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Puch am Berg#

Wie der rasende Ingenieur Karl Slevogt den Berg Schöckl erstmals mit einem Automobil befuhr und was das nach sich zog.#

von Martin Krusche


Karl Slevogt und seinen Beifahrer, den techn. Beamten Herrn Discher
Die Allgemeine Automobil-Zeitung vom 5.9.1909 zeigte Karl Slevogt und seinen Beifahrer, den *techn. Beamten Herr Discher*, im 18/22 HP Puch-Wagen bei der Auffahrt. (Österreichische Nationalbibliothek), unter CC BY-SA 3.0

Am 23. September 1908 hatte Martin Lindenberger, auf dem Kutschbock sitzend, „sein Bier noch nicht ausgetrunken, als er ein Automobil nahen hörte“. Der folgende Unfall brachte dem Bauern schwere Verletzungen bei.

Im Arbeiterwille hieß es: „Ein Automobilwildling“. Das Auto, „von dem die Zeugen behaupten, daß es rasend wie ein Schnellzug einhergesaust sei“, hatte einen prominenten Piloten, den „Ingenieur und Leiter der Firma Puch, Karl Slevogt“.

Der machte lieber auf andere Art von sich reden. Am 22.8.1909 berichtete die Allgemeine Automobil-Zeitung ausführlich über die Rekordfahrt Slevogts in der Landscha-Allee, bei der er mit seinem Puch-Rekordwagen rund 130 Km/h schaffte.

Nach dieser Rekordfahrt sorgte Slevogt für Euphorie bei den Honoratioren von Sport und Tourismus. Man freute sich, „daß zum erstenmale ein Kraftwagen vor dem ‚Stubenberghause’ auf dem Schöckel nach siegreicher Bergfahrt anhält“. (Grazer Tagblatt)

„Eine Schöckelpartie per Automobil, das war jedenfalls ein Novum“, berichtete Sport & Salon über jenen 15. August 1909. Die „mörderische Fahrt“ auf Hohlwegen und Felsgeröll verlangte ein Umwickeln der Antriebsräder mit Ketten. Erst dünne Gliederketten, „dann aber mußten schwere Fuhrketten angelegt werden“. „Trotz Steigung, elendem Weg und regendurchweichter Bahn wurde die Schöckelpartie per Auto doch in zirka 29 Minuten erledigt.“ hieß es weiter.

Cover der Werbeschrift von 1993
Das Cover der Werbeschrift von 1993 zeigt, was man bei der Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik für den natürlichen Lebensraum des Puch G hielt
Foto: Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik, Archiv Fredi Thaler.

In jenen Pioniertagen des Automobilbaus waren von Puch bis 1907 gerade erst einige zarte Voiturettes („Wägelchen“) gebaut worden. In den Jahren danach erwartete das gut situierte Publikum stärkere, robustere Automobile und bekam sie auch.

Berg- und Rekordfahrten unterfütterten kommende Rennsporterfolge, die zu wichtigen Verkaufsargumenten wurden, denn es lief auch längst einen Rennen der Produzenten um die Gunst des kaufkräftigen Publikums.

Einige Jahrzehnte später wurde der Schöckl zu einem Prüfstein für die Allradfahrzeuge der Steyr-Daimler-Puch AG. Im Bereich der Fahrzeugtechnik spielen Dauerversuche eine fundamentale Rolle. Das Testgelände beim Zweier-Werk in Graz-Thondorf ist zwar vielfältig gestaltet, aber erst der Schöckl macht deutlich, was die Allrader von Steyr-Puch können, die Haflinger, Pinzgauer und Puch G.

Natürlich würde eine ganze Legion Offroad-Fans den Berg gerne stürmen, womöglich Woche für Woche. Keine Chance! Der Schöckl ist heute Erholungssuchenden vorbehalten. Dillinger’s Reisezeitung berichtete schon im Mai 1900: „Bei günstiger Witterung gewährt der Gipfel eine herrliche Aussicht auf die steirische und kärntnerische Hochgebirgswelt…“, was die Menschen wohl bis heute schätzen.

Allerdings hat Magna Steyr, Nachfolger des historischen Mischkonzerns, immer noch die Möglichkeit, Fahrzeuge am Schöckl zu testen. Das kann einem als Privatperson zugute kommen. Ferdinand „Fredi“ Thaler ist einer der altgedienten Puchianer, die noch bei Direktor Erich Ledwinka ihre Lehre begonnen hatten. Thaler gilt als profunder Kenner der Allradfahrzeuge aus Graz, ist daher auch mit dem Berg bestens vertraut.

