ERNST KARL WINTER 1895-1959 Es gibt nur wenige, dafür aber entscheidende Dinge im menschlichen Leben, die es der Nichtigkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen entrücken und mit einem überzeitlichen Wert in Verbindung bringen können, von dem her das menschliche Dasein einen Glanz empfängt, den kein äußerer Prunk dieser Welt ersetzen kann. Zu diesen wenigen Wirklichkeiten zählt die Familie, in deren Rahmen sich der Mensch in der Regel entfaltet und fortsetzt; die geistige Schöpferkraft, die den Menschen zu Leistungen befähigt, welche Spuren seiner Erdentage hinterlassen und unvollendete Ahnungen einer vollendeteren Gestalt der Dinge sind, als sie uns hienieden beschieden sind. Schließlich aber zählt auch die Bereitschaft zur Hingabe an eine Idee oder Aufgabe, in denen sich das Individuum erfüllt und verausgabt, zu diesen zeichenhaften, auf ein höheres Leben verweisenden Phänomene unseres Daseins. Denn woraus, wenn nicht aus einer anderen und höheren Welt, einem tieferen und reicheren Leben, sollte die Kraft kommen, die es Menschen gestattet, sich über die Unmittelbarkeit der sinnlichen und alltäglichen Antriebe zu erheben und sich einer Sache, deren Erfolg sie nicht sicher sein können und die ihr Verständnis übersteigt, zuzuwenden? Wenn die Sinnlosigkeit des Nichts die letzte Wirklichkeit wäre, woher nähme der Mensch dann den Mut, auf einen verborgenen Sinn hin zu leben und die sich aufdrängenden Motivationen in Richtung auf etwas Vollkommeneres hin zu überwinden? Gibt es auf der einen Seite reine Triebmenschen und Augenblicksgeschöpfe, die die Bewährung auf allen drei Ebenen überpersonaler Verwirklichung meiden oder verfehlen, so gibt es umgekehrt begnadete Erscheinungen des Menschentums, in denen alle Möglichkeiten gesteigerten Menschseins - familiäre Erweiterung der eigenen Existenz, Schöpfertum und opferfreudige Hingabe an eine Lebensaufgabe - zum Erklingen kommen und sich zu einer gewaltigen, schichsalsschweren Lebenssymphonie verbinden. Nicht selten ist eine solche umfassende Berufung und Begnadung allerdings auch mit harten Belastungen und anhaltenden Widrigkeiten verknüpft, ja in untrennbarer Kausalität an sie geknüpft. Die Höhenflüge des Geistes und der Erhebung zu den Sternen sind mit einer unentrinnbaren providentiellen und existentiellen Logik an das Erlebnis der Tiefen und Nachtseiten der Wirklichkeit gebunden. Der Mann, von dem im folgenden die Rede sein soll, hat diese Wahrheit, die sich aus den Biographien unzähliger Gestalter und Künder großer Dinge ablesen läßt, nicht nur im eigenen Leben erfahren, sondern als gläubiger Mensch auch als Gesetz einer geheimnisvollen Gnadenordnung bejaht. Diese läßt Leid und Verklärung einander bedingen und durchdringen und behält die Krone des Lebens jenen vor, die den guten Kampf, von dem der heilige Paulus spricht, bis zum Ende kämpfen. Ernst Karl Winter, der am 1. September 1895 als einziges Kind einer Wiener Bürgerfamilie geboren wurde, ließ schon frühzeitig erkennen, daß er aus einen besonderen Stoff gemacht war und daß er sich bereit zeigte, seine Überzeugung konsequent über alles andere zu stellen. Der begeisterte Großösterreicher und Verehrer des habsburgischen Herrscherhauses, der als Einjährig-Freiwilliger nach Vollendung seines Mittelschulstudiums zum Landesschützenregiment Nr. 2 einrückte und nach Bozen kommandiert wurde, bewährte und verteidigte sein Österreichertum in