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Beginnt die „Wissensgesellschaft“ im Kindergarten? (Essay)#

Gertrude Brinek

Im Bewusstsein vom Leben in der „Wissensgesellschaft“ wird immer öfter die Frage gestellt, in welchem Lebensalter sinnvollerweise mit dem Aufbau von Lerngrundlagen, mit Lernförderung bzw. mit Unterstützung beim Wissensaufbau begonnen werden soll. Dabei wird von einer vorwiegend biologisch orientierten Annahme ausgegangen: Kleinkinder verfügen über alle Nervenzellen, es fehlen ihnen jedoch die neuronalen Netzwerke, die mit den Leistungen der Großhirnrinde zusammenhängen und für kognitive Strukturen (mit-)verantwortlich sind. „Nervenzellenverschaltungen“ werden in großer Zahl gebildet, sie müssen aber belebt, d. h. aktiviert und genutzt werden, sonst werden sie zurückgebaut, gehen verloren. Mit der Pubertät ist dieser Prozess der Herausbildung von Nervenverbindungen abgeschlossen Damit ist die Wechselbeziehung zwischen genetischer bzw. biologischer Ausstattung und Umwelteinflüssen angesprochen.

Die Notwendigkeit von „Lernanreizen“ beschäftigt sowohl die Pädagogik als auch die Psychologie. So rücken die Kleinkindfördereinrichtungen wie der Kindergarten in den Mittelpunkt des Interesses. Mit der Etablierung des Kindergartenwesens – ausgehend von Friedrich Fröbel (in Deutschland) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – war in erster Linie die Idee einer Sozial- und Wohlfahrtseinrichtung verbunden, erst in zweiter Linie eine Bildungsidee.

Gesellschaftspoltisch galt und gilt es besonders in Österreich als angemessen und alltagsverständlich gesichert, dass die beste „Lern und Entwicklungsumgebung“ die elterliche Familie darstellt und das Kind am besten in der „natürlichen“ Umgebung aufwächst. Dahinter stand das bürgerliche Ideal der patriarchalischen Familienstruktur und die Erziehungsverantwortung der Mutter.

Mit den neuesten Erkenntnissen der Hirn- und Entwicklungsforschung wird das Augenmerk einerseits auf die Frage der Professionalisierung der Entwicklungsförderung gelegt, andererseits auf den Wandel der Familie Rücksicht genommen, Stichwort: Einkindfamilie, allein erziehende Mütter (und Väter), Steigerung der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit von Müttern u. a. m.

Die Kompetenzlage – Kindergartenwesen ist in Österreich Aufgabe der Bundesländer – ist unbestimmt. Ähnlich verhält es sich bezüglich der Trägerschaft und der Beitragsgestaltung. Einzig die Ausbildung der Kindergartenpädagogen und -pädagoginnen ist bundeseinheitlich geregelt, jedoch arbeiten in den „Kindertagesheimen“ auch unterschiedlich ausgebildete Helferinnen und Helfer bzw. Betreuerinnen und Betreuer. Es gibt in Österreich keine Kindergarten- „Pflicht“. In Diskussion steht ein Kindergarten- bzw. Vorschuljahr für alle sowie – als Konsequenz davon – die Etablierung von expliziten Kindergarten-Bildungsplänen, wie sie aus anderen Ländern bekannt sind (vgl. das Konzept der französischen „école maternelle“ oder Bildungspläne, wie sie in Deutschland diskutiert und etabliert werden oder bereits worden sind, oder die Bildungspläne in Großbritannien und in skandinavischen Ländern).


Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:

© 2007 by Styria Verlag in der, Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien
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