!!!Der erfolgreiche Obstbecher-Test 

!!Durch neuartige Therapien lassen sich nicht nur Fußamputationen verhindern. Auch der Alltag von Prothesenträgern wird wesentlich erleichtert: Wie die Bionik die Medizintechnik auf neue Beine stellt.

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''Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: [DIE FURCHE|http://www.furche.at] (Donnerstag, 25. Februar 2016)''

Von

__Eugenijus Kaniusas__

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[{Image src='Bionischer-Arm.jpg' class='image_right' caption='Bionischer Arm. Neue Prothesen passen sich immer mehr dem natürlichen Vorbild an. Mit sensorischen Fähigkeiten ausgestattete Hände sorgen dafür, dass ein Handschlag weder zu fest noch zu locker ausfällt.\\Foto: © Shutterstock' alt='Bionischer Arm' width='500' height='319'}]

  

Ein junger Mann Mitte zwanzig kommt mir lächelnd entgegen, in aufrechter Haltung und mit dem Kopf leicht im Nacken. Der anschließende Handschlag ist etwas Besonderes für uns beide. Während ich seine bionische Hand fest ergreife, bemüht er sich redlich um einen nicht zu festen Handgriff, denn seine Hand kann bis zu zehn Kilogramm heben. Seine Augen sprühen vor Freude, als er mir von seinen Errungenschaften aus dem Alltag erzählt. Erstmals in seinem Leben war es ihm möglich, einen Apfel vom Erdboden seines Gartens aufzuheben oder eine volle Einkaufstasche mit festem Griff vom Supermarkt heimzutragen. 

An diversen Kuriositäten hat es auch nicht gefehlt. So blieb ihm einmal seine Hand an der Türklinke eines Frisörladens hängen, nachdem sich sein bionischer Arm am Handgelenk gelöst hatte. Der Frisör der Kleinstadt und die anwesenden Kunden bekamen den Schock ihres Lebens. Beim Gespräch fi elen mir seine innigsten Wünsche ein, die er noch vor seiner prothetischen Versorgung und alles entscheidenden Operation hegte – allein auf die Toilette gehen und allein essen zu können. Offensichtlich hat ihm der bionische Alltag viel mehr gegeben, und das ist das wirklich Fantastische daran. 

Die Bionik lehrt uns, biologische Prinzipien zu verstehen und diese in technische Lösungen umzusetzen. Umso sinnvoller erscheint dann der Einsatz der bionischen [Technik|Thema/Technik] an Menschen, um deren Nöte zu kompensieren. Die Einsatzmöglichkeiten der Bionik in der [Medizintechnik|Thema/Medizin] sind grenzenlos – von der Prothetik der Extremitäten, über die Nerven- und Muskelstimulation bis hin zum Gewebsersatz, um hier nur einige wenige Gebiete zu nennen. 

!Wechselwirkung mit Biosignalen 

Die elektrische Stimulation spezifischer Nervenendigungen am Menschen ist ein weiteres Beispiel der bionischen Technik. Unsere Nervenbahnen sind wie elektrische Kabel, die unseren Körper hunderttausendfach durchsetzen und laufend elektrische Biosignale übertragen. Die zentralen Schaltstationen sind das Gehirn und das Rückenmark. Blieben diese Biosignale aus, so wären wir nicht mehr am Leben. Die künstliche Stimulation zielt auf eine Wechselwirkung mit diesen rhythmischen Biosignalen ab, die sich als therapeutisch günstig erweist. Unerwünschte biologische Prozesse wie zum Beispiel überschießende Entzündungen sollen dabei geschwächt, andere wie etwa die periphere Durchblutung hingegen verstärkt werden. 

Das erreicht man, indem man den regenerierenden Teil des Nervensystems (Parasympathikus) aktiviert: So zeigt die elektrische Stimulation des Vagus-Nervs im äußeren Ohr eine therapeutische Wirkung bei Schmerzen, Gefäßverschlüssen, Entzündungen und Wundheilungsstörungen. In der Kooperation der Technischen und der Medizinischen Universität Wien haben wir oft erlebt, wie es bei Patienten mit vorliegender Überweisung zur Fußamputation nach mehreren Monaten der Stimulationstherapie – in Kombination mit weiteren therapeutischen Maßnahmen – zu einer verbesserten Fußdurchblutung kam. Das führte zur Abheilung ihrer Wunden am Fuß, so dass eine Amputation hinfällig wurde. 

Die Zukunft wird uns einen deutlichen therapeutischen Mehrwert durch die zunehmende Individualisierung von biomedizinischen Geräten bieten. Der bionische Arm wird nun mit sensorischen Fähigkeiten ausgestattet, sodass der freundliche Handschlag von vorhin automatisch weder zu fest noch zu locker wird, ohne jede Anstrengung des Betroffenen. Permanent erfasste Messwerte der Patienten werden künftig zur laufenden Anpassung der Stimulationsmuster herangezogen. Damit wird eine mögliche Über- und Unterstimulation vermieden. Anderseits kann dadurch die therapeutische Wechselwirkung mit den Biorhythmen des Menschen individualisiert und optimiert werden. 

!Im Dialog der Disziplinen 

Der erfolgreiche Einsatz der bionischen Medizintechnik verlangt einen engen Zusammenhalt technischer Fächer wie [Elektrotechnik|Thema/Elektrotechnik] oder Biophysik, medizinischer Disziplinen wie [Chirurgie|Thema/Chirurgie] oder Orthopädie, aber auch gesellschaftliche Expertise in Recht und Politik. Es ist, als ob ein Techniker oder Mediziner mehrere Fachsprachen beherrschen muss, um fächerübergreifend tätig zu sein. Interdisziplinäre Studien wie das Masterstudium „Biomedical Engineering“ an der Technischen Universität Wien tragen hier zur gegenseitigen Verständigung der Fachvölker zugunsten unserer Gesellschaft bei. 

Nun bekommt der junge Mann mit der bionischen Hand einen Obstbecher auf den Tisch gestellt. Er soll seine erst kürzlich erlernten Fertigkeiten vor dem gesamten Team zur prothetischen Versorgung unter Beweis stellen. Es wird erwartet, dass er zumindest größere Stücke aus dem Becher holt. Im Nu ergreift er die Gabel und spießt eine leckere Traube nach der anderen auf. Einer durchdachten Drehung des Handgelenks folgt eine gezielte Beugung des Ellbogens, und die Trauben verschwinden für immer aus unserem Sichtfeld. Die Erwartung wird übertroffen, und der Becher ist schnell voll gähnender Leere. „Hat er vorher nichts zum Essen bekommen?“, fragt sich ein Experte laut, woraufhin heitere Genugtuung jedem Teammitglied ins Gesicht geschrieben steht. Nachdem der Betroffene die Frage nach dem Geschmack der Früchte überzeugend bestanden hat, lächelt er höflich zurück und fragt, ob er es noch einmal demonstrieren könnte ... Seine bionische Zukunft hat bereits begonnen. 

''Der Autor ist Professor am Institut für Elektrische Schaltund Messungstechnik der TU Wien.''


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[DIE FURCHE|http://www.furche.at], Donnerstag, 25. Februar 2016
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