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»Immer lebendig«#

Der erste Porsche fährt elektrisch#


Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: Amalthea Signum Verlag.

Der Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch "Sternstunden Österreichs. Die helle Seite unserer Geschichte. Wien, 2015"

Von

Gerhard Jelinek


Ferdinand Porsche am Steuer
Ferdinand Porsche am Steuer. In nur wenigen Monaten nimmt der Konstrukteur die Entwicklung des Automobils für die nächsten 120 Jahre vorweg.
© Sammlung Hubmann/Imagno/picturedesk.com

Das mit antiken Skulpturen und Büchern vollgeräumte Arbeitszimmer von Professor Sigmund Freud liegt vom Straßenlärm abgeschieden gegen den Innenhof des großbürgerlichen Mietshauses in der Berggasse 19 am Wiener Alsergrund. Freud hat die Ordinationsräumlichkeiten vom Hausbesitzer Dr. Victor Adler übernommen. Jenem großbürgerlichen Arzt, der die Strömungen der Sozialdemokratie vereinigen sollte. Dem Begründer der Psychoanalyse fällt die seltsame pferdelose Kutsche nicht auf, die am 28. Juni 1898 die Steigung der Berggasse auf holprigem Kopfsteinpflaster bewältigt und in die Währingerstraße einbiegt. Am Lenkrad des offenen Wagens dreht ein kaum zwanzigjähriger junger Mann. Er heißt Ferdinand Porsche, ist aus dem nordböhmischen Ort Waffersdorf nach Wien gezogen, und arbeitet als Konstrukteur in der k. u. k. Hof-Wagenfabrik Jacob Lohner & Comp., die ihren Firmensitz in der Porzellangasse 2 hat, ums Eck, keine hundert Meter von Freuds Ordination entfernt. Der Kutschenfabrikant und die »Vereinigte Elektrizitäts AG vorm. B. Egger & Co.« haben vor einem Jahr mit dem Bau von Automobilen begonnen. Diese motorbetriebenen Kutschen sind der »letzte Schrei« vor der Jahrhundertwende. Reiche Aristokraten und bürgerliche Snobs zahlen viel Geld für die Fahrzeuge, die zum Gaudium der Straßenbuben und Schrecken der Kutscher auf den staubigen Landstraßen Pferde scheu machen, Rauch ausstoßen und mit einem infernalischen Geknattere bis zur nächsten Panne rollen.

Der Siegeszug des Automobils hat um die Jahrhundertwende begonnen und wird – das wissen wir heute – nicht zu stoppen sein. Unentschieden ist im Jahre 1898 noch die Frage des Antriebs: Werden die Automobile der Zukunft mit einem Benzin- oder einem Elektromotor betrieben? Die Kutsche mit dem jungen Spenglersohn Ferdinand Porsche am Steuer knattert nicht, raucht nicht, stinkt nicht. Sie wird von einem 130 Kilogramm schweren Elektromotor angetrieben und bewältigt die steile Berggasse von der Rossau herauf in doppelter Schrittgeschwindigkeit. Der Motor leistet beachtliche drei bis fünf Pferdestärken und die 500 Kilo schwere Batterie der Marke »Tudor« soll das Gefährt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 35 Kilometern pro Stunde fast fünfzig Kilometer weit bewegen – wenn der Weg flach ist. Der Wagen mit Heckantrieb trägt die offizielle Typenbezeichnung »Egger-Lohner-Elektromobil Modell C.2 Phaeton«. Im Jahr nach seiner Erstfahrt wird der Egger-Lohner- Prototyp im Rahmen einer Internationalen Motorwagen- Ausstellung in Berlin bei einer Wettfahrt über 40 Kilo- meter Distanz die Wirtschaftlichkeitswertung gewinnen und die Mitbewerber mit einer Viertelstunde Vorsprung abhängen. Der »C.2 Phaeton« aus dem Hause Egger-Lohner gehört zu den ersten zugelassenen Fahrzeugen Österreichs.

