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AEIOU - Das mystische Motto Österreichs #

von Peter Diem

AEIOU in Gmunden - Foto: P.Diem
AEIOU in Gmunden - Foto: P.Diem

--> Völlige Neuinterpretation von aeiou durch Konstantin Moritz Langmaier

Bis auf den heutigen Tag hat die Aneinanderreihung der fünf Vokale des deutschen Alphabets, die Kaiser Friedrich III. in Schriften, auf Gegenständen und Bauten hinterlassen hat, ihre geheimnisvolle Wirkung nicht eingebüßt. Der bekannte österreichische Historiker Alphons Lhotsky (1903-1968) hat in einem ausführlichen Aufsatz nachgewiesen, dass es sich bei der Vokalreihe AEIOU nicht um eine „Staatsdevise", sondern vielmehr um ein höchstpersönliches Zeichen von Kaiser Friedrich III. nach Art eines „mystischen Monogramms" handelt. Dennoch wird dieser Schriftzug bis heute als eine Art „mystisches Motto" Österreichs - nicht nur des vergangenen, sondern auch des gegenwärtigen, ja eines unvergänglichen Österreich - gewertet (links eine moderne Darstellung aus Gmunden)

--> Alphons Lhotsky, Aufsätze und Vorträge. Wien 1971, Band II, 164 ff.


Ruprechtskirche
Ruprechtskirche - Quelle: ONB
Friedrich wurde am 21.9. 1415 in Innsbruck geboren, trug die Herzogswürde von Steiermark, Kärnten und Krain und erlangte 1440 die Würde des römischen Königs; seit 1459 war er auch König von Ungarn. 1452 wurde er als erster österreichischer Herzog zum römischen Kaiser gewählt. Seine Krönung war die letzte Kaiserkrönung, die in Rom stattfand. Obwohl er den Schweizer Eidgenossen (1442-1444) unterlag, legte Friedrich doch die Grundlage für die habsburgische Großmacht, insbesondere durch die Verheiratung seines Sohnes Maximilian mit der Erbin von Burgund. Von seinem Bruder, Albrecht VI., dem österreichischen und steirischen Adel, den Türken, den Ungarn, ja sogar den Wienern bekämpft, musste er Wien zwischen 1482 und 1490 an Matthias Corvinus abgeben.

Drei Jahre vor seinem Tod (am 19. 8. 1493 in Linz) übergab er die Regierungsgeschäfte an seinen Sohn Maximilian, um sich naturwissenschaftlichen Forschungen zu widmen. Alphons Lhotsky weist zunächst nach, daß AEIOU nicht ein bewusstes Kürzel für den Großmachtanspruch des Hauses Habsburg gewesen sein kann, vor allem deshalb, weil der Schriftzug bei Friedrich schon vorkommt, bevor er noch zum König erwählt wurde, während er unter seinem erfolgreichen Sohn Maximilian nicht mehr auftritt.

Das Motto AEIOU tritt uns an vielen Gebäuden entgegen, so an der Bürgerspitalskircheund an der Stadtpfarrkirche von Krems, in der Burg, an der Georgskapelle und im Dom zu Wiener Neustadt, an der Grazer Burg und am Grazer Dom, an der Ruprechtskirche in Wien sowie in den Überresten der Linzer Burg, am sogenannten Friedrichstor von 1481.

Der Wiener Neustädter Altar in der Wiener Stephanskirche trägt die Buchstabenfolge datiert mit 1447. Auf Bildern erscheint sie kaum, dafür etwas später auf Münzen. Das Motto ziert den "Corvinusbecher" von 1462 im Museum von Wiener Neustadt und einen Kristallbecher in der Ambraser Sammlung, wo sich über den fünf Vokalen die Worte "Aquila Ejus Iuste Omnia Vincet" finden.

Unzählige Male hat Friedrich III. sein Motto handschriftlich (in Kleinbuchstaben und mit charakteristischer Schlinge) in Bücher und Schriften eingetragen, zum ersten Mal nach seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land, als sich der damals 22jährige am 27. April 1437 ein persönliches Notizbuch anlegte. Zwar hat zu seinen Lebzeiten die ganze Welt von der Marotte Friedrichs gewusst, überall - bis hin zu einem Denkstein in Santa Maria dell'Anima in Rom - sein Zeichen anbringen zu lassen, aber niemand fand je wirklich heraus, was sich der Kaiser selbst dabei gedacht hat. Gerade das aber wird der Grund dafür sein, dass es bis zum heutigen Tag unzählige ernste, zum Teil auch humorvolle, ja sogar geschmacklose Deutungen dieser sogenannten "Staatsdevise" gibt. Lhotsky widerlegt alle Versuche, eine authentische Deutung durch Friedrich III. selbst nachzuweisen, ja, er vermutet, dass die wirkliche Devise des Kaisers vielmehr eine urösterreichische Weisheit war: "Rerum irrecuperabilium felix oblivio". Dieser Spruch ("Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist") findet sich an einer Wand im Hof im alten Schloss von Laxenburg. Links oben die Buchstabenfolge in Friedrichs Monogramm.