zahlreichen Diskussionen mit Kriegskameraden, die zum Großteil im Banne der deutschnationalen Ideologie standen. Er berichtet darüber in den autobiographischen Aufzeichnungen, die in dem 1956 erschienenen Buch „Christentum und Zivilisation“ - auch sonst einer Fundgrube Winterschen Denkens - enthalten sind. Winter stand jedoch nicht nur in dieser Frage, die seine ganze weitere Entwicklung bestimmen und beherrschen sollte, im Gegensatz zu vorherrschenden Traditionen und Vorurteilen. Als aktiver Katholik, der sein Bekenntnis nicht vom Elternhaus tradiert erhalten hatte und es nicht als konventionelles Beiwerk, sondern als zentralen Inhalt seines Lebens und Wirkens empfand, lehnte er auch das Duell ab. Dieses bildete damals, obwohl es im Widerspruch zum staatlichen Strafgesetz und zum kirchlichen Gebot stand, doch einen integrierenden Bestandteil des Ehrenkodex der Offiziere. Winter, der sich weigerte, die im Rahmen einer provozierten Ehrenaffäre an ihn ergangene Herausforderung zum Zweikampf anzunehmen, wurde mit Kasernenarrest bestraft, der Befähigung zur Beförderung zum Reserveoffizier beraubt und an die ostgalizische Front versetzt. Bis zum Ende des Krieges wurde Winter - ungeachtet des von Kaiser Karl ausgesprochenen Duellverbots, das jedoch am Ehrencodex der Offiziere abprallte -die Offizierscharge verweigert. Bereits in diesem ersten spektakulären Zusammenprall mit einer fremden Außenwelt offenbarte sich ein Wesenszug Ernst Karl Winters, dem er bis zur Selbstverleugnung und trotz aller Bitterkeiten, die er mit sich brachte, treu blieb: die Entschlossenheit, dem eigenen Gewissen ohne Rücksicht auf Folgen und ohne Konzessionen an die zum Konformismus drängende Umgebung zu folgen und sich darin von nichts und niemandem beirren zu lassen. Dabei war Ernst Karl Winter von einem finsteren und sektiererischen Fanatismus, wie er vielen Schwarmgeistern und Irrlichtern anhaftet, weit entfernt und auch durchaus frei von jenem masochistischen Hang zur Selbstzerstörung, der ebenfalls nicht selten mit der konsequenten Verfolgung eines Gedankens einhergeht. Doch Winter war kein Fanatiker und Querulant, der einen - wenn auch richtigen und berechtigten -Grundgedanken zu Tode ritt und in grotesker Überschätzung der immer nur partikulären eigenen Sicht verabsolutierte. Er war kein Michael Kohlhaas und kein Don Quichotte, sondern ein Mann, der aus der unerschöpflichen Fülle eines geistigen Kosmos heraus lebte und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, Spreu von Weizen zu sondern wußte. Dort aber, wo er die Überzeugung hatte, daß letzte Werte auf dem Spiel standen, kannte er keinen Pardon, weder gegenüber anderen noch gegen sich selbst. Er lebte als freier Schriftsteller und Haupt einer im Laufe der Zeit auf zehn Köpfe anwachsenden Familie ein Heldenleben. Er fand inmitten äußerster Entbehrungen die Kraft, den Mächten der Zeit zu trotzen und die Sanktionen dafür ohne Murren, ja mit Gelassenheit und heiterer Selbstverständlichkeit auf sich zu nehmen, gestärkt durch den Rückhalt, den ihm seine Familie, und die spirituelle Hilfe, die ihm sein Glauben boten. Er versagte der Macht den Kniefall, den sie gerade von seiten des Geistes wünscht, um sich nicht beunruhigt und in geheimen Zweifeln an der eigenen Sache bestärkt fühlen zu müssen. Dieser Einsatz bleibt auch dort bewunderswert, wo er in Zusammenhängen und im Dienste von Anliegen geleistet wurde, die im Rückblick