Schon als SchülerDennoch setzt sich das Konzept des Elektrowagens nicht durch. Die Batterie ist zu schwer und hat eine zu geringe Energiedichte. Ferdinand Porsche ist seiner Zeit um ein Jahrhundert voraus. Das Egger-Lohner Elektromobil gilt heute unter dem Kürzel »P1« als erstes Porsche-Serienfahrzeug und wird seit zwei Jahren stolz im Stuttgarter Porsche-Museum präsentiert. In Wahrheit war die Serie nicht besonders groß. Gezählte vier Wagen schraubten die Mechaniker in der Lohner-Fabrik in Wien-Floridsdorf zusammen und die in den Radnaben eingestanzten Initialen »P1« – gleichsam ein Monogramm für den Konstrukteur Porsche – entpuppten sich bei kritischer Prüfung als nachträgliche Fälschung. Die in der Fachpresse gefeierte Wiederentdeckung des »Ur-Porsches« entfachte aufgeregte Debatten. In einem schmuddeligen Schuppen habe ein Sammler die kargen Karosseriereste dieses Elektro-Porsches entdeckt und so einen automotiven Archäologiefund, vergleichbar mit der Auffindung des Rosettasteins, gemacht. Mehr als siebzig Jahre sei er verschollen gewesen, nun wäre der erste Porsche wieder aufgetaucht. Leider ist die schöne Geschichte nicht ganz so geheim- nisvoll. Das Skelett des angeblichen Porsches war Jahrzehnte im Fundus des Wiener Technischen Museums gelagert, fachmännisch gegen den Zahn der Zeit geschützt. Weil das Museum ein zweites, viel besser erhaltenes Modell in seiner Sammlung zeigte, tauschte das Museum 2009 den rudimentär erhaltenen »P1« gegen zwei andere Automobile. Ein anonymer Sammler verkaufte dann den alten Wagen für viel Geld an Porsche-Enkel Wolfgang. Der Elektromechaniker Ferdinand dürfte aber 1898 an der Konstruktion des »ersten« Porsches beteiligt gewesen sein, wenn auch nicht als Chefkonstrukteur. Der damals 23-Jährige war ein genialer Techniker. Sein Interesse galt aber zunächst nicht den Automobilen, sondern der Elektrotechnik.

Schon als Schüler hatte er das elterliche Haus in Maffersdorf elektrifiziert und zum Leuchten gebracht. Das handwerkliche Talent erbte Ferdinand von seinem Vater Anton, der als Spenglermeister in der nordböhmischen Gemeinde ein gutbürgerliches Auskommen hatte. Die Firma Porsche beschäftigte immerhin neun Gesellen und etliche Lehrlinge, darunter Ferdinand, dessen Interesse nicht dem Blech, sondern der damals relativ neuen Stromtechnik galt. Aufs Dach wollte Ferdinand nicht. Er hatte in der benachbarten Maschinenspinnfabrik Gizkey elektrische Apparaturen kennengelernt und experimentierte heimlich mit der faszinierenden neuen Energieform. Seine erste Erfindung machte unter der Jugend von Maffersdorf Furore. Porsche bestückte seine Schlittschuhe mit kleinen batteriebetriebenen Lämpchen, die ihn zweifellos zur Attraktion machten, wenn er seine Schleifen auf dem zugefrorenen Weiher zog. Vater Porsche reagierte ausgesprochen humorlos und zertrümmerte die elektrotechnischen Gerätschaften und Akkumulatoren, die sein Filius am Dachboden aufbewahrt hatte. Mutter Anna Porsche brachte ihrem Sohn mehr Verständnis entgegen und überredete ihren gestrengen Spenglermeister, Sohn Ferdinand Abendkurse für Elektrotechnik an der k.u.k. Staatsgewerbeschule im nahen Reichenberg besuchen zu lassen. So geschah es.

Das Haus der Familie Porsche leuchtete nächtens alsbald elek trisch illuminiert und der örtliche Teppichfabrikant konnte das Talent des aufgeweckten Burschen gar nicht übersehen. Er überredete Ferdinands Vater, den Sohn nach Wien zu schicken. Dort trat der junge Porsche als Lehrling bei der »Vereinigten Elektrizitäts-AG« des Herren Béla Egger in Wien-Favoriten ein. Es war eine der besten Adressen in der Monarchie, was elektrotechnische Anwendungen betraf. Die Firma Egger erbrachte technische Pionierleistungen und stellte als erstes Unternehmen im Kaiserreich Österreich mundgeblasene Kohlefaden-Glühlampen her.