Wandtafel im Schloss Laxenburg - Foto: P. Diem
Wandtafel im Schloss Laxenburg - Foto: P. Diem
Monogramm Friedrich III.
Monogramm Friedrich III.
Wappen MilAk
Wappen der Theresianischen Militärakademie
Bei der weiteren Suche nach einer Erklärung streift Lhotsky die Möglichkeit eines aus Venedig stammenden Geheimschriftsystems, um dann zur Buchstaben- und Zahlenmystik überzugehen: Friedrich könnte bei einem Aufenthalt in der Levante (1437) zu seinem meist orientalisch verzierten "Motto" inspiriert worden sein. Es scheint sogar eine gewisse Ratlosigkeit beim Kaiser selbst darüber existiert zu haben, was sein Motto alles bedeuten könnte; jedenfalls aber hatte er den Wunsch, die Bedeutung selbst zu variieren. Auch Friedrichs Vorliebe für wertvolle Edelsteine, die nach der Überlieferung erst dann ihre Kraft entfalteten, wenn sie mit einer Buchstabenfolge wie AEIOU versehen wurden, bietet eine mögliche Erklärung für den häufigen Gebrauch des Mottos.

Der Schriftzug AEIOU findet sich sogar auf einem Mammutknochen, der 1443 bei der Grundaushebung für den Nordturm der Stephanskirche gefunden und am Riesentor von St. Stephan senkrecht aufgehängt wurde.

Aus dem Buch 'Mein Österreich, mein Heimatland, 1915'
Aus dem Buch "Mein Österreich, mein Heimatland, 1915"
Die Mammutknochen vom Riesentor
Die Mammutknochen vom Riesentor - Mit freundlicher Genehmigung des Instituts für Paläontologie der Universität Wien


aeiou
aeiou am Wiener Neustädter Altar im Stephansdom - Wikipedia/beyondarts.at

Die Überschätzung von AEIOU als einer politischen Devise geht auf Petrus Lambeck (1666) zurück. Heißt das, dass das Buchstaben-Motto keinerlei Züge einer "Staatsdevise" trägt? Lhotsky schließt einen gewissen Bezug zu Österreich nicht aus, da sich dieser ja zumindestens aus der Anbringung des Spruchbandes mit AEIOU auf der Grabplatte Friedrichs nächst Reichsadler und altösterreichischem Fünfadlerwappen ergibt.

AEIOU - aus: WikiCommons , gemeinfrei
AEIOU - aus: WikiCommons, gemeinfrei

Der Schriftzug AEIOU ist besonders schön erhalten über dem Reichwappen in Friedrichs "Handregistratur", einer Art Staatslexikon aus dem Jahr 1446 - ebenfalls ein Hinweis auf eine Verbindung des Mottos mit dem Schicksal Österreichs. In jüngster Zeit hat sich Henriette Peters ausführlich mit den möglichen Ursprüngen der berühmten Buchstabenfolge beschäftigt.

--> Henriette Peters, aeiou. Versuch einer Deutung. In: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte. Wiener Diözesanblatt, 34. Jg., Nr. 2, 22-25(mit zahlreichen Literaturangaben)

Im Zusammenhang mit astronomischen Überlegungen und durch Vergleiche mit kabbalistischen Zahlen- und Buchstabenkombinationen geht die Autorin verschiedene Möglichkeiten durch. Diese reichen von der Ähnlichkeit zwischen dem Namen Salomon (Friedensfürst) und Friedrich (der Friedensreiche) bis zu einer vergleichenden Deutung der Geburtsdaten Friedrichs III. und Rudolf IV., des Stifters, seines großen Vorbilds. So wie dieser das Patrozinium für die Stephanskirche ("darin wir unsere Grablege erwählt haben") nach seinem Geburtstag, dem Allerheiligentag des Jahres 1339, bestimmte, könnte Friedrich III. aus Berechnungen nach seinem Geburtsdatum (21. September 1415) ein verschlüsseltes Besitzzeichen abgeleitet haben. Denn wie die fünf ausgestreckten Finger einer Hand als Abwehrzeichen gelten können, so ist die wohl wahrscheinlichste Erklärung für die fünf Vokale jene, die AEIOU als "abergläubisches Besitzzeichen" interpretiert. Das geht nicht zuletzt aus den Worten Friedrichs III. selbst hervor, wenn er auf der ersten Seite seines oben erwähnten Notizbuchs schreibt:

Bei welchem Bau oder auf welchem Silbergeschirr oder Kirchengewand oder anderen Gegenständen der Strich und die fünf Buchstaben stehen, das ist mein, Herzog Friedrichs des Jüngeren, gewesen oder hab das selbst bauen oder machen lassen.

Interessant ist die Verwendung des "AEIOU" auf einer Steinplatte, die vor der Westmauer des Stephansdoms zur Erklärung des Widerstandssymbols "O5", das dort eingraviert ist, dient.

O5
Das Symbol des Widerstands

O5
Erklärende Steinplatte im Boden

Lhotsky nennt über dreihundert verschiedene Deutungen, die bereits ab dem 16. Jahrhundert in Sammlungen (z. B. Johannes Rasch, Wien 1584) erscheinen.

