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Dachs statt Lachs#

Geräucherter Lachs ist der weltweit am häufigsten verzehrte Fisch - und das, obwohl er einer der ungesündesten ist. Dachsfleisch wäre eine schmackhafte Alternative auf dem Weihnachtsteller.#


Von der Wiener Zeitung (Dienstag, 16. Dezember 2014) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Petra Tempfer


Dachs und Lachs
Dachs und Lachs
© Fotolia/Erni/Pumba

Wien. Sein Fleisch ist zart, weich und dunkel. Es erinnert an Wildschwein und Jungrind. Und dennoch werden lediglich der Bart als Hutschmuck-Souvenir aus dem Alpenland oder die Haare für Rasierpinsel verwertet - den Rest des Dachses entsorgen die Jäger. Dabei wäre das etwa zehn Kilogramm schwere Raubtier aus der Familie der Marder eine durchaus schmackhafte und vor allem gesunde Alternative zum Lachs auf dem Weihnachtsteller, wie eine Studie Wiener Forscher zeigt.

"Vom Eiweiß-, Fett- und Wassergehalt her ist Dachsfleisch vergleichbar mit Schweinefleisch. Überraschend hoch ist jedoch der Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren, was eigentlich typisch für Fisch ist", sagt Agathe Pfeifer vom Institut für Fleischhygiene der Veterinärmedizinischen Universität Wien, das das Fleisch untersucht hat. Auch von Trichinen (parasitische Fadenwürmer in Wildtieren) war keiner der fünf untersuchten Dachse aus Niederösterreich befallen.

Pfeifer zufolge sind es aber primär die mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die das Dachsfleisch auszeichnen: Sie können helfen, den Cholesterinspiegel zu senken, sind also gesünder als die für Schweinefleisch typischen gesättigten Fettsäuren.

Reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren#

Der Weihnachtslachs wäre zwar ebenfalls reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren - kommt er aus Aquakulturen, ist er aber vor allem reich an Antibiotika. Diese werden verfüttert, um die Massenpopulation vor Krankheiten zu schützen. Das macht den in der geräucherten Variante weltweit am häufigsten verzehrten Speisefisch zu einem der ungesündesten. Denn jeder isst mit dem zartrosa Fleisch das Antibiotikum mit, was zunehmende Resistenzen gegen Bakterienstämme zur Folge haben kann.

Von Zuchtanlagen und Massenverwertung ist der Dachs weit entfernt. 60.000 Stück leben Schätzungen zufolge in Österreich. Etwa 8000 werden laut der Zentralstelle der Landesjagdverbände jährlich erlegt, um das ökologische Gleichgewicht zu wahren, wie es heißt. Denn der Allesfresser Dachs, der in kilometerlangen Bauten gemeinsam mit Mäusen oder Iltissen lebt, zieht in der Dämmerung gerne aus, um Jungvögel und Eier zu fressen - zum Beispiel von Fasanen. Die Population wächst zudem stetig an, weil natürliche Feinde wie der Wolf fehlen. Als typischer Kulturfolger dringt der Dachs bis in die Gärten von Grinzing, Währing oder Döbling vor und sucht nach Abfällen. Im Vorjahr wurden 30 Dachse allein in Wien erlegt.

Damit die Tiere nicht weiterhin "sinnlos sterben", sollte man sie einfach essen, meint Pfeifer. Allein - bis ein Dachs schmackhaft zubereitet auf dem Teller liegt, ist es derzeit noch ein langer Weg. Man muss ihn direkt von dem Jäger kaufen, der ihn erlegt und auf Trichinen untersucht hat. Wer Glück hat, könne mitunter fertigen Dachsschinken kaufen, falls ein Jäger mit einem Fleischer befreundet ist.

Dachsschinken schmeckt ähnlich wie Rohschinken, sagt Pfeifer. Die Dachsfleisch-Speisekarte ist aber noch viel facettenreicher. "Ich esse Dachs am liebsten als Schmorbraten in kleinen Stücken", sagt Albin Klauber. "Ähnlich wie Rehrücken." Der Jäger und Amtstierarzt von Feldbach in der Steiermark hat vor zwei Jahren den "Dachsess Club" gegründet. "Ein Club Gleichgesinnter, Jäger und Feinschmecker, die zeigen wollen, von welch hoher Qualität dieses Fleisch ist."

Braten, Gulasch, Suppe und Sülzchen#

Zu diesem Zweck treffen sich die 15 Mitglieder und eingeladene Gäste ein bis zwei Mal jährlich zum großen Dachsessen. Von Braten über Gulasch bis hin zu Einmachsuppe und Sülzchen war schon so einiges an Dachs-Variationen dabei. "Man nimmt dafür nur die fülligeren Fleischteile, also Schulter, Rücken und Schlögel", sagt Klauber. Pro Dachs bekomme man 2,5 bis drei Kilogramm Fleisch. Ganz wichtig dabei: Dachse haben unter dem Schwanz eine Duftdrüse, in die man beim Ausweiden nicht hineinschneiden darf. Sonst schmeckt das Fleisch nach dem Drüsensekret. Auch sollte man das Fett vor dem Kochen vollständig entfernen, weil es einen Eigengeschmack hat.

Doch nach welchen Rezepten bereitet man Dachs nun zu? Historische Kochbücher sind voll davon. "Bei uns hat man bis in die 50er Jahre hinein Dachs und auch Murmeltiere gegessen, als Fleisch Mangelware war", sagt Klauber. In den vergangenen Jahrhunderten galt der schwarz-weiße "Grimbart", wie er in Fabeln heißt, als Delikatesse. Das ausgeschmolzene Fett verwendete man als Salbe gegen Rheumatismus.

In Frankreich, Schweden und Russland kann es noch heute passieren, dass man Dachs zu Weihnachten serviert bekommt. In Russland bekäme man ihn vermutlich gewürzt auf einem Spieß gereicht, in Schweden als gebratenen "Grävling". Und in Südfrankreich gäbe es Pfefferragout oder gefüllten "Blaireau".

Wiener Zeitung, Dienstag, 16. Dezember 2014