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NSA im Shoppingcenter#

Wie sich Audience Measurement Systeme mit dem Recht auf Datenschutz vereinbaren lassen.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 22. August 2014) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Rosa Eder-Kornfeld


Schaufensterpuppen ziehen die Blicke auf sich. Jetzt mustern sie die Kunden
Da schau her: Schaufensterpuppen ziehen die Blicke auf sich. Jetzt mustern sie die Kunden.
© dpa/Daniel Karmann

Wien. "Modeketten spionieren mit Hilfe von Schaufensterpuppen Kunden aus." Als vor etwa zwei Jahren bekannt wurde, dass mehrere führende Modehäuser in Europa Kameras mit eingebauter Gesichtssoftware einsetzten, die sich in den Augen der Puppen befinden, war die Beunruhigung unter Datenschützern wegen möglicher Verletzung der Privatsphäre groß. Der italienische Hersteller dieser "EyeSee-Mannequins" versicherte, die Kameras würden keine Bilder von den Kunden machen, sondern lediglich feststellen wollen, wann Kunden welches Geschlechts, Alters und ethnischer Herkunft einen Shop betreten.

"Der Traum aller Werber"#

"Das Ziel dieser Maßnahme ist die Anpassung der Werbung an den konkreten Kunden - der Traum aller Werber", sagt der Wiener Anwalt Mathias Preuschl. "Endlich muss man nicht mehr in Kauf nehmen, dass große Teile der teuren Werbemaßnahmen an der Zielgruppe vorbei wirkungslos verpuffen, sondern kann sicher sein, dass die Werbebotschaft weitestgehend punktgenau ans Ziel kommt." Dass derartige Schaufensterpuppen auch schon in Österreich eingesetzt werden, ist Preuschl, Partner bei PHH Rechtsanwälte, nicht bekannt, aber: "Es wird irgendwann kommen."

Ein anderes Beispiel: Eine britische Kaufhauskette verwendet Gesichtserkennungstechnologie für die Anpassung von Werbung im Geschäft. Nähert sich beispielsweise ein etwa 40-jähriger Mann einer Videowand, wird Werbung für Markenalkoholika, Rasurbedarf oder Herrenbekleidung gezeigt. Nähert sich eine etwa 17-jährige junge Frau, werden Spots für Kosmetika oder Alkopops gestartet. In weiterer Folge wird gemessen, ob die gezeigte Werbung auch wirklich die Blicke der Kunden auf sich zieht und wie lange diese die Spots betrachten. "In einem dritten Schritt ist es mittels der Videoüberwachung im Geschäft möglich zu prüfen, ob sich die Werbung auch auf das Einkaufsverhalten ausgewirkt hat", so Preuschl. "Das Unternehmen erfährt, welche Werbung Sinn macht."

Die massive Kritik der Daten- und Grundrechtsschützer sei berechtigt, zumal hier mit Technologie gearbeitet werde, die für staatliche Sicherheitsdienste im Zuge der allgegenwärtigen Terrorismusbekämpfung entwickelt wurde, so Preuschl. Doch verstößt Derartiges wirklich gegen geltendes Recht? Ein Blick auf das österreichische Datenschutzgesetz 2000 (DSG) bringt Licht ins Dunkel. Die Regelungen des DSG sind auf die Verwendung von Daten gerichtet. Unter "Verwendung" im Sinne des DSG sind unter anderem das "Ermitteln, Erfassen, Speichern, Vergleichen, Verknüpfen und Überlassen" von Daten zu verstehen, Daten wiederum sind "Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist".

Kunde bleibt anonym#

"Die Gesichtserkennungssoftware identifiziert einen rund 40-jährigen Mann als solchen, nicht jedoch als Individuum. Sie kann ihn auch nur von der 17-jährigen Frau, nicht aber von anderen rund 40-jährigen Männern unterscheiden, da ihr dazu die Programmierung fehlt", erklärt Preuschl. Die Software dürfe nur mehr oder weniger fein definierte Gruppen erkennen. Diese werden beobachtet, und es werden Werte (Aufmerksamkeitsdauer, Erfolg der Werbung) abgefragt und gespeichert. Das Endprodukt könne etwa folgende Verknüpfung sein: "60 Prozent der Gruppe etwa 40-jähriger Männer haben den Spot für den Whisky X in seiner ganzen Länge betrachtet, und 30 Prozent dieser Gruppe haben ihn dann gekauft."

Diese Verknüpfungen seien wohl nicht als "Daten" im Sinne des DSG zu verstehen, denn es fehle ihnen an der Individualisierung beziehungsweise Individualisierbarkeit, da es bei der "Gruppe der etwa 40-jährigen Männer" bleibt und eben nicht "Max Müller, 43 Jahre alt" erfasst werde. Fazit: Es handelt sich zwar um eine Videoüberwachung, deren rechtliche Rahmenbedingungen - insbesondere die Kennzeichnungspflicht - eingehalten werden müssen, nicht jedoch um eine Datenverarbeitung im eigentlichen Sinn.

Wer sich unwohl bei dem Gedanken an ein futuristisch-bedrohliches Szenario à la "NSA im Shoppingcenter" fühlt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass Amazon & Co schon längst Werbung auf den einzelnen Kunden zuschneidert, seine Einkäufe analysiert und individuelle Profile erstellt.

Wiener Zeitung, Freitag, 22. August 2014