!!!Mitten im eigenen  Bewusstsein  

!!Streit zwischen Christen und Buddhisten ist selten, aber auch das  Gespräch findet sich kaum: Eine Buddhistin und eine Christin reden darüber.  

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''Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: [DIE FURCHE|http://www.furche.at], Donnerstag, 23. Mai 2013''



Das Gespräch moderierten  

__Otto Friedrich__ und __Martin Tauss __

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Beide sind Achtsamkeitslehrerinnen.  Aber die Theologin, Philosophin  und Religionsjournalistin  Ursula Baatz und die Tibetologin  und Buddhistin Tina Draszczyk  vertreten unterschiedliche Positionen. Ein  Dialog zwischen Christin und Buddhistin.

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[{Image src='Buddhismus-Christentum-Debatte.jpg' align='center' caption='Stichwort  Erlösung I .Eine der zentralen  Lehren des  Buddha ist die  Selbst-losigkeit,  besser: Wesenlosigkeit,  das heißt:  Wo kein Selbst ist,  kann schwerlich  ein Selbst erlöst  werden.  (Tina Draszczyk)\\Stichwort  Erlösung II.  Was heißt Erlösung  im Christentum?  Wenn Jesus sagt:  „Ich bin der Weg,  die Wahrheit und  das Leben“ – geht  es da um einen  Führer, dem man  nachhumpelt, oder  versteht man das  als einen Prozess?  Ich würde sagen,  das ist ein Prozess.  (Ursula Baatz)\\Foto: © Katrin Bruder' width='800' alt='Buddhismus-Christentum-Debatte' height='258' popup='false'}]

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''DIE FURCHE: Warum lässt man sich als Christin  auf den Buddhismus ein?''  

__Ursula Baatz:__ Es gibt keinen Grund, warum  man sich als Christin nicht auf eine andere  Tradition einlassen soll, es sei denn, man  hat ein sehr enges Verständnis vom Christentum.  Dass ich mich konkret darauf eingelassen  habe, ist biografi sch begründet.  

''DIE FURCHE: Was interessiert eine Buddhistin  am Christentum? '' 

__Tina Draszczyk:__ Ich bin im Christentum  aufgewachsen und hatte dann meine Gründe,  mich etwas anderem zuzuwenden. Abgesehen  vom ethischen Rahmen, der das  allerwichtigste Fundament ist, bleibt der  Gottesbegriff auch von außen her von Interesse?  Was ist für einen Christen der Gottesbegriff.  Das ist für mich das große Rätsel.  

''DIE FURCHE: Warum?''

__Draszczyk:__ Es ist die Frage, wie so viele  Menschen sich einem abstrakten Begriff  verbunden fühlen können. Für mich persönlich  kann ich das nicht als Anregung aufgreifen.  Aber es interessiert mich, was Menschen  denken, die an einen Gott glauben.  

__Baatz:__ Die Trennlinie zwischen Buddhismus  und Christentum verläuft nicht beim Gottesbegriff.  „Gott“ ist in keiner Weise ein Abstraktum,  der Begriff ist vielschichtig. Gottesbilder im Christentum wie in der Bibel sind  zahllos, nur hat das Christentum im Gegensatz  zur jüdischen Tradition weitgehend  vergessen, dass es nur Bilder sind – „Gott“  bleibt unaussprechbar, ein Geheimnis...

__Draszczyk:__ ...aber trotzdem etwas, worauf  man sich bezieht. Also doch eine gewisse äußere  „Wesenheit“, auf die man in irgendeiner  Weise Bezug nimmt. Das ist doch ein  zentraler Unterschied, bei dem es darum  geht, das innere Potenzial zu verwirklichen.  

__Baatz:__ Ich bin mir nicht so sicher, dass sich  Buddhisten nicht in ähnlicher Weise auf den  Buddha als transzendentes Wesen beziehen  – etwa im Reinen-Land-Buddhismus der  „Buddha des Lichts“.  

__Draszczyk:__ Was den populären Buddhismus  betrifft, stimmt das sicher. Populärer  Buddhismus unterscheidet sich vermutlich  vom Christentum recht wenig. Aber vom Ansatz  der philosophischen Lehrtradition sehe  ich schon einen großen Unterschied.  