Offenbar war Ferdinand tüchtig. Vom Lehrling zum Leiter der Prüfabteilung des großen Elektrokonzerns brauchte Porsche nur vier Jahre. Fleißig war er auch. Neben seiner Arbeit baute er ein Elektrofahrrad, mit dem er auf Damen in seiner Firma einen durchaus günstigen Eindruck machte. Der fesche junge Mann verlobte sich alsbald mit der Buchhalterin Aloisia Johanna Kaes, die er schließlich mit 28 Jahren ehelichte. Da arbeitete Porsche freilich schon beim k. u. k. Hoflieferanten Jacob Lohner & Comp., der vom noblen Kutschenbauer zum Automobilerzeuger geworden war und seine Fahrzeuge zunächst mit Elektromotoren aus der Favoritner Fabrik des Béla Egger bewegte. Das Paar fand eine Wohnung in der Berggasse, ganz in der Nähe der Firmenzentrale von Lohner und wenige Meter von Sigmund Freuds Praxis entfernt. Die beiden Herren blieben einander unbekannt. Die Hochzeitsreise trat das junge Paar standesgemäß in einem von Porsche entwickelten Hybridfahrzeug an, was darauf hindeutet, dass es für den Bräutigam mehr um eine Testfahrt als um eine Liebesreise ging.

Nach dem »Phaeton« und zwei weiteren deutlich besser funktionierenden Versuchswagen entwickelt der junge Konstrukteur das revolutionäre Konzept eines elektrischen »Radnabenmotors«. In der Patentschrift vom 27. Mai 1896 für ein »Antriebslenkrad mit Elektromotor« wird das »System Lohner-Porsche« vorgestellt. Damit taucht der Name Porsche erstmals auch offiziell in der automotiven Technikgeschichte auf. Die Idee eines Elektroautos war knapp vor dem »Fin de Siecle« durchaus nicht neu. Schon siebzehn Jahre vor Porsche hatte der Franzose Charles Jeantaud ein von Akkumulatoren betriebenes Gefährt gebaut, das sich allerdings als wenig alltagstauglich erwies. Der französische Erfinder besserte nach und fuhr schon 1895 elektrisch von Paris nach Bordeaux. Im Jahr nach Ferdinand Porsches erster »Bastlerarbeit« lieferten sich französische und belgische Elektromobile bereits einen aufgeladenen Wettkampf um den damaligen Geschwindigkeitsweltrekord. Graf Gaston de Chasseloupe-Laubat beschleunigte einen »Jeantaud« auf atemberaubende 62 Stundenkilometer. Das bedeutete Weltrekord. Mit dem Auto war der Geschwindigkeitswahn auf einem – laut Philipp Blom – »taumelnden Kontinent« angekommen. Binnen weniger Monate rasten verwegene Piloten mit mehr als 100 Stundenkilometer durch die Ebenen Nordfrankreichs. Da mühte sich Porsche gerade mit der Konstruktion eines Radnabenelektromotors, der die mechanische Kraftübertragung vom Motor zu den Antriebsrädern überflüssig machen würde. Porsche verfolgte die Rekordjagd der Franzosen und gab seinerseits »Watt«. Am 23. September 1900 gegen 6 Uhr früh startete Porsche beim Kilometerstein 79 in Schottwien zu einer Rekordfahrt auf den Semmering. Sein ums Chassis abgespeckter Wagen brauchte für die zehn Kilometer und die 400 Höhenmeter gestoppte 14 Minuten und 52 Sekunden. Im Ziel bei Kilometermarke 89 vor dem Hotel Erzherzog Johann genehmigten sich Fahrer und offizielle Zeitmesser des »Oesterreichischen Automobil- Clubs« einen kräftigen Schluck. Porsche fuhr, konstruierte und baute rasend schnell. Schon 1899 entwarf er für den Hoflieferanten Jacob Lohner den Lohner-Porsche – das weltweit erste Fahrzeug mit Allradantrieb. Ein aerodynamisch konzipiertes Fahrzeug aus der Ideenschmiede Lohner-Porsche wurde bei der Pariser Weltausstellung zum Beginn des Jahrhunderts im österreichischen Pavillon ausgestellt. Es zog das Publikum wie ein Magnet an. Einen 3,40 Meter langen formschönen Viersitzer mit Elektroantrieb hätten die Besucher der Weltausstellung in der deutschen oder französischen Halle erwartet, aber die Techniksensation kam aus Wien-Floridsdorf. Im offiziellen Ausstellungskatalog musste das System eines Automobils noch erklärt werden. »Zum Theil sind die Fahrräder vorbildlich gewesen fur die Konstruktion der Räder und Gestelle der Automobilen; Vorbilder für die Formen lieferten die Wagen und die Lokomotiven diejenigen für die Art des Betriebs.« Das war nicht ganz exakt beschrieben, denn der Dampfantrieb für Autos hatte sich schon um 1900 als nicht praktikabel erwiesen.