Wenn der Konzern an speziellen Tagen die Zufahrt ermöglicht, um auf Firmenfahrzeugen einen Eindruck zu vermitteln, was diese Autos können, markiert etwa Thaler den Kurs.

Altmeister Fredi Thaler
Altmeister Fredi Thaler, der seine Lehre im Puchwerk unter Erich Ledwinka begonnen hatte, ist der beste Scout, den man für eine Fahrt auf Abwegen des Schöckels bekommen kann.
Foto: M. Krusche

Das geht dann so: Der Lange gibt mir mit seinen drei Achsen und den ausladenden Maßen reichlich zu denken. Wenn ich alle Differentialsperren reinhau, kann ich so kühne Passagen fahren, daß der Pinzgauer fast kopfsteht. Ein Albtraum für die Leute auf den Längsbänken hinter mir. Als würde ein Raumkreuzer abstürzen und gerade die Schwerkraft einsetzen.

Ich hab meine Füße vor der ersten Achse. Wenn die Fuhre um einen Baum herum geht und nicht über den Böschungsrand hinausschieben soll, fühlt sich das wie ein eigenartiges Tänzchen an, denn man hockt gewissermaßen auf dem Angelpunkt eines riesigen Hebels, der einen wie nichts aus der Bahn wuchten kann.

Der Puch G bewegt sich naturgemäß völlig anders. Die mächtige Motorhaube macht es vorne merklich unübersichtlicher, dafür sorgt die Heckpartie kaum für Überraschungen. So oder so ist eine Menge Ingenieurskunst in diese Brocken gepackt, was selbst dem ungeübten Offroader erlaubt, verwegen Abschnitte heil zu überstehen. Zwei Anweisungen dominieren.

Langsam! Bremsbereit! Wer sich für die Schöckl-Tour im Action-Kino inspirieren ließ, wird sehr viel Geld verbrennen. Tonnenschwere Automobile hüpfen nur im Film ganz unbeschwert. Spätestens wenn sie wieder aufsetzen, beginnt der Ernst des Lebens.

Pinzgauer und Puch G
Pinzgauer und Puch G auf historischen Pfaden der einstigen Steyr-Daimler-Puch AG
Foto: M. Krusche

Die Einwände gegen solche Extratouren sind bekannt und keineswegs neu. Sie begleiten das Automobil, seit es solche Vehikel gibt. Volkskundlerin Hilde Harrer macht das mit einem Zitat aus dem Jahr 1908 (!) anschaulich: „Damit ein Einzelner ein meist recht fragwürdiges und ein gesundheitsschädliches Vergnügen geniesst, werden Hunderte durch widerlichen Geruch, hässliches Getöse, erstickenden Staub belästigt, ganz zu schweigen von den vielerlei Gefahren, die das Automobil mit sich bringt.“ (Heinrich Pudor)

Jeder Wandervogel würde mir einen Zettel mit diesem Zitat auf die Brust heften wollen. Es stammt aus der Ära, in welcher Ingenieur Slevogt mit seinem Puch-Wagen die erste Schöckl-Befahrung schaffte. Was einen Motor hat, verlockt zur Raserei. Die Berichte aus dem gesamten 20. Jahrhundert lassen daran keinen Zweifel zu.

Am 12. Mai 1907 wurde an der Mautstelle St. Leonhard das erste „Bergrennen auf die Ries“ gestartet. Am 11. August 1909 absolvierte Slevogt in seinem zweisitzigen Puch-Wagen die schon erwähnte Rekordfahrt in der Landscha-Allee, auf der Triester Reichsstraße, südlich von Leibnitz.

Die „Pariser Konvention“ vom 11. Oktober 1909 gilt als erstes Abkommen Europas über den internationalen Verkehr mit Kraftfahrzeugen. Eine Ministerialverordnung vom 28. April 1910 nennt das A als internationales Unterscheidungszeichen für Österreich.

1910 wurde übrigens das renommierte Semmering-Rennen „auf Grund von Anrainerbeschwerden nicht nur die Rennstrecke betreffend, sondern auch wegen des die Verkehrssicherheit gefährdenden ‚zügellosen’ Automobilverkehrs auf der Reichsstraße durch die von Wien anreisenden Rennbesucher, behördlich verboten“ (Harrer). Die erste Schöckl-Befahrung markiert also eine Zeit ungeheuren Aufbruchs, in dem sich das Antlitz der Welt grundlegend verändern sollte.

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