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„Es kann Sünde sein, wenn um des Wohls der Kirche willen nicht Kritik geübt wird“
(Pastoraltheologe Paul Zulehner in der Wiener Zeitung vom 7. Februar 2009)

Der Weg aus der Krise#

von Peter Diem

Nachdem sich der mediale Pulverdampf, den die päpstliche Versöhnungsgeste gegenüber der konzilskritischen Pius-Bruderschaft und die versuchte Ernennung eines österreichischen Weihbischofs ausgelöst haben, verzogen hat, ist es Zeit, etwas grundsätzlicher über die Probleme nachzudenken, vor denen die katholische Kirche Österreichs vier Jahrzehnte nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) steht.

Ohne an der übernatürlichen Sendung der Kirche zu zweifeln, muss es erlaubt sein, ihr Wirken in der Welt mit dem strategischen Verhalten anderer Institutionen zu vergleichen, wird sie doch von Menschen getragen und versucht sie doch, möglichst viele Menschen mit ihrer Botschaft zu erreichen. Die Überzeugungsarbeit der Kirche ruht wie jene weltlicher Organisationen auf den drei Säulen:

- Inhalt (Frohbotschaft, Glaubenslehre und -praxis, sittliche Vorschriften)
- Vertrieb (Hierarchie, Weltchristen, Institutionen) und
- Kommunikation (Formen der Verkündigung, Medien)

Sehr oft – vor allem in den Bereichen Politik und Wirtschaft - werden Misserfolge auf Mängel im Vertrieb (beim Marketing) und in der Kommunikation (in der Werbung) geschoben, nicht aber auf Schwächen inhaltlicher Natur (Politik, Programm oder Produkt) zurückgeführt. So sehen etwa aktuelle innerkirchliche Reformbewegungen - wie die von Dr. Herbert Kohlmaier, Rd organisierte „Laieninitiative“ - das Hauptproblem der Kirche im Priestermangel, dem u.a. durch Aufhebung des Zölibats und die Weihe von viri probati abgeholfen werden soll. Auch wird immer wieder versucht, durch publizistische Maßnahmen (von Kardinalsworten in oft schamlosen Boulevardzeitungen bis zum Zettelverteilen vor dem Stephansdom) Boden zu gewinnen. Alles das wird jedoch wenig fruchten, wenn nicht an den Inhalten, d.h. an der tatsächlichen Bedeutung der Frohbotschaft für die Welt von heute, gearbeitet wird.

Schon vor Jahrzehnten, im abschließenden Konzilsdokument „Gaudium et Spes“ vom 7. Dezember 1965, konnte man lesen:

„Die von früheren Generationen überkommenen Institutionen, Gesetze, Denk- und Auffassungsweisen scheinen aber den wirklichen Zuständen von heute nicht mehr in jedem Fall gut zu entsprechen. So kommt es zu schweren Störungen im Verhalten und sogar in den Verhaltensnormen. Die neuen Verhältnisse üben schließlich auch auf das religiöse Leben ihren Einfluss aus. Einerseits läutert der geschärfte kritische Sinn das religiöse Leben von einem magischen Weltverständnis und von noch vorhandenen abergläubischen Elementen und fordert mehr und mehr eine ausdrücklicher personal vollzogene Glaubensentscheidung, so dass nicht wenige zu einer lebendigeren Gotteserfahrung kommen. Andererseits geben breite Volksmassen das religiöse Leben praktisch auf. Anders als in früheren Zeiten sind die Leugnung Gottes oder der Religion oder die völlige Gleichgültigkeit ihnen gegenüber keine Ausnahme und keine Sache nur von Einzelnen mehr“(Artikel 7).

Wenn es heute am Rande der Kirche Bestrebungen gibt, die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils als Irrwege zu diffamieren, um zu vorkonziliaren Ansichten und Praktiken zurückkehren zu können, so kann man nur den Kopf schütteln. Aber auch die „vorbehaltlose Annahme des Zweiten Vatikanischen Konzils“ (Hirtenbrief vom 15.2.2009) ist nicht der Weisheit letzter Schluss. In der Welt des dritten Jahrtausends nach Christus ist nur die Fortschreibung und weitere Vertiefung der konziliaren Denkansätze eine Vorgangsweise, die einige Hoffnung auf Erfolg verspricht.

Versuchen wir an Hand einiger Beispiele darzustellen, warum nur radikales Umdenken in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre geeignet ist, die bereits
1962-1965 (also schon Jahre vor dem ideologischen Umbruchsjahr 1968!) kirchenoffiziell diagnostizierte Entfremdung zwischen Kirche und Welt zu überwinden.

Zunächst einige aktuelle Entwicklungslinien im Umfeld der Kirche.

