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Hoch & hinaus #

Österreichs erstes Flugfeld entstand 1909 in Wiener Neustadt, die Pioniere der Aviatik kamen für wenige Jahre hierher, dann übernahm das Militär. Ein Rückblick auf die Wegbereiter der Luftfahrt und die besten Flugmotoren der Welt, deren Geschichte ein Thema der Niederösterreichischen Landesausstellung 2019 sein wird. #


Von

Martin Strubreiter

Aus der Zeitschrift morgen 2/2016


Geschraubt wurde in einfachen Hangars, der Kaiserpavillon aber war feudal.
High Tech in Wiener Neustadt: Geschraubt wurde in einfachen Hangars, der Kaiserpavillon aber war feudal.
Flugversuche wurden angekündigt, und die Zuschauer kamen. Am meisten beim Preisfliegen.
Flugversuche wurden angekündigt, und die Zuschauer kamen. Am meisten beim Preisfliegen.
Erster Flugpionier in Wiener Neustadt war Igo Etrich, seine Flugapparate wurden auch international gekauft.
Erster Flugpionier in Wiener Neustadt war Igo Etrich, seine Flugapparate wurden auch international gekauft.

Kaiser Franz Joseph galt nicht als großer Freund technischer Neuerungen, also mussten Österreichs Flugpioniere warten, bis abseits kaiserlicher Anordnung eine Stadt die Initiative ergriff: Anfang 1909 regten Viktor Silberer, niederösterreichischer Landtags- und Reichsratsabgeordneter, und Franz Hinterstoisser, Kommandant der k. u. k. Militäraeronautischen Anstalt, beim Wiener Neustädter Bürgermeister Franz Kammann die Errichtung eines Flugfeldes an, dann ging alles sehr schnell: Kammann erkannte die Chance, obendrein waren die Bedingungen ideal. Am Rande Wiener Neustadts lag das Steinfeld, die Begehrlichkeiten der Landwirtschaft nach dem kargen Gelände waren gering. Das Areal war flach, der steinige Untergrund ließ Regenwasser schnell versickern. Die Militäraeronautische Anstalt war 1906 nach Wiener Neustadt über siedelt, ihre Freiballone und Luftschiffe landeten schon seit damals im Steinfeld nördlich der Stadt. Und das Fliegen war eine junge, im wahrsten Sinn des Wortes steil aufstrebende Disziplin – der erste motorisierte Flug, jener der Brüder Wright in den USA, lag erst fünfeinhalb Jahre zurück. Und die wollten auch in Österreich aufgeholt werden.

Erster Flugpionier in Wiener Neustadt war Igo Etrich.
Erster Flugpionier in Wiener Neustadt war Igo Etrich
Im September 1910 kam der Kaiser persönlich zum Preisfliegen.
Im September 1910 kam der Kaiser persönlich zum Preisfliegen. Obwohl kein großer Anhänger moderner Technik, reiste er im Automobil an, um dann zwei Stunden dem Fliegen beizuwohnen.
Nach dem Abwandern der Flugpioniere nach Wien wurde das Flugfeld militärisch
Nach dem Abwandern der Flugpioniere nach Wien wurde das Flugfeld militärisch: Die Österreichische Flugzeugfabrik AG fertigte von 1915 bis zum Kriegsende. Dann war jede motorisierte Fliegerei verboten.

Der Plan: Errichtung von Hangars, die von Flugpionieren angemietet werden konnten, und die umliegenden, riesigen Grundstücke stellte die Gemeinde Wiener Neustadt einfach für Flugversuche zur Verfügung.

Im Juni 1909 war das erste Flugfeld Österreichs bereit, indes: Es fehlten die Piloten und Erfinder. Sich mit „Apparaten schwerer als Luft“ in selbige zu er heben, war zwar in jenen Jahren ein eifrigst beforschtes Thema, aber während der ersten Wochen des Flugfeldes schienen in Österreich die Theoretiker deutlich aktiver als die tollkühnen, wage mutigen, genialen Erfinder und Piloten.

Erst am 26. Juli 1909 ließ sich der erste Konstrukteur in Wiener Neustadt nieder: Igo Etrich (1879–1967), legendärer Flugpionier, damals junger Sohn eines Textilfabrikanten. Mit dem genialen Karl Illner (1877–1935) und seinem Vater Ignaz hatte sich Igo Etrich bereits eifrig der Fliegerei gewidmet und Fluggeräte aus dem Nachlass Otto von Lilienthals erworben, und der erste Flug (na ja, nur ein winziger 40mHupfer, aber immerhin) auf dem noch jungen Flugfeld gelang Illner am 8. August 1909 mit dem Etrich-Wels-Aeroplan. Weniger Glück beim Fliegen hatte Etrich selbst, er verletzte sich bei einem Absturz aus 40 Metern Höhe an der Wirbelsäule, worauf bei allen weiteren Flügen Karl Illner pilotierte.