[{Image src='Meditierende.jpg' class='image_right' caption='Stichwort Reinkarnation. Reinkarnation ist nur die Fortsetzung dessen, was man durch Handlungen und Geistestrübungen akkumuliert hat und der Geist sozusagen wieder projiziert. (Tina Draszczyk)\\Foto: © Katrin Bruder' width='400' alt='Meditierende' height='403'}]

''DIE FURCHE: Es gibt Schlagwörter, die dem  Christentum zugesprochen werden – etwa:  Erlösung – und solche, die dem Buddhismus  anhängen – etwa Selbsterlösung.''

__Draszczyk:__ Was ist denn Selbsterlösung?  Es gibt eine ganze Reihe gängiger Begriffe,  die sich in der Übersetzungsliteratur eingeschliffen  haben, das ist bedauernswert,  da es heute dafür viel bessere Ausdrucksweisen  gibt. Eine der zentralen Lehren des  Buddha ist die Selbst-losigkeit, besser: Wesenlosigkeit, das heißt: Wo kein Selbst ist,  kann schwerlich ein Selbst erlöst werden.  Hier sind sich alle Strömungen  des Buddhismus einig: Es gibt in der Person  keine wahre, gleichbleibende Identität. Es  gibt kein Selbst. Deswegen kann dieses auch  nicht erlöst werden. Zentral ist der Weg, den jeder  aus eigenen Stücken gehen muss. Und weil  Täuschung sich im eigenen Bewusstsein abspielt,  kann das niemand für einen selbst auflösen,  das muss man selbst durchschauen.  

__Baatz:__ Was heißt Erlösung im Christentum,  und wer ist der Agent davon? Wenn Jesus  sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und  das Leben“ – geht es da um einen Führer,  dem man nachhumpelt, oder versteht man  das als einen Prozess? Ich würde sagen, das  ist ein Prozess. Man wird gleichförmig mit  Christus, man ist Teil von diesem Prozess.  Das kann man auch nur selbst, man kann  schlecht jemanden dazu delegieren. Bei Paulus  steht im Römerbrief: Wer getauft ist, hat  Anteil an Tod und Auferstehung. Und zwar  nicht irgendwann, sondern hier und jetzt.  Interessanterweise wurde das theologisch  nie zu Ende gedacht. Ich vermute, ein Grund  dafür ist, dass die griechische Philosophie  mit ihrer Logik das nicht erlaubt. Da hat  die buddhistische Philosophie mit den paradoxen  Denkformen viel mehr Spielräume.  

''DIE FURCHE: Ein zweites Reizwort ist Reinkarnation.  Auch viele Christen glauben daran.  Ein Berührungspunkt zum Buddhismus?''

__Draszczyk:__ Das hängt ganz davon ab, was  man unter Reinkarnation versteht! In den  meisten buddhistischen Traditionen wird Reinkarnation  als etwas verstanden, das stark  vom jetzigen Leben abhängt, insbesondere  die letzten Eindrücke vor dem Tod sind wesentlich.  Reinkarnation ist auch nicht spektakulär, so wie wenn man einschläft und wieder  aufwacht; etwas drastischer insofern,  als man da einen neuen Körper und eine  neue Welt um sich hat. Es ist eine Fortsetzung  der karmischen Eindrücke und dessen, was  einem dadurch an Welt vorgegaukelt wird  und an illusorischem Bewusstsein. Wenn es  sich um eine derartige Vorstellung handelt,  ist es natürlich ein Berührungspunkt.  


__Baatz:__ Eine der Faszinationen der Reinkarnation  rührt daher, dass im Christentum über  Auferstehung wenig nachgedacht wurde: Hätten  sich die Theologen so viel Gedanken  über Auferstehung gemacht wie über Sünde,  würde die Sache anders aussehen. Auferstehung  ist paradox, ein radikaler Bruch  und keine Fortsetzung.  