Frühe biologische Reife, hohe Lebenserwartung

- Erst jüngst konnte man lesen, dass die biologische Akzeleration in Europa unvermindert weitergeht. So „setzt die Regelblutung bei einigen Mädchen bereits in der vierten Volksschulklasse ein“ (Wiener Zeitung vom 12.2.2009). Die verfrühte hormonale Umstellung bewirkt bei den Buben ein verstärktes „Männlichkeitsverhalten“ (man beobachte nur den Zigarettenkonsum an den Schultoren), bei den Mädchen ein erhöhtes Hingabe- und Zärtlichkeitsbedürfnis. Nicht zuletzt dadurch fällt die fortschreitende Erotisierung der Umwelt (Werbung!) auf fruchtbaren Boden. Es kommt zu einer Verlagerung der Interessen der Jugendlichen weg von der Familie hin zum anderen Geschlecht. Eine ausgeprägte (nächtliche) Jugendkultur bietet dafür die Bühne.

- Mangelnde Aufklärung und mangelnde Verfügbarkeit von Kontrazeptiva haben dazu geführt, dass sich „der Anteil der Minderjährigen, die sich bereits für eine Abtreibung entschieden haben … in den letzten vier Jahren nahezu verdreifacht hat“:
92 % alle Teenager-Schwangerschaften sind ungewollt; in 60 % der Fälle kommt es zur Abtreibung (a.a.O.).

- Insgesamt wird die jährliche Zahl der Abtreibungen in Österreich auf 30.000 bis 40.000 geschätzt.

- Die jährliche Zahl der Eheschließungen ist in den letzten zehn Jahren von rund 40.000 auf rund 36.000 gesunken, während die jährliche Zahl der Ehescheidungen von 18.000 auf 20.000 anstieg.

- Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten bei Männern von 72 auf 77 und bei Frauen von 79 auf 83 Jahre erhöht – Tendenz weiter steigend.

- Immer mehr Frauen wollen eine berufliche Tätigkeit ausüben oder sind dazu aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen. So ist der Anteil der erwerbstätigen Frauen im Alter von 30-45 Jahren in Österreich zwischen 1960 und 1995 von 54 auf 74 % angestiegen. 1990 schlossen rund 6.000 männliche und rund 4500 weibliche Studierende ihr Studium in Österreich ab. 2005 waren es bereits je rund 11.000 (alle Daten Statistik Austria).

- Das traditionelle Familienbild hat sich stark gewandelt, die klassische Kernfamilie ist nur mehr eines von mehreren Modellen – und dennoch (oder gerade deshalb?) hat der Wert „Familie“ bei Jugendlichen hohe Priorität (vgl. hiezu die Artikel in der „Academia“ Februar 2009).

- 40.596 Personen haben der Kirche 2008 den Rücken gekehrt. 2007 waren lediglich 36.858 Kirchenaustritte gezählt worden. Das war geraume Zeit vor dem jüngsten Medienrummel um Piusbruderschaft und Bischofsernennung. Wie viele werden Ende 2009 ausgetreten sein?

Soweit die Fakten.

Wie aber stellt sich die katholische Kirche dieser neuen gesellschaftlichen Wirklichkeit, die in ihren Grundzügen übrigens schon den Konzilsvätern bekannt war? Wie reagiert sie auf die zunehmende Bedeutungslosigkeit ihrer Aussagen?

Liebe zum Leben

Außer Streit steht und muss stehen, dass der Schutz des geborenen und ungeborenen Lebens die Spitze christlicher Wertvorstellungen bilden und dass Ehe und Familie hohe Güter sind - anzustrebende Ideale nicht zuletzt im Hinblick auf die Erhaltung und Vervollkommnung des Menschengeschlechts.

Man sollte meinen, dass die Lehre der Kirche alles unternimmt, um die praktische Verwirklichung dieser Werte nach Kräften zu fördern. Doch leider ist das Gegenteil der Fall.

Empfängnisverhütung und Abtreibung

Die Enzyklika Pauls VI. „Humanae vitae“ aus dem Jahr 1968 gilt weiterhin – zumindest „pro foro externo“. Im unmittelbaren Anschluss an die Verurteilung von Abtreibung und Sterilisierung als Mittel der Geburtenkontrolle besagt ihr Kernsatz: „Ebenso ist jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.“ Verworfen wird jede Form des Einsatzes von Kontrazeptiven, so als wäre der Gebrauch von Pille oder Kondom gleichzusetzen mit der Tötung des Fötus im Mutterleib. Der dieser kirchlichen Vorschrift inhärente Widerspruch ist eine der entscheidenden „Produktschwächen“ der herrschenden Sittenlehre. Ganz abgesehen von den unbarmherzigen indirekten Auswirkungen des Kondomverbots auf die Bekämpfung von Aids und anderer Geschlechtskrankheiten in Afrika und anderswo.
Die Alternative lautet: entweder aktive Mitwirkung der Kirche an der Verbreitung von Kontrazeptiva ab Ausgang der Kindheit oder Mitschuld am weiteren Ansteigen der Zahl der Abtreibungen – tertium non datur.