historisch überlebt erscheinen und es wohl auch schon zu ihrer Zeit waren. Nicht immer hält - wie im Falle des Kampfes gegen das Duell, in dem Winter dem aktuellen Bewußtsein seiner Standesgenossen voraus war -Winters Engagement der historischen Kritik stand. Doch auch dort, wo die Zeitgenossen und die Nachwelt Winter nicht zu folgen vermochten und vermögen, kann nicht nur der Mut dieses „unbedingten Menschen“ im Sinne der Existenzanalyse Viktor Frankls bewundert, sondern auch der positive sachliche Gehalt, der sich inmitten einer historischen Fehleinschätzung manifestierte, freigelegt und gewürdigt werden. So befremdet uns bewußte Republikaner von heute, daß Winter, für den der Zusammenbruch des Donaureiches auch der Zusammenbruch seiner persönlichen Hoffnungen, ja seiner inspirierenden Lebenswirklichkeit war, die Republik Deutsch-Österreich - nicht bloß deshalb, weil sie ihrem Selbstverständnis nach deutsch, sondern auch schon deshalb, weil sie Republik war - aus tiefster Seele ablehnte und allzu lange in einer nostalgischen Beschwörung des unwiderruflich Vergangenen verharrte. Doch so wenig wir den Legitimismus Ernst Karl Winters, der seine bis 1938 unerschütterte politische Überzeugung blieb, positiv gegenüberstehen können, so sehr begreifen wir Heutige nach den leidvollen Erfahrungen der Geschichte und angesichts des Schicksals unserer Nachbarländer, besonders der Tschechoslowakei, daß hier auch etwas anderes, was bejaht werden konnte und kann, gemeint war. In dem Schmerz über den Untergang des alten Österreich kam nicht nur blinde Anhänglichkeit zum Ausdruck, sondern auch echte Sorge um die Fortentwicklung Österreichs nach dem Zerbrechen der großen, bergenden Einheit des habsburgischen Vielvölkerstaates. Wenn der Sozialdemokrat Karl Renner, der berufen sein sollte, den republikanischen Staat aus der Taufe zu heben und in eine neue Zukunft zu führen, dem alten Österreich bis an den Rand dessen Grabes die Treue hielt, können wir es dem seit jeher von der Romantik beeinflußten, mit allen Fasern seines Herzens dem Bezugssystem der Habsburgermonarchie verhafteten Ernst Karl Winter nicht verargen, daß für ihn diese auch über das Grab hinaus Geltung hatte. Renner und Winter, die bei aller Unterschiedlichkeit ihres Denkens und ihrer politischen Position ohne Bestehen privater Kontakte doch viel gemeinsam hatten und vorwegnahmen, was erst im Österreich der Zweiten Republik Früchte tragen sollte, waren auch in der Überzeugung einig, daß die Zerstörung des alten Österreich im Mitteleuropa ein Vakuum hinterlassen und ein Gefährdungsmoment von verhängnisvoller Tragweite schaffen würde. Ernst Karl Winter mußte diese Sorge besonders intensiv erleben, da er im Gegensatz zu Renner und anderen Führern der österreichischen Sozialdemokratie, aber auch im Gegensatz zu den vorherrschenden Tendenzen seiner Gesinnungsgemeinschaft, die Lösung der durch die selbständige Existenz Österreichs geschaffenen Probleme durchaus nicht im Anschluß an Deutschland erblickte. Im Gegenteil: Er lehnte diesen Anschluß von allem Anfang als Denaturierung des Österreichischen und der spezifischen Idee, die für ihn mit dem alten Reich verbunden war und blieb, ab. Diese dem herrschenden Deutschnationalismus und der offiziellen Anschlußideologie zuwiderlaufende Haltung Ernst Karl Winters kam im Österreich der Ersten Republik einer gesellschaftlichen Isolierung und Verfemung, zumal in den