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Haltet den Dieb, bevor er zuschlägt#

Eine spezielle Prognose-Software soll im Vorfeld Einbrüche verhindern.#


Von der Wiener Zeitung (Sa./So., 22./23. November 2014) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Petra Tempfer


Symbolbild
© corbis/Biddy O’Neill

Wien. Es klingt wie das Drehbuch für den US-amerikanischen Science-Fiction-Thriller "Minority Report": Die Polizei setzt eine spezielle Prognose-Software ein, um Verbrechen vorherzusehen und zu verhindern. Tatsächlich arbeitet ein Team der Joanneum Research Forschungsgesellschaft in Graz derzeit an einem Computerprogramm, das die Kriminalitätsentwicklung vorhersagen soll, um das Risiko für Einbruchsdelikte abzuschätzen. Partner in diesem Projekt mit dem Namen "Crime Predictive Analytics" (CriPA) sind das Bundeskriminalamt (BK), das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie und die Synergis Informationssysteme GmbH, die das Projekt umsetzen und anwenderfreundlich machen soll. Innen- und Verkehrsministerium zählen zu den Förderern von CriPA.

Jedes Täterverhalten sei musterbasiert, sagen Experten. Professionelle Einbrecher - das sind vor allem Banden -kehren meistens an jene Tatorte zurück, wo sie erfolgreich waren und wo sie die Fluchtwege kennen. "Die Software wird der Polizei Hinweise geben, wo das Risiko hoch ist, dass in den nächsten Tagen etwas passiert", sagt CriPA-Projektleiterin Ulrike Kleb von Joanneum Research. "Die Polizei wird dann dort besonders präsent sein."

Einerseits stellt die Software großräumige Prognosen der Kriminalitätsentwicklung an, in die Faktoren wie Demografie und Migration hineinspielen. Andererseits sollen kleinräumige Risikomodelle erarbeitet werden.

Polizeipräsenz soll Kriminelle abschrecken#

Technisch sieht das so aus, dass die Datenbank der Prognose-Software CriPA mit den polizeilichen Daten der Einbrüche der vergangenen Jahre in Einfamilienhäuser oder Wohnungen gespeist wird. Das können Informationen über Tatort, Tatzeit oder die Art und Höhe der Beute sein. Dann werden möglichst kleinräumige Raster mit einer Größe von 200 bis 400 Quadratmeter über die Städte und Gemeinden gelegt. Für jedes einzelne dieser überschaubaren Risikogebiete soll nun die spezielle Software Prognosen erstellen.

Dass Polizisten die Einbrecher bereits vor dem Haus, in das eingebrochen werden sollte, erwarten "wäre natürlich sehr schön", sagt Kleb. Generell sollen Kriminelle aber schon im Vorhinein durch die vermehrte Präsenz der Polizeibeamten in dem Risikogebiet abgeschreckt werden.

Das österreichische Projekt ähnelt sowohl finanziell als auch inhaltlich der in Deutschland entwickelten, etwa 100.000 Euro teuren Prognose-Software "Pre Crime Observation System" (Precobs), die ebenfalls Einbrüche verhindern soll und bereits in der sechsmonatigen Testphase ist. Die Trefferquote lag bei Pilotversuchen wie etwa in München, Nürnberg und Zürich bei mehr als 80 Prozent. Die Zahl der Einbrüche ging hier laut Bayrischem Landeskriminalamt um 14 Prozent zurück. In besonders überwachten Gebieten sogar um 40 Prozent.

Das BK in Österreich, wo es jährlich rund 16.000 Einbrüche in Einfamilienhäuser und Wohnungen gibt, will sich noch nicht über die Höhe des erhofften Rückgangs äußern. "Wir schauen erst einmal, wie wir Precobs für uns adaptieren können, oder ob wir vielleicht sogar noch genauer werden", heißt es. Das CriPA-Projekt, das seit etwa einem Jahr läuft, soll Mitte 2015 abgeschlossen sein, erst dann geht es in die Testphase.

"Verwenden ausschließlich anonyme Daten"#

Datenschützer schlagen allerdings schon jetzt Alarm: Sie befürchten, dass man Personen kriminalisieren könnte, bevor eine Straftat begangen wurde. "Minority Report" also. Heißen doch die drei Hellseher des Thrillers, die Morde vorhersehen können, auch noch Precogs. Mag diese Namensähnlichkeit zu Precobs nun Zufall sein oder nicht - wenn man genauer hinsieht, klaffen Drehbuch und Wirklichkeit dann doch weit auseinander. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wird betont, dass ausschließlich anonymisierte Daten für die jeweiligen Programme verwendet werden. "Auf Täter oder Opfer bezogene Informationen wären datenschutzrechtlich nicht erlaubt", heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" vom österreichischen Bundeskriminalamt.

"Auch wenn betont wird, dass man ausschließlich anonymisierte Daten verwendet, ist ein Personenbezug nie ganz ausgeschlossen", sagt allerdings der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Thomas Petri, zur "Wiener Zeitung". Das könne zur Folge haben, dass in einem bestimmten Risikogebiet eine Person (etwa mit einem Kleinbus mit ausländischem Kennzeichen) automatisch angehalten und kontrolliert wird - obwohl sie gar nichts verbrochen hat.

Negativbeispiele seien Großbritannien und die USA, wo mit Hochdruck an einer ähnlichen Software geforscht werde. Dort soll diese aber ganz bewusst "personenscharf" sein, wie Petri es nennt. "Und das ist dann schon sehr gruselig."

Wiener Zeitung, Sa./So., 22./23. November 2014