Vorehelicher Geschlechtsverkehr und Ehevorbereitung

Im geltenden katholischen Katechismus lesen wir:

2350. Die Brautleute sind aufgefordert, die Keuschheit in Enthaltsamkeit zu leben. Sie sollen diese Bewährungszeit als eine Zeit ansehen, in der sie lernen, einander zu achten und treu zu sein in der Hoffnung, dass sie von Gott einander geschenkt werden. Sie sollen Liebesbezeugungen, die der ehelichen Liebe vorbehalten sind, der Zeit nach der Heirat vorbehalten. Sie sollen einander helfen, in der Keuschheit zu wachsen.

1632. Damit das Ja der Brautleute ein freier, verantwortlicher Akt ist und damit der Ehebund feste und dauerhafte menschliche und christliche Grundlagen hat, ist die Vorbereitung auf die Ehe höchst wichtig.

Stellen wir noch einmal, ganz im Sinne der kirchlichen Tradition, den hohen Wert der Ehe inklusive ihrer angestrebten Unauflöslichkeit dar. Drei Güter charakterisieren die christliche Ehe: Kinder zu zeugen und zu erziehen, den Sexualtrieb zu befriedigen und einander in den Fährnissen des Lebens beizustehen (Lehre von den „tria bona matrimonii“).

Wenn man die weiter oben genannten Fakten (frühe Reife, hohe Lebenserwartung, höherer Anteil von gut ausgebildeten Frauen, Erfüllung in der oder Zwang zur weiblichen Erwerbstätigkeit, hohe Scheidungsrate, etc.) in Rechnung stellt, ergibt sich die Frage, wie die die als „höchst wichtig“ erachtete katholische Ehevorbereitung auszusehen habe.

Erinnern wir uns an Friedrich Schillers weisen Rat: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, // Ob sich das Herz zum Herzen findet. // Der Wahn ist kurz, die Reu’ ist lang.“

Wie sollen Ehewillige prüfen, ob sie wirklich auf viele Jahrzehnte „miteinander können“, wenn ihnen Geschlechtsverkehr und Verhütung verboten sind? Glaubt die Kirche wirklich, dass es genügt, einander tief in die Augen zu sehen, um herauszufinden, ob man lebenslang zu einander passt? Müsste der Ratschlag der Kirche nicht eher lauten: wartet zu mit dem Heiraten, bis ihr ein wenig Erfahrung gesammelt habt, bis ihr im Beruf Erfüllung gefunden habt, bis ihr auch durch das Erleben einer reiferen körperlichen Liebe hundertprozentig sicher seid, miteinander leben und Kinder zu zeugen zu wollen. Wenn es so ist – und es besteht kein Zweifel daran, dass es so ist – dass Kinder intakte Ehen, „Nestwärme“ und elterliches Vorbild brauchen, dann ist doch alles daran zu setzen, dass Ehen nicht ohne ausreichende Stabilitätsaussichten geschlossen werden. Die Frau von heute ist über rund drei Jahrzehnte fruchtbar, ihren natürlichen Kinderwunsch sollte sie sich erst dann erfüllen, wenn sie sich so weit stabilisiert hat, dass sie zusammen mit ihrem Mann die oben erwähnten Bedingungen erfüllen kann. Und „Wunschkinder“ werden größere Chancen haben, glückliche Menschen zu werden.

Auch hier muss auf den inhärenten „Produktwiderspruch“ in der kirchlichen Sittenlehre hingewiesen werden, der darin besteht, einerseits die Ehescheidung zu verurteilen (und darüber hinaus an einer Ehe gescheiterten Wiederverheirateten die Sakramente zu verweigern) und andererseits alles zu verbieten, was zu einem tieferen Verstehen künftiger Eheleute beizutragen geeignet ist.

Anmerkung: Die obigen Überlegungen dürfen nicht als Aufruf zur Promiskuität verstanden werden. Die der menschlichen Natur entsprechende Partnersuche muss vielmehr verantwortungsvoll und unter Bedachtnahme auf liebendes, geistiges Verstehen erfolgen.

