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Unser Huchen stirbt aus #

Ein BOKU-Projekt in noch nie dagewesenem Umfang offenbart, was viele befürchteten: Der Huchen steht im Donauraum - und damit weltweit - unmittelbar vor dem Aussterben. Nur gezielte Maßnahmen können ihn noch retten. #

Einzigartig und schützenswert: Als Endglied der Nahrungspyramide stellt der Huchen einen idealen Indikator dar: Wenn es in einem Fluss wenige Fische gibt, leben dort auch wenige Huchen, was darauf hindeutet, dass das Ökosystem gestört ist.
Einzigartig und schützenswert: Als Endglied der Nahrungspyramide stellt der Huchen einen idealen Indikator dar: Wenn es in einem Fluss wenige Fische gibt, leben dort auch wenige Huchen, was darauf hindeutet, dass das Ökosystem gestört ist.
Foto: © F. Steinmann

Früher lebte der Huchen, auch Donaulachs genannt, in mehr als 250 Flüssen und auf über 7.400 km Flusslänge in Bayern und Österreich. “Heute finden wir hier Populationen nur noch in 0,7% des ursprünglichen Verbreitungsgebiets in sehr gutem Zustand”, erklärt Studienleiter Stefan Schmutz vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der Universität für Bodenkultur Wien. Auch weiter flussab kommt diese ausschließlich im Donaueinzugsgebiet beheimatete Art lediglich in Restbeständen vor. Zu den Hauptursachen für den anhaltenden Rückgang der Huchenbestände zählen: der Ausbau der Wasserkraft, Flussregulierungen, der Klimawandel sowie steigende Populationen von Fischfressen wie Fischotter, Gänsesäger und Kormoran.

Umfassende Studie vermittelt Gesamtbild#

Zwar gibt es auch frühere Studien über den sukzessiven Rückgang des Huchens. Vor zwei Jahren allerdings beschloss Stefan Schmutz, gemeinsam mit dem ehemaligen BOKU-Institutsleiter Mathias Jungwirth, die verstreuten Informationen und Datenbanken zusammenzuführen. “Wir stellten uns die Frage, was wir für eine derart bedrohte Fischart noch tun können”, erklärt Schmutz. Aus der Idee eines zweiseitigen Folders wurde eine über 170-seitige Studie, an der sich zahlreiche wissenschaftliche und fachliche Institutionen beteiligten sowie Fischereivereine und Expert*innen auf regionaler Ebene - aus Bayern und ganz Österreich.

Finanzierung gab es dafür keine. Denn in Österreich fehlt eine zentrale Anlaufstelle für bedrohte Arten. Und auch der neugegründete Biodiversitätsfonds bietet bislang keine passenden Möglichkeiten. ”Somit mussten wir alle Mitwirkenden einzeln überzeugen, sich an der Studie und damit hoffentlich an der Rettung des Huchens zu beteiligen", erinnert sich Schmutz. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, steht außer Zweifel. Denn Hürden gibt es einige:

Problematik Wasserkraft #

Einerseits soll erneuerbare Energie ausgebaut werden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Andererseits besteht die Gefahr, dass neue Wasserkraftwerke auch die letzten Fließstrecken zerstören. “Rund 80 Prozent der Flussstrecken werden derzeit bereits genutzt, weshalb die Wasserkraft in Österreich keinen weiteren wesentlichen Beitrag zur Energiewende mehr leisten kann", so Schmutz. Im Gegensatz dazu liegen Photovoltaik und Windenergie derzeit meist noch unter 10 Prozent ihres Potenzials. “Wir sollten den Fokus darauf richten, anstatt aus den Flüssen das Letzte herauszupressen und damit vielen Arten, darunter der Huchen, massiv zu schaden”, betont Schmutz.

Auch bestehende Wasserkraftwerke könne man so betreiben, dass diese die Fischbestände weniger belasten - etwa durch Fischwanderhilfen, durch die auch der bis zu 30 kg schwere und 1,3 m lange Huchen passt. Da Menschen nicht immer den gleichen Bedarf an Strom haben, kommt es durch An- und Abschalten der Kraftwerke zu sogenannten Schwall-Sunk-Erscheinungen. Hochwasserwellen und Niederwasser wechseln sich abrupt ab. Die Fische werden verdriftet oder laufen Gefahr zu stranden. Verschiedene Maßnahmen wie Ausgleichsbecken können helfen und werden bereits in ersten Kraftwerken umgesetzt. “Doch diese Lösungen werden trotz entsprechender EU-Gesetze von den Kraftwerksbetreibenden nur sehr zögerlich umgesetzt”, so Schmutz, “wobei mangelnde finanzielle Mittel derzeit keine Hürde darstellen dürften”, fügt er hinzu.