PIONIERLEISTUNGEN#

Illner pilotierte höchst erfolgreich und war bald in bester Gesellschaft: Allmählich trafen weitere namhafte Flugpioniere in Wiener Neustadt ein, Flugversuche wurden oft öffentlich angekündigt, und die Bevölkerung kam gerne. Zu sehen gab’s beispielsweise Adolf Warchalowski, der am 13. Februar 1910 den ersten Passagierflug Österreichs absolvierte, Vinzenz Wiesenbach, der den Dauerflug-Rekord bald auf fast eine Stunde schrauben konnte, Alfred Ritter von Pischof, der mit seinem Pischof Autoplan am 9. März 1910 das Gelände des riesigen Flugfeldes deutlich hinter sich ließ und den ersten Überlandflug eines Österreichers schaffte. Überhaupt war die Fliegerei bald so gut in Schwung, dass die Rekorde reihenweise purzelten – Josef Sablatnig, einer der besten Konstrukteure am Flugfeld, führte am 9. August 1911 den ersten Nachtflug der Welt durch, obendrein gewann er den niederösterreichischen Rundflug. Hans Umlauff Ritter von Frankwell mietete einen Hangar am Flugfeld und entwarf gemeinsam mit Karl Paulal drei Flug apparate für die Wiener Lohner-Werke, wo man die neuen Maschinen sofort ins Angebot aufnahm. Erfolgreich wurde der Lohner Pfeilflieger, benannt nach der Form seiner tragflächen. Erfolgreich wurden auch Igo Etrichs Konstruktionen, die „Etrichtaube“ wurde als Lizenzprodukt der Rumpler-Werke sogar in Deutschland verkauft.

Nachbau der „Etrich-Taube“\Foto: Nadja Meister
Von Wiener Neustadts Fluggeschichte erzählt heute das Aviaticum, beispielsweise mit einem Nachbau der „Etrich-Taube“.
BF109-Bomber
Während des Zweiten Weltkriegs wurden hier BF109-Bomber erzeugt, mehr als in den anderen Messerschmitt-Werken.
Foto: Nadja Meister
Angetrieben wurden die meisten Aeroplane bald von Austro-Daimler-Motoren. Wollten in den Anfangstagen des Flugfeldes brauchbare Aggregate noch aus Deutschland, Frankreich oder den USA importiert werden, so bewiesen die in Wiener Neustadt situierten DaimlerWerke bald, warum sie beim Etablieren des Flugfeldes so gerne mitgewirkt hatten: Auftritt Ferdinand Porsche, 1906 als technischer Direktor nach Wiener Neustadt engagiert und so umfassend talentiert, dass er flugs aus dem im Prinz-Heinrich-Wagen höchst erfolgreichen Automobilmotor den ersten Aero-Daimler-Flugmotor konstruierte. Den Motor aus dem Auto einfach ins Flugzeug zu verpflanzen verbat das neue Anforderungsprofil: Ein Flugmotor musste leicht sein, er musste auch in Schräglage die perfekte Schmierung sicherstellen und während des gesamten Fluges mit Höchstleistung laufen, woran etliche Import-Aggregate zerbröselten – obendrein waren in großer Höhe Leistungseinbußen aufgrund der dünneren Luft zu befürchten.

AUFSTIEG UND NIEDERGANG#

1910 war der erste Daimler-Flugmotor bereit, um zwei Drittel leichter als der sehr verwandte Automotor, ab sofort fand er in fast allen Wiener Neustädter Konstruktionen Verwendung. Aus dem Vierzylinder mit 45 PS sollten später Sechs- und Zwölfzylinder mit bis zu 345 PS hervorgehen, das war dann schon gegen Ende des Ersten Weltkriegs.

Das Flugfeld West heute. Wo 1909 alles begann, wird noch immer geflogen, aber die Gebäude von einst sind schon lange verschwunden.
Das Flugfeld West heute. Wo 1909 alles begann, wird noch immer geflogen, aber die Gebäude von einst sind schon lange verschwunden.
Foto: Nadja Meister

Davor aber gab’s in Wiener Neustadt die ersten Flugshows des Landes, die freilich noch anders hießen: Das erste Preisfliegen im Juli 1910 sollte sich über drei tage erstrecken, wegen Schlechtwetters wurden nur zwei daraus, die Zuschauer kamen dennoch in Massen, und sie wurden nicht enttäuscht.

Zum dritten Preisfliegen im September 1910 kam schließlich auch der Kaiser, und er reiste, um Sympathie für neue Technologien zu demonstrieren, sogar im Automobil an. Gebührenden Ausblick bot ihm der Kaiserpavillon, den Erzherzog Friedrich dem neuen Flugfeld samt Pilotenzimmer spendiert hatte, und auch die Zeitungen berichteten ausführlich.