Sexualfeindlichkeit, Doppelmoral, Heuchelei

Im Juni 1995 unterschrieben eine halbe Million Menschen in Österreich das erste Kirchenvolksbegehren. Die auf eine „geschwisterliche Kirche“ gerichtete Aktion war durch aufgedeckte sexuelle Missbrauchsfälle ausgelöst worden und hatte drei Schwerpunkte:
1. Volle Gleichberechtigung von Frauen in allen kirchlichen Ämtern
2. Freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform
3. Positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen
Leibfeindlichkeit ist im Lauf der Kirchenentwicklung zu einer wesentlichen „Produktschwäche“ geworden. Sie hat aber auch Auswirkungen auf die „Vertriebsorganisation“: nicht nur in Österreich, sondern weltweit kamen Vorgänge ans Tageslicht, die eindeutig die Folge eines verklemmten Verhältnisses zur Sexualität waren. Eine tiefe Vertrauenskrise zwischen Hierarchie und Weltchristen war die Folge. Zweifellos würde die Abschaffung des Pflichtzölibats schon von der ersten Stunde der Priesterausbildung an zu einer geistigen Entkrampfung des gesamten Klerikerstandes führen. Man überlege nur, was es heißen muss, wenn der zölibatäre Priester in der Phase seiner vollen Manneskraft einer attraktiven Frau die Beichte etwa mit Schwerpunkt auf dem sechsten Gebot abzunehmen hat.

Der Kirche und ihren Glaubensinhalten schaden in diesem Zusammenhang immer wieder nachweisbare Beispiele von (erzwungener) Doppelmoral. Dazu zählen nicht nur Fälle von Priestern (auch solchen im CV), die sich auf ihre Pension freuen, „weil sie dann endlich mit der Freundin zusammenziehen können“. Zwar ist – im Sinne des eingangs Gesagten - nicht anzunehmen, dass die Aufhebung des Zölibats allein zu einer neuen Faszination des katholischen Glaubens für die Fernstehenden führen wird, doch immerhin müssten nicht so viele begabte und fähige Männer in der Lüge leben. Auch würde der ökumenische Dialog sicher erleichtert werden.

Ein weiteres Problem ist die offenbar immer häufiger praktizierte Lösung des Ehebandes durch kirchliche Gerichte – mit fadenscheinigen Begründungen über die „incapacitas“ eines Ehepartners und gegen entsprechend hohe Gebühren. Wenn es stimmt, dass in Italien bereits jede fünfte Ehetrennung durch ein kirchliches Verfahren bewerkstelligt wird, dann ist das kein gutes Zeichen für die Glaubwürdigkeit der Kirche.

Zaghafte ökumenische Bemühungen

„Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils. Denn Christus der Herr hat eine einige und einzige Kirche gegründet, und doch erheben mehrere christliche Gemeinschaften vor den Menschen den Anspruch, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen; sie alle bekennen sich als Jünger des Herrn, aber sie weichen in ihrem Denken voneinander ab und gehen verschiedene Wege, als ob Christus selber geteilt wäre. Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen.“

Mit diesen Sätzen beginnt das Konzilsdekret über den Ökumenismus "Unitatis redintegratio" vom 21. November 1964. Es ist zweifellos eine inhaltliche Schwäche, dass es der katholischen Kirche in vier Jahrzehnten nicht gelungen ist, über freundschaftliche Treffen und Lippenbekenntnisse hinaus, tatsächliche institutionelle Brückenschläge zumindest zu den dogmatisch nahestehenden christlichen Bekenntnissen, vor allem zur Orthodoxie, zu Stande zu bringen. Es ist offensichtlich, dass „politische“ und „protokollarische“ Gründe mehr zur Aufrechterhaltung dieses Ärgernisses beitragen als dogmatische Differenzen. Was bitte spricht gegen Interkommunion und Interzelebration, wo Christus doch gelehrt hat „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen‹ (Mt 18,20).

Ist es wirklich nachvollziehbar, dass „das Erreichen der Einheit, die wir uns wünschen, in erster Linie vom Willen Gottes abhängt, dessen Plan und Großherzigkeit das Fassungsvermögen des Menschen sowie seine Bitten und Erwartungen übersteigen“? (Benedikt XVI. anlässlich der Gebetswoche für die Einheit der Christen am 25.1.2006). Der unbefangene Beobachter wird wohl sagen müssen: es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Ecclesia semper reformanda

Es wäre verlockend, noch an anderen Beispielen darzustellen, dass die katholische Kirche der Gefahr, zur bloßen Sekte zu verkümmern, nur dann entgehen wird, wenn sie sich nicht nur formalen sondern auch inhaltlichen Fragen im Dialog mit der Welt stellt. In formaler Hinsicht wird es dabei zunächst um die Überwindung überkommener Vorurteile gehen. Wie sagt doch Paulus so trefflich im Brief an die Galater (3,28): „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus“. Das betrifft auch das Verhältnis Hierarchie-Weltchristen, wobei es um angemessene Mitwirkungsrechte der letzteren geht. Bezogen auf die Glaubensinhalte wird eine stärkere Rückbesinnung auf die jesuanische Kernbotschaft notwendig sein: auf der Basis seines universellen Liebesgebots die Würde des Nächsten zu achten und aktiv am Aufbau einer geschwisterlichen Gesellschaft mitzuwirken.

Aus: "Academia", März 2009