__Draszczyk:__ Reinkarnation ist nur die Fortsetzung  dessen, was man durch Handlungen  und Geistestrübungen akkumuliert  hat und der Geist sozusagen wieder projiziert.  Ich nehme das wahr, was ich an Handlungen  und Eindrücken aufgebaut habe. Sie  ist nichts weiter.  

''DIE FURCHE: Wo unterscheiden sich Christentum  und Buddhismus am meisten? ''

__Baatz:__ Ein Unterschied ist, zeitgenössisch  ausgedrückt, die vorrangige Option für die  Armen. Diese zeichnet das Christentum von  Anfang an aus. Das Christentum kommt ja  aus einer Unterdrückungssituation, während  der Buddhismus eine staatlich anerkannte  und geförderte Religion war. Das  erzeugt völlig andere Dynamiken und Zugänge.  Für mich liegen da Weichenstellungen.  Bei allem Spaß an philosophischer Debatte:  Wenn es darum geht, wofür setze ich mein  Leben ein, dann geht es um ethische Transzendenz,  ums „Antlitz des Anderen“.  

__Draszczyk:__ Es stimmt, dass der Buddhismus  das in dieser Form nicht hat. Das Ausmaß  umfassender sozialer Aktivitäten aus  der Religion heraus vermisse ich hier. Aber  in letzter Zeit lernen die buddhistischen Organisationen  da viel von den Christen.  

''DIE FURCHE: Im Ranking der „modernen“ Religionen  steht der Buddhismus fast immer  ganz oben. Wenn gefragt wird, wer der tollste  spirituelle Führer ist, dann kommt an erster  Stelle der Dalai Lama. Was macht die Anziehungskraft  des Buddhismus aus? '' 

__Draszczyk:__ Das liegt nicht daran, dass  die Menschen den Buddhismus gut kennen,  sondern es liegt an dessen Image. Ein  Kernpunkt ist sicher, dass im Buddhismus  Selbstverantwortlichkeit eine wesentliche  Rolle spielt – und diese wird in unserer Zeit  hochgehalten. Darüber hinaus ist es eine  Image-Frage. Der Dalai Lama hat eine gute  PR, und er ist äußerst charismatisch...

__Baatz:__ ...und er deckt dieses Image als Person  auch ab! Entscheidend ist auch die Buddhismus-  Rezeption. Der Buddhismus, wie man  ihn heute versteht, fußt auf einem Rückkopplungsprozess:  Europäische Intellektuelle,  die das Staatskirchentum abgelehnt haben,  entdeckten im 19. Jahrhundert den Buddhismus. Da war noch unklar, als was man ihn  überhaupt verstehen soll; dann hat sich die  Idee durchgesetzt, es sei ein aufgeklärter  Humanismus. Man hat also etwas Nettes  gefunden, was passt. Das haben dann in Japan  oder in Sri Lanka die autochthonen Buddhisten im anti kolonialen Kampf übernommen  und als Selbstdarstellung gebracht... 

__Draszczyk:__ ...auch die Achtsamkeitswelle,  die wir heute haben, beruht auf dieser Geschichte.  Es gibt einen weiteren Grund, warum  der Buddhismus so beliebt ist: Er hat  einen großen „Methodenkoffer“ an meditativen  Techniken, die es meiner Kenntnis nach  im Christentum in dieser Form nicht gibt und  die teilweise dort übernommen wird. 

''DIE FURCHE: Das hat das Christentum nicht?  ''

__Baatz:__ Im Buddhismus wurde der Methodenkoffer  erst dadurch entdeckt, dass man  den Erfahrungsbegriff als wichtig hinstellt.  Im Japanischen etwa gibt es für „Erfahrung“  erst Ausdrücke aus dem späten 19. Jahrhundert.  Auch im Christentum gab es sehr reiche  und starke Meditationstraditionen, die  man erst heute wieder entdeckt. Martin Luther  beispielsweise meditierte, und der Impuls  des Protestantismus wurzelt in seiner  Meditationserfahrung.  

__Draszczyk:__ Es mag schon sein, dass dies im  Zen-Buddhismus aus der Modernisierung  heraus entstanden ist. Aber der indische  und tibetische Buddhismus hat von Anfang  an wesentliche Auseinandersetzungen über  Erfahrung, auch was Techniken betrifft. Es  gab historische Debatten, welche Form von  Meditation für Erfahrung und Erkenntnis  geeigneter ist – das war Standardthema in  Tibet von Anfang an. Meditation ist das wesentliche  Erbe des tibetischen Buddhismus.  