akademischen Kreisen, in denen Winter Fuß fassen wollte, gleich. Er bejahte seine Treue zu einem Österreich, das noch unterwegs war und noch nicht zur Bejahung seiner Lebensfähigkeit und Selbständigkeit gefunden hatte, mit der Versagung der akademischen Lehrbefähigung, die damals wie heute mitunter auch an außerwissenschaftliche Voraussetzungen geknüpft ist. Wenn Ernst Karl Winter in der historischen Einschätzung in der Frage Monarchie oder Republik mit seiner Parteinahme für die Monarchie auch irrte und zu lange auf seiten der historischen Verlierer verharrte, so war er in der Frage der Selbständigkeit Österreichs und der Ablehnung der Konzeption des „zweiten deutschen Staates“, die der Kapitulation vor Hitler den Weg ebnete, seiner Zeit voraus. Diese frühe Einsicht in die notwendige Emanzipation Österreichs von Deutschland wiegt den Irrtum der Fehleinschätzung in der Frage der Staatsform nicht nur reichlich auf, sondern läßt ihn historisch in einem ganz anderen Lichte erscheinen. Denn auch der letzte Versuch Winters, die habsburgische Restauration ins Spiel zu bringen, die Schaffung seiner „Österreichischen Volksfront“ auf legitimistischer Basis, stand im Zeichen der breiten Abwehr des deutschen Nationalsozialismus, als vermeintlich letzte Trumpfkarte zur Rettung Österreichs vor der drohenden Überwältigung durch Hitler-Deutschland. Freilich stach diese Karte aus vielen Gründen, die Winter später auch durchaus einsah, nicht, aber es war immerhin ein Versuch, die Kräfte des Widerstandes zu mobilisieren, während andere diese Kräfte zerstreuten und ihren wirksamen Einsatz verunmöglichten. Die Ablehnung der Republik, die bei Winter nicht Ausdruck eines sozialen Ressentiments, sondern Ausfluß seines konservativen, auf Kontinuität bedachten Ordnungsdenkens war, hinderte ihn keineswegs daran, die Entwicklung Österreichs durchaus richtig zu beurteilen und in vieler Hinsicht seiner Zeit vorauszueilen. Ja die Tatsache, daß Winter im monarchischen Restaurationsdenken befangen war, läßt den Wert und das Verdienst der richtigen Einschätzung, die von der Geschichte eine Bestätigung erfahren haben, nur steigen. Obwohl die Republik für ihn ein fremder Boden war, zog er daraus nicht den Schluß der Feindseligkeit bis zur Vernichtung, den viele, die ein Lippenbekenntnis zu dieser Republik ablegten, innerlich und sehr bald auch äußerlich aus ihrem Mißvergnügen an dieser Republik zogen. Vor allem verkannte Winter nicht, sondern anerkannte und bejahte im höchsten Maße, daß sich im Rahmen dieser Republik unter kräftiger Nachhilfe der regierenden Sozialdemokratie ein soziales Nachziehverfahren in Form der bahnbrechenden und bis heute überregional vorbildlichen sozialpolitischen Gesetzgebung vollzog. Winters Anhänglichkeit an das alte Österreich war nicht identisch mit dem der groß- und kleinbürgerlichen Schichten, die sich durch den Zusammenbruch des alten Österreich um ihren Besitz und ihr soziales Prestige gebracht sahen und ihren Niedergang in kausalen Zusammenhang mit dem parallelen bescheidenen Aufstieg der Arbeiterschaft brachten. Im Gegenteil: Ernst Karl Winter war, Sozialreformer im Geiste des Freiherrn von Vogelsang und des christlich-sozialen Dissidenten Anton Orel, seit jeher für eine Lösung der sozialen Frage, die mehr als bloße Caritas sein mußte, eingetreten. Er war der Meinung, daß diese Emanzipationsbewegung des Proletariats, für die es in den Schutzbestimmungen