter", "Radlminister", "Obermarschierer der Nation" und "Österreichs ranghöchste One-Man-Show" waren Bezeichnungen, die auch in deutschen Medien auf Staribachers unermüdliche Aktivitäten für den Fremdenverkehr zurückgingen. Vor allem dabei scheute der Minister keinerlei eigenen Körpereinsatz. Er schwang sich auf Räder, erklomm Berggipfel, brachte mit seinem Tempo und seiner Kondition vor allem deutsche Journalisten wiederholt in staunende Atemnot. Bei Bergrettungsübungen ließ er sich als oberster Stuntman der Republik zum Unfallopfer verschnüren, über Steilwände abseilen und wedelte zur Hebung der Nächtigungsbilanz pflichtbewusst über Skihänge.

Seine Bezeichnung als "Ziffernspion" stammte angeblich vom früheren ÖVP-Bundeskanzler Julius Raab. Denn Staribacher bewies schon als Gewerkschaftsvertreter und SPÖ-Abgeordneter vor 1970 in Kommissionen seine unglaubliche Analysefähigkeit von Zahlenwerken. Er nervte mit seinem Transparenzblick. Damit verblüffte er auch als Minister. Man konnte als Mitarbeiter sichergehen, dass der "Ziffernspion" aus einem Berg unterschriftsreifer Akten die einzige unschlüssige Zahl herausklauben würde.

Konzentrationslager und Kriegsverwundung#

Der Name "Bauxl" hat ernsten Hintergrund. Staribacher so zu nennen, blieb seiner Frau und engen Weggefährten vorbehalten. Der Spitzname stammt aus der Zeit der Illegalität der Sozialisten nach 1934 galt als eine Art Deckname. Denn nicht alles im Leben von Pepi war immer nur happy.

Am 25. März 1921 wurde er als Sohn einer Hausfrau und eines Kanalvorarbeiters und Straßenbahners in Wien geboren. Staribacher engagierte sich früh in den SP-Jugendorganisationen. Als 15-Jährigen warf man ihn wegen seiner Widerstandsaktivität aus der Schule. Er lernte daraufhin den Beruf des Stein- und Offsetdruckers. In der Nazi-Zeit kam er 1938 neun Monate ins KZ Buchenwald. Um seiner jungen Frau Gertrude eine bessere Versorgung zu bieten, ließ er sich an die Front schicken. Als Kriegswitwe schien sie ihm besser abgesichert. Waffe wollte er aber keine tragen. Deshalb wurde Staribacher Hilfskrankenträger und bald selbst schwer verwundet. Seine Verletzungen ermöglichten ihm noch vor Kriegsende ein Studium.

Der fertige Nationalökonom begann 1945 seine Tätigkeit in der Arbeiterkammer. Dort fungierte er von 1968 bis 1970 als Kammeramtsdirektor. Dann berief ihn Bruno Kreisky in seine Regierung. Als Staribacher 1970 nur im schlichten Anzug zur Angelobung des Bundespräsidenten gehen wollte, sorgte das für Häme bei Kommentatoren und für einen fast inszenierten Protokoll-Skandal. Aber er ließ sich von seinem Vorhaben auch von Kreisky nicht abbringen. Auch in der Folge trug er nie Frack oder Smoking. Niemals besuchte er den Opernball.

Pragmatismus, Dialog und Kompromisssuche#

Als Minister zeigte er sich betont kompromissorientiert. Für den Pragmatiker war Politik die Kunst des Möglichen. Dabei suchte er immer den Dialog, was auch oft bekrittelt wurde. Mit seinem offenen Kommunikationsstil sorgte er 13 Jahre lang für die Einbindung von Wirtschaftskammer und ÖVP-Wirtschaftsbund in alle Entscheidungen. Damit hielt er für Kreisky diese politische Flanke ruhig. Der direkte Draht zu Bundeskammerpräsident Rudolf Sallinger (ÖVP) wurde intensiv gepflegt. Das brachte dem überzeugten Sozialpartner-Minister einen neuen Spitznamen: "Sallibacher". In diese Zeit fiel eine Entstaubung der Gewerbeordnung, der Ausbau der Förderung von Klein- und Mittelbetrieben mit Einführung von Mindeststandards im Tourismus, das Assoziierungsabkommen mit der EFTA, das Österreich später den Weg in EU erleichterte, und ein erstes Konsumentenschutzgesetz.