So war Wien bald ein wenig eifersüchtig auf Wiener Neustadt, ein Flugfeld fand man in Aspern, und die meisten der Pioniere zogen in die Hauptstadt. So verlor Wiener Neustadt schon 1912 an Bedeutung. Neuer Schwung kam erst mit dem Ersten Weltkrieg: Die Österreichische Flugzeugfabrik AG (ÖFFAG), am heutigen Flugfeld Ost gelegen, fertigte ab 1915 für das Militär.

Alfred Ritter von Pischof nannte seinen Flugapparat Autoplan
Man ahnt, warum Alfred Ritter von Pischof seinen Flugapparat Autoplan nannte. Sogar die Sitzposition gleicht jener im Auto frappant, auch dieser Nachbau erzählt seine Geschichte im Aviaticum.
Foto: Nadja Meister
restaurierte Messerschmitt Bf 109
Eine restaurierte Messerschmitt Bf 109. Die sehr rare Original-Signalpistole dazu fand sich vor wenigen Jahren dezent von Gras überwuchert auf dem Wiener Neustädter Flugfeld.
Foto: Nadja Meister

Mit dem Friedensvertrag von St. Germain war Österreich Besitz und Entwicklung von Motorflugzeugen verboten, mitsamt den Ersatzteilen mussten sie vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden. Der neue Industriezweig war damit tot, bevor er wirklich erblühen konnte. Am Flugfeld wurde noch ein wenig mit Segelflugzeugen experimentiert, das Starten mittels Gummischleuder hatte einen resignativen Beigeschmack.

Noch traurigeres brachte der Zweite Weltkrieg, auch wenn in Wiener Neustadt Flugzeuge gefertigt wurden wie nie zuvor: Die Wiener Neustädter Flugzeugwerke (WNF) auf dem Areal der ehemaligen ÖFFAG waren der größte Lieferant von Messerschmitt Bf 109 – und damit ein vorrangiges Ziel alliierter Bomben: Mit Kriegsende waren in der ganzen Stadt lediglich 18 Häuser unbeschädigt.

AVIATICUM#

Das Flugfeld aber ist sich bis heute treu geblieben, wenngleich die Spuren aus der Vergangenheit dünn sind: Heute kommen die meisten Besucher wegen der Musikkonzerte in der Arena Nova, aber das Aviaticum erzählt mit einer Vielzahl von Exponaten die Geschichte vergangener Tage, der Flugzeughersteller Diamond Aircraft fertigt Sport- und Reiseflugzeuge in namhafter Stückzahl. Die Bombenruinen der Wiener Neustädter Flugzeugwerke wurden erst 1989 restlos abgetragen, geblieben aus jenen Tagen ist lediglich der Amme-Luther-Seck-Hangar, der wie durch ein Wunder nie von Bomben getroffen wurde – wahrscheinlich wird dort das Aviaticum den würdigen musealen Rahmen finden. Geblieben sind die ehemaligen Arbeitersiedlungen, die heute als Wohnhäuser genutzt werden. Nur das ehemalige Heizhaus der Militäraeronautischen Anstalt hat sozusagen eine berufliche Neuorientierung absolviert: Es empfängt heute als Antoniuskirche die Gläubigen der Umgebung zur heiligen Messe.

Die meisten Flugpioniere, mit denen alles begann, verstarben vergessen, kaum einer wurde alt nach heutigen Maßstäben. Rittmeister von Umlauff verbrachte seine letzten Jahre als Gastwirt, der hoch talentierte Karl Illner verstarb 1935 in Armut, nur Igo Etrich konnte unbeschadet in die Textilbranche zurückkehren: Er konstruierte etliche Maschinen zur Textilverarbeitung und verstarb erst 1967, also zu Zeiten transkontinentaler Linienflüge, im Alter von 88 Jahren in Salzburg.

Die Geschichte des Fliegens in Wiener Neustadt wird Teil der Niederösterreichischen Landesausstellung 2019 sein, die Vorbereitungen laufen bereits.

Amme-Luther-Seck-Hangar
Seltsamerweise traf nie eine Bombe den Amme-Luther-Seck-Hangar. Dass er bald als Museum renoviert wird, wäre wünschenswert.
Foto: Nadja Meister
Amme-Luther-Seck-Hangar
Amme-Luther-Seck-Hangar
Foto: Nadja Meister

Quellen#

  • Geissl, Gerhard: Anfänge der zivilen Luftfahrt in Wiener Neustadt. In: 100 Jahre Flugfeld Wiener Neustadt West, Wien 2009
  • Geissl, Gerhard: 95 Jahre Luftfahrt in Wiener Neustadt. Broschüre des Vereins Museum und Archiv für Arbeit und Industrie im Viertel unter dem Wienerwald
  • Geissl, Gerhard: Der Austro-Daimler-Flugmotor. Broschüre des Vereins Museum und Archiv für Arbeit und Industrie im Viertel unter dem Wienerwald