Flussregulierungen#

Auch Flussregulierungen degradieren den Lebensraum des Huchens stark. Obwohl Österreich bei der Revitalisierung federführend ist und seit über 30 Jahren entsprechende Maßnahmen umsetzt, fehlt ein flächiger Ansatz. “Jene 8500 km, die prioritär zu revitalisieren wären, sollte man umgehend umsetzen”, betont Schmutz. Doch auch das gehe sehr langsam voran. Zudem müssten wesentlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

Räuber auf dem Vormarsch#

Waren Fischottern vor 30 Jahren noch praktisch ausgestorben, so leben in Österreich heute wieder rund 4.000 Exemplare. Ihr Schutz, ebenso wie der von Gänsesäger und Kormoran, bedroht nun zunehmend die Fischbestände. “Fischpopulationen haben ihr Resilienzvermögen gegenüber diesen Fressfeinden verloren, weil ihr Lebensraum bereits so degradiert ist und ihre Bestände so stark zurückgegangen sind”, erklärt Schmutz.

Um das ökologische Gleichgewicht wiederherzustellen, steht man nun vor einem Konflikt: Welches “Schutzgut” hat den höheren Stellenwert? Oft können Fische hier aufgrund ihres Lebens unter Wasser, ihrer mangelnden Mimik und dem Fehlen eines kuscheligen Fells, keine starke Lobby hinter sich wähnen. “Angesichts der akuten Bedrohung des Huchens sollte dieser Art in den wenigen noch vorkommenden Beständen der Vorzug gegeben und Fischfresser entsprechend reguliert werden”, so Schmutz.

Steigende Temperaturen#

Auch der Klimawandel bedroht den Huchenbestand, da die Durchschnittstemperatur der Donau mittlerweile um fast 2°C über früheren Werten liegt. Sanierungsmaßnahmen sollten sich daher auf Ober- und Mittelläufer konzentrieren. Dort ist zu erwarten, dass die Temperaturen noch längerfristig in einem Bereich bleiben, in dem der Huchen überleben kann. Maßnahmen wie Uferrandstreifen, welche die Beschattung erhöhen, sollten jedoch flächig umgesetzt werden.

Einzigartig und schützenswert#

Als Endglied der Nahrungspyramide stellt der Huchen einen idealen Indikator dar. Anders gesagt: Wenn es in einem Fluss wenige Fische gibt, leben dort auch wenige Huchen, was darauf hindeutet, dass das Ökosystem gestört ist.

In der Paarungszeit wandert der Huchen - genauso wie Lachse - flussaufwärts, um geeignete Laichplätze aufzusuchen. Ob zum Geburtsort zurück, ist derzeit im Detail noch nicht untersucht. Deshalb könnte es sein, dass der Huchen ausstirbt, bevor seine Ökologie zur Gänze erforscht werden konnte. Schmutz: “Für mich ist es frappierend, dass beispielsweise der Amazonas-Regenwald in den Medien regelmäßig mit dem Aufruf erscheint, die Biodiversität dort zu schützen, dabei sterben vor unserer Haustür Arten aus.” Deshalb soll diese Studie darauf aufmerksam machen und gezielte Maßnahmen zum Schutz des Huchens in Gang setzen.

Nähere Informationen:#

Die Publikation zum Download: https://boku.ac.at/wau/ihg/aktuelles

DOI: 10.5281/zenodo.7633497 https://doi.org/10.5281/zenodo.7633497

Die Printversion zum Bestellen: https://www.fischerei-verband.at/themen/fisch-des-jahres/2023-huchen

Kontakt:#

Stefan Schmutz, Univ.Prof. DI Dr.
Universität für Bodenkultur Wien
Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement
Tel.: +43-664-8333209
stefan.schmutz@boku.ac.at