zugunsten der arbeitenden Menschen, die noch im Habsburgerstaat erlassen wurden, so dem Kündigungsschutz und Preisstopp Kaiser Karls zugunsten der Mieter, Ansatzpunkte und Anknüpfungsmöglichkeiten gab, auch unter monarchischen Vorzeichen gute Fortschritte hätte machen können und müssen: er nahm sie aber auch unter republikanischen Vorzeichen als Fortschritt zur Kenntnis und ließ sie nicht in der Verurteilung der Republik untergehen, ja er wollte sie in eine monarchische Restauration einbringen. Ebenso bejahte Winter die Demokratie und den Rechtsstaat als wertvolle Errungenschaft, die ebenfalls schon in die Zeit des Habsburgerstaates zurückreichten und von der Republik nur übernommen und angereichert wurden. Winter verstand Demokratie und Rechtsstaat aber auch nicht bloß als formale Prinzipien der staatlichen Ordnung, sondern als Formen, deren historische Effektivität mit einem bestimmten Inhalt verbunden und von diesem nicht trennbar ist. Für das Österreich der Zwischenkriegszeit war dieser historische Inhalt, den Winter als Aufgabe vorgezeichnet sah, der aber mangels gleichlautender Einsicht bei den politisch Verantwortlichen von diesen verfehlt und verspielt wurde, die Herstellung einer Kooperation zwischen der politischen Rechten und der politischen Linken, zwischen Konservativismus und Sozialismus. Er erblickte in einer Form der Zusammenarbeit zwischen diesen staatstragenden politischen Ideen und Kräften die Garantie dafür, daß dieser Staat nicht ständig einer inneren Zerreißprobe ausgesetzt und dann um so leichter die Beute eines stärkeren, äußeren Feindes werden würde. Er teilte weder die Verblendung seiner konservativen Gesinnungsfreunde, für die der Feind jedenfalls links stand, sondern verkündete schon ihm Rahmen der 1927 publizierten programmatischen „Österreichischen Aktion“ sein Motto: __*„Rechts zu stehen und links zu denken, das heißt in der Tradition zu wurzeln und doch den Bedürfnissen und Forderungen der Zeit, so links sie scheinbar sind, im Namen der Tradition Rechnung zu tragen.“__ Noch aber teilte Winter die Verblendung Otto Bauers, der allzu lange im Banne der Vorstellung stand, daß die Alternative, auf die sich die Entwicklung hinbewege, Kapitalismus oder Sozialismus laute. Aus dieser falschen Sicht ließ Otto Bauer die Möglichkeit zur Verständigung, die trotz des mangelnden guten Willens seiner konservativen politischen Gegenspieler immerhin noch gegeben waren und herauszuholen gewesen wären, ungenützt. Als er später erkennen mußte, daß die Alternative nicht Kapitalismus oder Sozialismus, sondern bürgerlicher Rechtsstaat oder Faschismus laute, meinte er, das Unheil durch ständige Nachgiebigkeit, ja zum Schluß durch totalen Ausverkauf aufhalten zu können. In diesem Stadium aber wäre nun mehr das Ernstmachen mit den stets im Wege der revolutionären Phrase ergangenen Drohungen imstande gewesen, Dollfuß zum Einlenken zu bewegen und noch rechtzeitig die Ehre der Partei, die verzweifelte Schutzbündler am 12. Februar stellvertretend und verspätet in aussichtslosem Alleingang wahrnahmen, zu wahren. In gewissem Sinne wurden sowohl Otto Bauer als auch Kurt Schuschnigg, die jeweils auf ihre Art und in ihrem Koordinatensystem alle Warnungen in den Wind schlugen und der Katastrophe entgegentrieben, nicht bloß die Opfer äußerer Mächte, sondern auch ihrer eigenen verfehlten Politik. Die Verurteilung, die Ernst Karl Winter der Politik Otto