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Welche politische Identität haben wir? (Essay)#


Peter Filzmaier


Sind wir Gemeinde- oder Landesbürger, Österreicher, EUropäer oder Weltbürger? Während jeweils rund 95 oder mehr Prozent sich ihrem lokalen, regionalen oder nationalen Umfeld verbunden fühlen, fehlt es den Österreichern weitgehend an einer europäischen Identität. Ein Drittel gibt an, zur EU überhaupt keinen Bezug zu haben, obwohl aufgrund der modernen Kommunikationstechnologien und einer zunehmenden Reisetätigkeit sogar die Weltbezüge im Steigen begriffen sind. Unabhängig von Reisen ist allerdings die geringe private und berufliche Mobilität der Österreicher – Wohnorts- und/oder Berufswechsel sind seltener als anderswo – dafür mitverantwortlich.

Offensichtlich ist, dass es politisch keine geographisch eindeutig zuordenbare Identität gibt, sondern ein komplexer Zusammenhang des politischen Selbstverständnisses der Bürger besteht. Wenn jemand sich gleichermaßen (und gleichzeitig) als Wiener und Österreicher sowie Europäer verstehen kann, bedeutet das eine Abweichung vom klassischen Identitätsverständnis in der Philosophie.

Zugleich jedoch zeigt nicht zuletzt die Debatte um den EU-Beitritt der Türkei, dass keine Identität umhin kommt Grenzen zu ziehen, d. h. festzulegen, wer dazugehört und wer nicht. Trifft man solche Entscheidungen nicht, haben politische Gemeinschaften wie die EU mit Identitätsproblemen zu kämpfen. Oft wird sogar eine kollektive Identität, die es neben dem individuellen Zugehörigkeitsgefühl gibt, durch einen tatsächlichen oder konstruierten Außenfeind gestärkt.

So erhöht sich das theoretisch durch die Mitgliedschaft zur supranationalen EU abnehmende österreichische Nationalbewusstsein durch die mehrheitliche Ablehnung der EU. Identifikations- und Integrationseffekte („Wir Österreicher!“) sind die Folge und können im politischen Wettbewerb von Parteien durch nationale Aussagen genützt werden. Auf Landesebene versuchen Politiker ebenfalls oft mit dem Slogan „Wir gegen Brüssel!“ oder auch „Wir gegen Wien!“ in Wahlkämpfen zu punkten.

Bezeichnenderweise sind politische Symbole wie Fahnen und Hymnen fast ausschließlich als nationales Element – etwa bei Fußballspielen oder Siegerehrungen von anderen Sportveranstaltungen – präsent, während die EU-Symbole eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen bzw. weniger bekannt sind. Je größer eine politische Gemeinschaft, desto mehr sind Identität stiftende Symbole und Medien erforderlich, während im lokalen Bereich Identität durch persönliche Kontakte entsteht.


Europäische, nationale, globale Identität der österreichischen Bevölkerung (Eurobarometer 2005):

"18 % fühlen sich oft, 39 % manchmal, 40 % nie als EuropäerInnen

5 % fühlen sich oft, 30 % manchmal, 60 % nie als WeltbürgerInnen

88 % sind stolz, ÖsterreicherInnen zu sein

60 % sind stolz, EuropäerInnen zu sein

44 % der ÖsterreicherInnen denken, dass sie sich in der Zukunft als ÖsterreicherInnen und EuropäerInnen fühlen (EU25: 48 %)

44 % nur als ÖsterreicherInnen (EU25: 41 %)

2 % glauben, dass sie sich ausschließlich als EuropäerInnen fühlen werden. Das entspricht dem EU-Schnitt.“


Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:

© 2007 by Styria Verlag in der, Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien
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