''DIE FURCHE: Aber wenn es stimmt, dass der  westliche Buddhismus-Boom auch auf einer  Kritik der Rolle der Kirchen im Staat fußt:  Waren nicht gerade im tibetischen Buddhismus  bis zur Vertreibung des Dalai Lama  1959 Staatswesen und Religion eins?'' 

__Draszczyk:__ Den meisten, die sich hierzulande  dem tibetischen Buddhismus zuwenden,  ist das nicht bewusst. Da gibt es sehr wenig  Kenntnis über die historische Entwicklung  der tibetischen Kultur – und es wird von Seiten  der Tibeter und der tibetischen Exilregierung  kaum etwas unternommen, um hier  Aufklärung zu betreiben. Die Hintergründe  der tibetischen Geschichte sind nicht immer  positiv. Und die Menschen, die dem tibetischen  Buddhismus aus romantischem  Wunschdenken heraus nahekommen, machen  sich nicht die Mühe, sich diese Kenntnis  zu verschaffen. In jedem Fall zeichnet  sich der tibetische Buddhismus dahingehend  aus, dass er eine sehr differenzierte  Fülle spiritueller Methoden hat überliefern  können.  

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[{Image src='Tina-Draszczyk.jpg' caption='Tina Draszczyk\\Foto: © Katrin Bruder' class='image_left' width='200' alt='Tina Draszczyk' height='136'}]
[{Image src='Ursula-Baatz.jpg' caption='Ursula Baatz\\Foto: © Katrin Bruder' class='image_right' width='200' alt='Ursula Baatz' height='136'}]

!Tina Draszczyk

Die promovierte Tibetologin praktiziert seit 1978 tibetischbuddhistische Meditation. Sie ist Achtsamkeitslehrerin sowie Lehrerin für buddhistische Philosophie und Meditation. Sie ist Vertreterin der tibetischen Karma Kangyü-Tradition.



!Ursula Baatz

Die Theologin und Philosophin war Ö1-Religionsjournalistin. Sie schrieb Bücher zum Buddhismus und zur Zen-Tradition. Über ihren Lehrer Hugo Enomiya-Lassalle SJ verfasste sie eine Biografie. Auch Ursula Baatz ist Achtsamkeitslehrerin.



[{Image src='Erleuchtung-Auferstehung-Buch.jpg' alt='Erleuchtung trifft Auferstehung. Buch von Ursula Baatz\\Foto: © Katrin Bruder' class='image_left' width='100' height='176'}]

!Buchtipp

__Christin und Zen-Buddhismus  __


Als Schülerin und Biografin des Jesuiten Hugo Enomiya- Lassalle, des Wanderers zwischen Zen-Buddhismus  und Christentum, ist Ursula Baatz prädestiniert,  einen Dialog zwischen beiden Wegen auch  in Buchform vorzulegen. In „Erleuchtung trifft Auferstehung“  versucht sie eine Orientierungshilfe dazu.  Dass sich die Autorin da nur aufs Gespräch mit  der Zen-Tradition einlässt, mag Hinweis dafür sein,  dass es die Aueinandersetzung mit dem Buddhismus  nicht gibt: Man muss auf jeden Fall zwischen  den einzelnen Lehrtraditionen differenzieren. Aber  für einen Brückenschlag zum Zen-Weg taugt dieser  Versuch allemal. Und: Unkritisch geht Ursula Baatz  auch an dieses Thema nicht heran. ''(ofri) '' 

''Erleuchtung trifft  Auferstehung.  Zen-Buddhismus und  Christentum. Eine Orientierung.  Von Ursula  Baatz. Theseus 2009.  240 S., geb. 20,60 Euro.''


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[DIE FURCHE|http://www.furche.at], Donnerstag, 23. Mai 2013
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[{Metadata Suchbegriff='Buddhismus und Christentum' Kontrolle='Nein'}]