Bauers, den er persönlich gut kannte, ja freundschaftlich schätzte, nachträglich zuteil werden ließ, wiegt um so schwerer, als sie nicht nur persönlicher Sympathie abgerungen wurde, sondern auch den Vorwurf der kampflosen Preisgabe eines Terrains enthielt und besiegelte, das Bauer als Republikaner und Sozialisten viel teurer und wichtiger gewesen sein mußte als dem Monarchisten und Konservativen Winter. Wer kann sich im Lichte der späteren Entwicklung der Logik der Ausführungen entziehen, die Ernst Karl Winter am 20. Mai 1934, also nach der Katastrophe des 12. Februar, in den „Wiener Politischen Blättern“, einer in freier Folge von 1933 bis zum behördlichen Verbot im Herbst 1936 von Winter in Eigenregie herausgegebenen Zeitschrift, die eine Fundgrube für den Zeitgeschichtler darstellt, an die Adresse Otto Bauers richtete: „Wenn der 7. März tatsächlich eine Rechtsverletzung durch die Regierung war, wie die Sozialdemokratie annahm, und ich mit ihr, dann konnte keine noch so schwerwiegende politische Überlegung, keine noch so berechtigte Hoffnung auf nachfolgende Verhandlungen und auf eine dadurch mögliche Entspannung der Lage, keine Furcht vor der Flankenstellung des Nationalsozialismus eine Partei des Rechtes davon dispensieren, das alte Widerstandsrecht in Anspruch zu nehmen und dem Rechtsbruch von oben die Gehorsamsverweigerung von unten entgegenzusetzen. Dann hätte am 15. März 1933 geschehen müssen, was am 12. Februar nicht mehr geschehen konnte. Das tatsächliche Verhalten der Sozialdemokratie seit dem 7. März war jedoch ein gegenteiliges: es beinhaltete die schrittweise Duldung und faktische Anerkennung der Geschehnisse und entzog damit der sozialdemokratischen Führung nicht nur die psychologischen Voraussetzungen ihres späteren Widerstandes in den Massen, sondern es nahm ihr auch das sittliche Recht des Widerstandes, das entweder Zug um Zug ausgeübt werden muß oder überhaupt nicht mehr ausgeübt werden kann.“ Die Schuld für die Katastrophe des 12. Februar traf innerhalb der Partei die Führung, die die Daten des Verfassungsbruches - Heranziehung des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes als Grundlage der Regierungstätigkeit am 7. und Ausschaltung des Parlaments am 15. März - nicht als Verpflichtung zu Taten auffaßte und ihr Spiel mit der Geduld der Massen weitertrieb. Freilich kam es Winter nicht in den Sinn, diese Schuld auf dieselbe Stufe zu stellen wie die Schuld derer, die sich mit der Rechtsverletzung und dem Verfassungsbruch belastet und den Weg in das Unheil eröffnet hatten. Als einziger im christlichsozial-konservativen Lager erhob Ernst Karl Winter seine Stimme gegen den Verfassungsbruch, den Dollfuß unter Berufung auf die angebliche „Selbstausschaltung des Parlamentes“ vornahm, die in Wahrheit nur eine Panne der parlamentarischen Geschäftsordnung und des nach ihr ablaufenden Getriebes war, die bei gutem Willen leicht behebbar gewesen wäre. In einem am 10. März 1933 an den Bundespräsidenten Wilhelm Miklas gerichteten offenen Brief, den auch die „Arbeiterzeitung“ zum Abdruck brachte, appellierte Winter an Miklas, seine Autorität einzusetzen, daß der am 7. März beschrittene Weg, der sehr bald zur Konsequenz des 15. März führen sollte, als berittene Polizei das Zusammentreten des Parlamentes verhinderte, nicht fortgesetzt werde. Winters Worte legen nicht nur für seine unerhörte Zivilcourage, sondern auch für seine klare Einsicht