Hier eine kleine Auswahl:

Griechisch: AEI OY - von der "Österreichischen Nationalenzyklopädie" (1837) mit der laut Lhotsky unsinnigen Deutung "ewig währt nichts" versehen.

Lateinisch:

Amici erunt ibi opes ubi.
Alauda egregia inter oscines volucres.
Aquila eius iuste omnia vincet.
Aquila est imperatrix orbis vasti.
Aquila excellit inter omnes volucres.
Aquilae est imperium orbis universi.
Artes extollit imperator optimus universas.
Augustus est iustitiae optimus vindex.
Austria eriget imperium occidentis universi.
Austria erit in orbe ultima.
Austriae erunt imperatores orbis Ultimi.
Austria est imperare orbi universo.
Austria est imperium optime unita.
Austria extenditur in orbem Universum.
Austriaca erunt imperii Ottomanici victores.
Austriam exaltat invictam orbis universus
(P. Dassonville S. J. im Jahre 1934).

Deutsch:

a) Ernsthafte Deutungsversuche
Adler erhebe jetzt Österreich überall.
Aller Ehren ist Österreich voll.
Aller Einigkeit ist Österreichs Unsterblichkeit.
Alles Erdreich ist Österreich Untertan.
Alles Errungene ist Österreich verbürgt.
Auf Erden ist Österreich unsterblich.

Johann Gabriel Seidl hat das AEIOU gekonnt paraphrasiert, wenn er die Kaiserhymne „Gott erhalte" in ihrer vierten Strophe mit den Zeilen enden lässt: "Heil dem Kaiser, Heil dem Lande: Österreich wird ewig steh'n!"

b) Humorvolle bis schmähende Deutungen:
Aerarisches Essen ist oft ungenießbar (Witzwort der Militärakademie, 1911).
Allerlei Erdreich ist Österreichs Unglück („Turnvater" Jahn).
Allen Ernstes ist Österreich unersetzlich (Willy Lorenz).
Allzu ernst ist Österreich ungemäß (Kabarett, 1963).
Am End' is' ollas umasunst (fünfziger Jahre, p. d.).

Dazu das Witzwort: "In welcher österreichischen Stadt kommen alle Vokale in ihrer richtigen Reihenfolge vor?" Lösung: Leoben (steirisch: „La-e-i-o-ubn") (vom Verfasser aufgeschnappt).

Ein typisches Beispiel für die Verwendung in heutiger Zeit: Anlässlich der Diffamierung von Gastarbeitern meinte Reinhard Tramontana im "profil" (Nr. 50 vom 9. 12.1986): (vielleicht ist Österreich wenigstens kleinweise davor zu retten), dass das austria est in orbe ultima gleichgesetzt wird mit: Österreich ist doch wirklich das letzte auf der Welt.

Weitaus freundlicher geht Ernst Trost mit dem Kürzel um, wenn er bei Dreharbeiten für einen Film über die Habsburger ein paar Tage nach dem Vertragsentwurf von Brüssel folgende Deutung findet: "Außerhalb Europas ist Österreich undenkbar."

--> Ernst Trost, A. E. I. O.U. In: Neue Kronen Zeitung, 6. 3. 1994, Seite 2

Leider ist dieses ehrgeizige politische Programm zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht realisiert worden - im Gegenteil: statt sich in friedlicher Föderation über die Sprachgrenzen hinaus zu vereinen, riss man die Doppelmonarchie durch einen mörderischen Krieg vollends auseinander.

--> Richard von Kralik (1852-1934), der bedeutende österreichische Kulturhistoriker, beendete 1913 sein Buch „Österreichische Geschichte" mit folgender Interpretation von AEIOU:

Das AEIOU des nüchternsten aller österreichischen Herrscher ist nicht verträumte Phantastik, es ist das nüchternste politische Programm. Österreich ist der einzige Großstaat auf der Erde, der seit Jahrhunderten die Aufgabe hat, verschiedenartige, verschiedensprachige Völker unter einer zusammenfassenden Rechtsform zu vereinigen. Diese österreichische Aufgabe ist vorbildlich für die zukünftige Entwicklung der ganzen Welt...

Die fortdauernde, ein wenig magisch-mystische Wirkung des AEIOU bekräftigt auch Fritz Molden, wenn er schreibt:

Dieses AEIOU aber - das Friedrich wahrscheinlich gerade in seinen schwersten Tagen geprägt hat, gleichsam als Beweis für die Unbesiegbarkeit Österreichs oder als ständige Erinnerung, auch in besonders trostlosen Augenblicken, an seine ewige Funktion, die in den Augen Friedrichs III. unauslöschbar und weltumfassend war -, dieses AEIOU ist geblieben, und im Grunde genommen ist es auch heute noch das Geheimzeichen, das sich jene, die an Österreich glauben, wie ein Codewort zuwerfen.

--> Fritz Molden, Die Österreicher oder die Macht der Geschichte, München, 1987, 67

--> Hermann Möcker, Das "große" Monogramm von Friedrich III.

--> Sedlacek in der Wiener Zeitung}

Eine tolle Zusammenstellung! Danke! HM