!!!Rote Magie

!!Psychologen erforschen die Macht einer besonderen Farbe.

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''Von der [Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at] (Samstag, 27. August 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.''

Von

__Kerstin Viering__

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[{Image src='Malevichs-Rotes-Quadrat.jpg' caption='Kasimir Malevichs „Rotes-Quadrat“ 1925\\Foto: [wikipedia|https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Rotes_Quadrat.jpg]' alt='Kasimir Malevichs „Rotes-Quadrat“ 1925' width='500' class='image_right' height='500'}]


Ein unschlüssiger Blick in den Kleiderschrank: Lieber das rote T-Shirt oder doch das blaue? Von dieser Entscheidung kann mehr abhängen, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Zum Beispiel die Wirkung, die man beim anderen Geschlecht erzielt. Die magische Anziehungskraft der "Lady in Red" ist nämlich keineswegs nur ein Klischee. Als Frau kann man offenbar keine bessere Farbe wählen, wenn man auf einen Flirt oder ein sexuelles Abenteuer aus ist. "Rot hat einen besonderen Einfluss auf den Menschen und sein Verhalten", erklärt Daniela Niesta Kayser von der Universität Potsdam. Doch woher kommt diese Macht? Und wie weit reicht sie? Diesen Fragen geht die Psychologin gemeinsam mit Kollegen aus München und Wuppertal nach - oft mit erstaunlichen Ergebnissen.

"Was diese Farbe auslöst, hängt stark von der Situation ab", erklärt die Forscherin. Ampeln und Stoppschilder machen sich zum Beispiel zunutze, dass Rot für menschliche Augen sehr auffällig ist. Einer Theorie zufolge könnte Rot schon in den frühen Tagen der Menschheitsgeschichte als Warnsignal gewirkt haben. Vielleicht haben es unsere Urahnen mit Blut assoziiert und mit Gefahren, die es zu vermeiden galt.

Doch man muss gar nicht um Leib und Leben fürchten, um mit Rot eher Ungutes zu verbinden. Es genügt, in der Schule, im Studium oder am Arbeitsplatz Leistung bringen zu müssen. "Studien zeigen, dass die Farbe auch da eher hemmend wirkt", sagt Daniela Niesta Kayser. Schließlich lernen die meisten Schulkinder, die rote Farbe des Korrekturstiftes mit Fehlern zu verbinden. Rot ist daher negativ besetzt und kann Versagensängste auslösen. Vor allem Aufgaben, bei denen Kreativität statt Fehlervermeidung gefragt ist, sollte man Studien zufolge lieber in einer grünen oder blauen Umgebung anpacken.

Sobald es dagegen um zwischenmenschliche Beziehungen geht, scheint Rot wie ein optischer Magnet zu wirken. In einem Versuch der Potsdamer Forscherin sollten Männer Fotos von Frauen spontan auf deren Attraktivität beurteilen. Vor einem roten Hintergrund wurde die gleiche Frau dabei als deutlich anziehender eingestuft als vor einem weißen.
In einem weiteren Test sahen die Kandidaten Fotos von Frauen, mit denen sie sich später unterhalten sollten. Trug die Frau auf dem Bild ein rotes statt eines blauen T-Shirts, rückten die Männer ihren Stuhl im Schnitt um zehn Zentimeter näher an den ihrer Gesprächspartnerin heran. Zudem stellten sie rotgekleideten Frauen intimere Fragen. Bei Frauen in Grün blieb es dagegen eher beim unverbindlichen "Woher kommst Du?" Oft überwindet diese farbliche Anziehungskraft sogar alle möglichen Hindernisse - von Schüchternheit über Zweifel an der eigenen Attraktivität bis hin zur Angst vor Zurückweisung.

Doch auch Frauen können sich der roten Magie nur schwer entziehen. In ähnlichen Studien schreiben sie Männern in roten T-Shirts oder vor rotem Hintergrund einen besonders hohen Status zu und empfinden sie auch als sexuell attraktiver als andere.