Ein verhinderter "Ackerbauminister"#

Staribacher gehörte allen vier Kabinetten Kreiskys von 1970 bis 1983 an. Er sah sich dabei als Vertrauensmann des ÖGB und nicht etwa als Vasall des Kanzlers. Ursprünglich war er als Finanzminister gedacht. Das wurde dann Hannes Androsch. "Dann sollte ich Ackerbauminister werden", erzählte er später. Den ÖGB-Granden war aber diese Funktion für ihr Kaliber Staribacher zu minder. So wurde er zum Langzeit-Handelsminister.

Die Nähe zum Regierungschef suchte er niemals aktiv. "Ich habe ein korrektes Arbeitsverhältnis bevorzugt", sagte Staribacher in seinem letzten Interview mit der Zeitschrift "Trotzdem" im Sommer 2012. "Viele Leute sind mit jeder Nebensächlichkeit zu ihm gegangen. Ich habe das vermieden. Das war nicht aus Missachtung, sondern ich war der Meinung, jeder muss seine Arbeit in seinem Bereich selbst machen."

taribacher war strikter Nichtraucher und Anti-Alkoholiker. Letzteres brachte seine Mitarbeiter bei Ostblockreisen und Fremdenverkehrsevents mit obligaten Trinksprüchen und Stamperln an Grenzen der Belastbarkeit. Denn der eintrainierte, von anderen unbemerkte Gläsertausch erforderte beim Begleiter doppelte alkoholische Nehmerqualität und tags darauf sicher einen Ausnüchterungsurlaub. Als Staribacher einmal in einer Versammlungs-Rede dem Abbau des damaligen Weinüberschusses das Wort redete ("Wenn der Mann zu Hause ein Vierterl trinkt, ist das eine nationale Pflicht") meinte eine Frau: "Aber Herr Minister, Sie trinken ja selbst nur Wasser!" Darauf Staribacher schlagfertig: "Sehen Sie, I bin der einzige Minister, der Wein predigt und Wasser trinkt!"

Neben einer Mundharmonika trug Staribacher immer ein Taschenmesser bei sich. Damit teilte er nicht nur mit seinem Personal so manchen Happen zwischendurch. Es kam einmal bei einem Staatsakt so richtig zu Ehren: Ein ausländischer Wirtschaftsmagnat sollte vor einer großen Festversammlung einen hohen Orden überreicht bekommen. Stari versuchte, die kleine Rosette, die zu einer solchen Auszeichnung gehört, ins Loch am Anzugrevers des Geehrten zu stecken. Aber das war zugenäht. Der Handelsminister griff entspannt zum Messer im Hosensack und säbelte bedächtig das Knopfloch auf. Dann erklärte er zum Gaudium Festgesellschaft: "Ich sehe, Herr Generaldirektor kaufen - wie ich - die Anzüge von der Stange."

Als Staribacher 1983 mit Kreisky aus der Regierung schied und das Amtsgebäude am Stubenring verließ, nahm er mich im Stiegenhaus am Arm und sagte: "Ich geb’ Dir jetzt einen Tipp fürs Leben: Wenn Du Verantwortung übernimmst, vergiss nie dran zu denken, wie du mit Würde wieder abtrittst."

Am Samstag ist Josef Staribacher im 93. Lebensjahr abgetreten. Er hinterlässt zwei erwachsene Söhne und eine menschliche Lücke in der Politik.

Paul Vécsei war 1983 letzter Pressesprecher von Minister Staribacher und ist heute leitender Redakteur der Wiener Zeitung.

Wiener Zeitung, Dienstag, 7. Jänner 2014