!!!„Man muss nicht alles haben“  

!!Ein Kundendienst-Mitarbeiter hat seinen Geschirrspüler einst für kaputt erklärt, ohne ihn überhaupt berührt zu haben. Seitdem kämpft Sepp Eisenriegler mit seinem Reparatur- und Servicezentrum (R.U.S.Z.) gegen die Wegwerfmentalität.  

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''Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus: [DIE FURCHE|http://www.furche.at] (Donnerstag, 10. Jänner 2013)''


Von

__Susanne Wolf __
  

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[{Image src='Man-muss-nicht-alles-haben.jpg' caption='Visionär. Sepp Eisenriegler, geb. 1953 in Wien, baut nach dem Geografie- und Englischstudium die Umweltberatung Wien mit auf. 1998 gründet er das R.U.S.Z in Wien- Penzing. Heute ist der 60-Jährige mit Zusatzstudium Sozialmanagement Vorsitzender des Vereins Repa- Net und Präsident von RREUSE \\© Mirjam Reither' class='image_right' width='500' alt='Sepp Eisenriegler' height='333'}]





Habib verabschiedet sich herzlich und mit drei Küsschen – rechts, links, rechts – von seinem Chef, der ihn freundschaftlich umarmt. Mit den Worten „Liebe Grüße an deine Familie“ wird der Techniker ins Wochenende geschickt. Im Reparatur- und Service-Zentrum R.U.S.Z. im 14. Wiener Gemeindebezirk herrscht eine entspannte Atmosphäre: „Ich bin als Chef auch Vertrauensperson für meine Mitarbeiter, die wissen, dass sie jederzeit mit ihren Sorgen zu mir kommen können“, erzählt Sepp Eisenriegler, der das R.U.S.Z. 1998 als sozial-ökonomischen Verein gegründet und 2007 privatisiert hat. Die Mitarbeiter sind ehemalige Langzeitarbeitslose, die hier zu Spitzentechnikern ausgebildet werden, manche von ihnen mit Behinderung. „Ich hatte immer schon einen Hang zum Retter dieser Welt“, lacht der knapp 60-Jährige. „Für mich war relativ früh klar: Wir sind nicht nur hier, um ständig in einer Spaßgesellschaft zu leben, sondern wir tragen auch die Verantwortung dafür, positive Spuren zu hinterlassen.“ 
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!Wider die Wegwerfgesellschaft 

Diese Verantwortung nimmt der gebürtige Wiener ernst: Nach seinem Lehramtsstudium baut Eisenriegler die Umweltberatung Wien mit auf, in der er sich bald auf Abfallwirtschaft spezialisiert. Ein Schlüsselerlebnis führt ihn dazu, die Wegwerfgesellschaft infrage zu stellen: „Als mein Geschirrspüler den Geist aufgegeben hat, ist ein mürrischer Techniker aufgetaucht, der mir einen mündlichen Kostenvoranschlag gemacht hat, ohne das Gerät auch nur berührt zu haben. Sein Urteil: Das Gerät sei älter als fünf Jahre, daher zahle sich eine Reparatur nicht mehr aus.“ Kostenpunkt für diese Expertise: 90 Euro. Eisenriegler denkt gar nicht daran, den Kundendienst-Mitarbeiter so leicht davonkommen zu lassen und überredet ihn dazu, sich den Geschirrspüler doch genauer anzusehen. Und siehe da: Alles, woran das Gerät krankt, ist ein verstopfter Schlauch, der ausgeblasen werden muss. „Damals habe ich beschlossen, den Kundendiensten, die als verlängerte Arme der Verkaufsabteilung agieren, etwas entgegenzusetzen, nämlich seriöse Reparaturdienstleistungen“, erzählt der kämpferische Wiener. Das war die Geburtsstunde von R.U.S.Z., ein Jahr später folgt, um der großen Nachfrage gerecht zu werden, das Reparaturnetzwerk Wien. „Was mich bei meiner Arbeit außerdem immer bewegt hat, war, Menschen zu helfen“, sagt Eisenriegler. Im R.U.S.Z. bietet er deshalb neben Langzeitarbeitslosen auch Haftentlassenen und Obdachlosen eine neue Perspektive. Geräte werden von ihnen nicht nur repariert, sondern auch gleich weiterverkauft. Dafür gibt es zahllose [Ersatzteile|Thema/Ersatzteil], aber auch Neugeräte, die bei hausinternen Tests besonders gut abschneiden, also langlebig und leicht zu reparieren sind. 