Diese Wirkung lässt sich sogar im Gehirn erkennen. Einen Angehörigen des anderen Geschlechts in Rot zu betrachten, aktiviert bei heterosexuellen Männern und Frauen das Belohnungszentrum. Bei homosexuellen Menschen scheint die Zuordnung umgekehrt zu sein. In dem Fall sind es die Angehörigen des eigenen Geschlechts, denen Rot eine besondere Anziehungskraft verleiht.

Dieser optische Magnetismus funktioniert quer durch die Kulturen. Dabei wird die Farbe je nach Weltregion unterschiedlich gesehen. Während sie in vielen westlichen Gesellschaften für Romantik, Liebe und Leidenschaft steht, symbolisiert sie in China Glück und Wohlstand. Und in Burkina Faso hat sie sogar einen schlechten Ruf, weil man sie mit Krankheit assoziiert. Dennoch steigert Rot auch dort die Attraktivität des anderen Geschlechts. "Das spricht dafür, dass der Effekt nicht nur durch kulturelle Prägung zustandekommt", sagt die Potsdamer Psychologin. Vielmehr scheint er biologische Wurzeln zu haben, die tief in die Evolutionsgeschichte zurückreichen.

Menschen sind nämlich keineswegs die einzigen Primaten, für die Rot ein wichtiges sexuelles Signal ist. Bei Schimpansen- und Pavian-Weibchen schwellen in der empfängnisbereiten Phase ihres Zyklus die Genitalien an und präsentieren sich in auffälligem Rot - für die Männchen eine wichtige Information. Ist Rot also ein uraltes Signal für weibliche Fruchtbarkeit, auf das auch Menschen-Männer unbewusst reagieren?

Auch die größere Attraktivität von in Rot gekleideten Männern lässt sich aus der Evolutionsgeschichte erklären. Versuche zeigen, dass Affenweibchen eine Vorliebe für Männchen mit röterer Gesichtshaut haben. In ihren Augen ist ein rotes Gesicht ein Indiz für einen höheren Testosteronspiegel. Und der verspricht bessere Beschützerqualitäten.

Beim Menschen können kulturelle Einflüsse die Wirkung dieses biologischen Erbes weiter verstärken. So hat die Verwendung von roter Kleidung als Statussymbol eine lange Tradition. Purpur war die Farbe der römischen Senatoren und Kaiser, der Päpste und Kardinäle. Das war nicht nur eine Frage der Symbolik, sondern auch des Preises. Schließlich musste der dazu nötige Farbstoff früher in einem langwierigen und aufwendigen Prozess aus Meeresschnecken hergestellt werden.

Dieser Wirkung waren sich die Würdenträger früherer Jahrhunderte bewusst. "Heute dagegen unterschätzen die meisten Leute die Macht des Rots", sagt Daniela Niesta Kayser. Wer sagen soll, warum er eine bestimmte Person besonders attraktiv findet, macht das in der Regel nicht an der T-Shirt-Farbe fest. Unbewusst aber scheinen auch die Menschen des 21. Jahrhunderts noch darauf zu setzen, dass der optische Lockstoff funktioniert.

So haben Andrew Elliot und Adam Pazda von der University of Rochester (USA) Dating-Seiten im Internet analysiert und sind auf einen interessanten Zusammenhang gestoßen: Frauen, die auf unverbindlichem Sex aus waren, präsentierten sich auf ihren Profilbildern deutlich häufiger in Rot als solche, die nach einer Beziehung suchten. Auch Daniela Niesta Kayser hat Hinweise gefunden, dass Frauen Rot durchaus strategisch einsetzen. Wenn sie nämlich eine Begegnung mit einem attraktiven Mann erwarten, peppen sie ihr Outfit besonders häufig mit Schals, Handtaschen oder Schuhen in Rottönen auf. Bei weniger vielversprechenden Treffen meiden sie diese Farben dagegen. Man will ja auch nicht auf jeden wie ein Magnet wirken.







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[Wiener Zeitung|http://wienerzeitung.at], Samstag, 27. August 2016
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