Der »Elektrische Phaeton« erhielt eine von 13 Goldmedaillen der Ausstellung und wurde auf der Titelseite der Allgemeinen Automobil-Zeitung präsentiert. Kunden konnten ein »Modell Nr. 27« für 7000 Kronen kaufen. In diesem Preis war freilich nur das Chassis inbegriffen. Zum »Volkswagen« war noch ein weiter Weg zurückzulegen. Porsches Schaffensdrang um das Jahr 1900 scheint im Rückblick schier unerschöpflich. In nur wenigen Monaten nahm er die Automobilentwicklung der nächsten 120 Jahre vorweg: Elektroauto, Vierradantrieb und Hybridwagen. Ein Jahr nach der Pariser Weltausstellung präsentierte das Duo Porsche-Lohner einen »Mixte«-Wagen. Der elektrische Antrieb wurde durch zwei Benzin-Einzylindermotoren unterstützt. Porsche taufte seine Erfindung »Semper Vivus« (»Immer lebendig«). Mit seinen knapp drei Pferdestärken und einer Reichweite von angeblich 200 Kilometern war der »Immer lebendig«-Lohner-Porsche mehr als ein technisches Spielzeug. Aber das revolutionäre Auto mit zwei Antriebssystemen wurde kein durchschlagender Verkaufserfolg: zu teuer, zu wenig alltagstauglich. Dabei chauffierte Ferdinand Porsche den autobegeisterten Thronfolger Franz Ferdinand persönlich bei einem Manöver in einem »Mixte«. Seine Hoheit bedankten sich in einem Handschreiben begeistert: »Ich war zufrieden in jeder Hinsicht.« Ferdinand Porsche am Steuer des Wagens von Franz Ferdinand in Sarajevo? Die Weltgeschichte wäre anders verlaufen. Am 28. Juni 1914 bog der Chauffeur Seiner Hoheit in eine falsche Straße ab, musste stehen bleiben und mit seinem Benzinwagen mühsam reversieren. Diese langen Sekunden des Stillstands nützte der Attentäter Gavrilo Princip und gab seine tödlichen Schüsse ab. Ein Elektroautomobil hätte für die Rückwärtsfahrt keinen mühsamen Schaltvorgang erfordert. Der »Mixte« verfügte über einen Drehschalter und konnte so in Sekundenschnelle die Fahrtrichtung ändern. Die Geschichte kennt aber kein »Was-wäre-gewesen-wenn«, leider.

Porsche gewann mit seinen – Monat für Monat – verbesserten Konstruktionen Bergrennen mit Respektabstand. Dennoch wurden in Summe nur 65, nach einer anderen Statistik doch 300, »Semper Vivus« verkauft. Ein Porsche war schon damals eher teuer. Nach seiner erfindungsreichen Zeit bei der Firma Lohner wurde Ferdinand Porsche von Emil Jellinek-Mercédes als Direktor nach Wiener Neustadt zur Daimler Motorengesellschaft abgeworben. Der jüdische Geschäftsmann und Diplomat hatte 1903 den Vornamen seiner Tochter angenommen, nachdem er als Autohändler in Nizza 36 Daimler-Wagen (das war ein Drittel der Jahresproduktion) geordert und einen nach seinen Ideen neukonstruierten Daimler- Tourenwagen unter dem Namen der damals zehnjährigen Mercédes bei der »Semaine automobile« an der Côte d’Azur angemeldet hatte. Der »Mercedes« siegte. Der Rest ist Automobilgeschichte.

