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Ab wann ist mein Computer ein Mensch?#

Martin G. Weiß

1950 entwickelte der britische Mathematiker Alan Turing (1912–1954) einen einfachen Test, um festzustellen, wann ein Computerprogramm im menschlichen Sinne des Wortes als intelligent und mit Bewusstsein begabt angesehen werden müsse: Stellen wir uns vor, wir säßen vor einem Computerterminal und sollten über Bildschirm und Tastatur mit einem unbekannten Gesprächspartner „chatten“. Abwechselnd wird nun dieses Terminal mit einem anderen Menschen oder mit einem Computerprogramm verbunden und wir sollen im Gespräch herausfinden, ob sich auf der anderen Seite des Terminals ein Mensch oder eine Maschine befindet; wenn es uns nicht gelingt zu sagen, wer der Mensch und wer die Maschine ist, hat Letztere den Turing-Test bestanden.

Bisher hat noch kein Computerprogramm diese denkbar einfache Hürde genommen. Turing nahm an, spätestens im Jahr 2000 würde man Maschinen konstruieren können, die diesen Test bestehen. Doch vielleicht ist dieser Test gar nicht geeignet, das Vorhandensein von Intelligenz bzw. Bewusstsein zu beweisen.

1980 versuchte der amerikanische Philosoph John Searle (* 1932) anhand eines Gedankenexperiments aufzuzeigen, dass wir von einem Programm, das den Turing-Test bestünde, noch lange nicht mit Sicherheit sagen könnten, dass es intelligent sei, denn es könnte uns auch auf völlig mechanische Weise scheinbar sinnvolle Antworten liefern, wie Searle anhand eines „intelligenten“ chinesischen Zimmers beweist: Nehmen wir an, in einem Raum befindet sich eine Person, die keinerlei Chinesischkenntnisse besitzt; nun reicht ihr ein chinesischer Muttersprachler durch einen Schlitz in der Wand einen Zettel mit einer Frage in chinesischen Schriftzeichen herein. Die Person im Zimmer versteht zwar kein Wort Chinesisch, ist aber mit einem Handbuch in ihrer eigenen Sprache ausgerüstet, in der ihr genau vorgeschrieben wird, dass sie, je nachdem, welche Schriftzeichen sich auf dem hereingereichten Zettel befinden, bestimmte andere Zeichen auf einen anderen Zettel schreiben und herausreichen soll. Der Chinese erhielte so von diesem „chinesischen Zimmer“ intelligente Antworten auf seine Fragen, ohne dass das Zimmer verstehen würde, was es tut.

Nach Searle ließe sich daher das hypothetische Bestehen des Turing-Tests analog hierzu rein zeichentheoretisch erklären, ohne annehmen zu müssen, das sinnvolle Antworten produzierende Programm sei intelligent oder habe gar Bewusstsein.

Grundsätzlich könnte man so aber wohl auch die im weitesten Sinne des Wortes mechanischen Vorgänge in unserem Gehirn beschreiben, nur dass wir wissen, dass wir Bewusstsein haben. Oder anders gewendet: Selbst wenn sich das Vermögen eines Programms, den Turing-Test zu bestehen, mechanisch erklären ließe, könnten wir doch nie sicher sein, ob es nicht doch auch Bewusstsein besitzt, denn ob die physische Grundlage aus Kohlenstoff, wie beim Menschen, oder aus Silizium, wie beim Computer, besteht, spielt keine Rolle: Rein vom Phänomen her könnten wir nicht unterscheiden, ob auf der anderen Seite des Terminals ein Mensch sitzt oder eine künstliche Intelligenz, die ebenso bewusst ist wie wir.


Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:

© 2007 by Styria Verlag in der, Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, Wien
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