[{Image src='Man-muss-nicht-alles-haben1.jpg' caption='Effizient. Für die Idee des wassersparenden „Waschmaschinentunings“ hat Sepp Eisenriegler 2008 den nationalen „Energy Globe Award“ erhalten.\\© Mirjam Reither' width='100' alt='Energy Globe Award' class='image_left' height='266'}]

Diese Langlebigkeit zeichnet heute nur noch wenige Produkte aus, weiß der vielfach ausgezeichnete Unternehmer: „Bei der sogenannten geplanten Obsoleszenz werden von den Herstellern bewusst Sollbruchstellen in Geräte eingebaut, um die Nachfrage nach neuen Geräten zu steigern.“ Dieser Praxis steuert der Social Entrepeneur mit hauseigenen Ideen wie dem „Waschmaschinentuning“ entgegen: Bei diesem Projekt wurde eine Methode entwickelt, die den Wasserverbrauch von Waschmaschinen senkt und somit deren Energieklasse von D auf A verbessert. Für die Umsetzung bekam das R.U.S.Z. 2008 den „Energy Globe Award Austria“ in der Kategorie Wasser (s. Bild). „Jedes Kind kapiert, dass unser Planet nur begrenzt Ressourcen zur Verfügung hat. Es wird höchste Zeit, dass das auch konservative Ökonomen endlich realisieren“, zeigt er sich kämpferisch. Auch an Finanzierungsmodellen wie dem Mietleasing für hochwertige Haushaltsgeräte wird gearbeitet: Nutzen statt kaufen, lautet hier die Devise. „Viele Menschen befinden sich in einer Tretmühle, die sie dazu zwingt, immer mehr zu arbeiten, um immer mehr Besitztümer anzuhäufen, die sie dann gar nicht genießen können“, ist Eisenriegler überzeugt. „Aber man muss nicht alles haben.“ Nachhaltiger Konsum hingegen bedeute, bewusst zu kaufen und dabei soziale und ökologische Aspekte zu berücksichtigen. 
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!Traum von ökologischer Steuerreform 

In seiner unermüdlichen Arbeit gegen die Wegwerfmentalität hat Sepp Eisenriegler – dessen einst für kaputt erklärter Geschirrspüler bis heute funktioniert – vieles erreicht: Als Präsident von RREUSE, dem EU-weiten Dachverband für Sozialwirtschaft, ist es ihm gelungen, Gesetze mitzugestalten, die einen wesentlichen Einfluss auf die Nutzungsdauer von Produkten haben. „Wenn ich dann von manchen Menschen höre, dass wir die EU nicht brauchen, macht mich das wütend“, erklärt er. Und der Visionär hat noch viel vor: Sein größter Wunsch ist eine ökologische Steuerreform, die Arbeit billiger, aber Rohstoffe teurer macht: „Das würde das Aus für Wegwerfprodukte bedeuten“, ist er überzeugt. 

Doch wie sieht der eigene Lebensstil eines Nachhaltigkeits-Vorreiters aus? „Natürlich versuche ich, meine Prinzipien auch zu leben, aber ein Laster gönne ich mir: das Motorradfahren“, sagt Sepp Eisenriegler in seiner Werkstatt. „Wenn ich schon 80 Wochenstunden für eine bessere Welt arbeite, möchte ich auch ein bisschen Spaß haben.“   



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''[DIE FURCHE|http://www.furche.at], 10. Jänner 2013''
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