Bei Daimler in Wiener Neustadt konstruierte der neue Technikchef Porsche Fahrzeuge, die auch international »State of the art« waren. Porsche lenkte einen Austro-Daimler bei der »Österreichischen Alpenfahrt« und gewann die Teamwertung mit Abstand. Unter Mitarbeit des Flugzeugpioniers Igo Etrich konstruierte Porsche den »Prinz Heinrich-Wagen«. Das Rennauto erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von fast 130 Stundenkilometer. 1910 gewann Porsche die Prinz-Heinrich-Fahrt durch Deutschland mit seinen Modellen. Die Daimler-Mercedes und Opel der deutschen Konkurrenz sahen nur Porsches gewaltigen Auspuff. Denn Porsche hatte, nachdem er die Grenzen der damaligen Elektromobilität erkennen musste, auf Benzinmotoren umgestellt. Ein Passagier, der 1902 bei einer Versuchsfahrt mit Ferdinand Porsche in einem »Lohner-Porsche«-Automobil mitfahren durfte, berichtete begeistert von dessen schneller Fortbewegung und einfacher Bedienung, weniger enthusiastisch zeigte sich der Co-Pilot über den Zustand der damaligen Straßen: »Wir mochten etwa 35 km stündlich erreicht haben, und die Schlammmassen der schlecht gepflegten Straße spritzten wie Fontainen rechts und links unter den Pneus hervor, weit ins Feld hinein.«

Automobilisten waren in der Frühzeit durchaus handfesten Anfeindungen ausgesetzt. Der Lärm und die damals als rasend erlebte Geschwindigkeit verstörten das Landvolk entlang der staubigen Straßen, mehr noch das Vieh. Pferde scheuten, Gänse und Hühner ließen sich von den ungewohnten rasenden Vierrädern regelmäßig zu Tode fahren. Im Sommer wirbelten die Automobile feinen Flugsand auf, der sich als graue Staubschicht auf Felder und Dörfer legte. Nicht selten wurden Lenker und Beifahrer in den Pioniertagen der Automobilität mit Steinen und Kot beworfen, wenn sie durch die Dörfer knatterten. Für Pferdekutscher waren die schnelleren und lauteren Autos der natürliche Feind, machten sie doch die Zugtiere scheu und überholten mühelos die Fiaker und Fuhrwerke.

Ferdinand Porsche entwickelt und konstruiert auch während des Ersten Weltkrieges. Statt Rennautos baut er jetzt Zugmaschinen für Geschütze und entwirft Panzer, die so furchterregend sind, dass die Pferde der Offiziere scheuen und Österreichs k. u. k. Armee daher vorsorglich auf diese Waffe verzichtet. Nach dem Ende der Monarchie geht der Österreicher nach Stuttgart und kommt in den Bannkreis der neuen Machthaber. Porsche zeigt keine Berührungsängste mit dem Nationalsozialismus. Adolf Hitler persönlich betraut seinen »Lieblingsingenieur« mit der industriellen Umsetzung eines »Volkswagens«. Das Projekt wird mit 50 Millionen Reichsmark durch die »Deutsche Arbeitsfront« finanziert. Die Vorgabe der Nationalsozialisten: Für 1000 Reichsmark sollen Volksgenossen einen »KdF«-Wagen kaufen können. Porsche wird 1937 Parteimitglied. Im April 1938 ruft Porsche seine österreichischen Landsleute auf, bei der Volksabstimmung nach der Annexion Österreichs für den Anschluss ans Deutsche Reich zu stimmen. Im Morgenblatt der Neuen Freien Presse am Tag vor der Volksabstimmung, wird der Konstrukteur aus einem Interview zitiert: »Ich stimme mit Ja.« Zehn Tage später präsentiert Porsche dem »Führer« seinen Prototypen des späteren Volkswagens. Als eigentlicher Schöpfer des »Käfer« gilt heute der Wiener Béla Barényi, der das Designkonzept schon 1925 als Abschlussarbeit an einer privaten technischen Fachschule in Wien-Margareten vorgelegt hat. Ferdinand Porsche setzt Barényis Ideen um. Während des Zweiten Weltkrieges ist Porsche voll in die Rüstungsproduktion eingebunden. Als deutscher Wirtschaftsführer bekleidet er den Rang eines SS-Oberführers. Nach dem Krieg wird Porsche in Frankreich inhaftiert. Das alles sind allerdings keine Sternstunden.

Gerhard Jelinek/Amalthea Signum Verlag