in die Wurzeln der verhängnisvollen, ja verbrecherischen Fehlentscheidungen, die Dollfuß getroffen und Miklas hingenommen hatte, Zeugnis ab: „. . . Seit Seipels Ausscheiden aus der Politik ist dem politischen Katholizismus in Österreich die geschichtliche Aufgabe gestellt, den alten Kurs, der auf einem toten Punkt hält, zu liquidieren. Gewiß soll dies nur unter Aufrechterhaltung all dessen geschehen, was dieser Kurs wirklich Positives gebracht hat. Ich rechne dazu das Selbstbewußtsein der konservativen Bevölkerungskreise, nur daß ich nicht glauben kann, dies müsse notwendigerweise immer ein antimarxistisches sein. Vielmehr ist es die Aufgabe gerade derer, die sich ganz fest fühlen in ihrer konservativen Überzeugung (die weit absteht von allem Rechtsradikalismus), die tragfähigen Brücken hinüber zur Opposition zu suchen, durch die allein der Staat noch vor der Katastrophe bewahrt werden kann, denn längst hat sich dem unbefangenen, nicht in parteipolitische Vorurteile verstrickten Beobachter die Überzeugung aufdrängen müssen, daß nicht nur die christlichsoziale Partei, sondern auch die sozialdemokratische Partei vollen Anspruch darauf hat, vom Volk ebenso wie vom Bundespräsidenten als Staatspartei betrachtet zu werden . . . Von diesem Standpunkt, der allein Österreich relative Ruhe bringen kann, ist es ein gefährlicher Weg, den die Bundesregierung mit der Ausschaltung des Parlamentes betreten hat. Auf dieser Bahn zu verharren und die Brücken der Verständigung hochgezogen zu halten, heißt den Staat selbst gefährden. Österreich aber ist ein europäischer Staat, mehr als Deutschland. Was sich fernerhin in Potsdam ereignet, wird sich eher lokalisieren lassen, als was in Österreich geschieht. Ein österreichischer Bürgerkrieg, auch wenn sein vorläufiger Ausgang nicht zweifelhaft wäre, hätte eine ganz andere europäische Wirkung als der bürgerkriegsähnliche Terror, der heute in Deutschland herrscht und dem die deutsche Arbeiterklasse sich fügen muß, weil sie gespalten ist.“ Winters Warnungen und Beschwörungen, die er auch in einem zweiten Brief an Miklas vom 1. April 1933 bekräftigte und steigerte, indem er den Bundespräsidenten mit der verfassungsmäßigen „vollen und ganzen historischen Verantwortung“, die er trage, konfrontierte, verhallten ungehört, doch seine Prophezeiungen wurden traurige Wirklichkeit. Das autoritäre Regime Dollfuß-Schuschnigg setzte sich über die von Winter artikulierten und auch von prominenten Juristen geäußerten Bedenken hinweg und etablierte einen Ständestaat, der nicht den Weg der Verständigung mit der Linken wählte, sondern den Zweifrontenkampf gegen den „Marxismus“ und gegen den Nationalsozialismus fortsetzte. Die selbstmörderische Gleichsetzung von marxistischer Gefahr und nationalsozialistischer Bedrohung führte in der Praxis dazu, daß sich die Regierung des wertvollsten Bundesgenossen im Kampf gegen den Nationalsozialismus begab und daher auch das Gleichgewicht des Zweifrontenkampfes nicht durchhalten konnte, sondern sich dem von Hitler kommenden Druck schrittweise ergab, ja die Aufweichung der „Vaterländischen Front“ durch bewußte Nationalsozialisten geschehen ließ. Winter, der die Legitimität der ständestaatlichen Ordnung nicht minder bestritt als vordem die der Republik, stellte sich jedoch auch in diesem Falle, um Schlimmeres zu verhindern und Gutes wirken zu können, auf den Boden dieser Ordnung, ja er übernahm auf Ersuchen Dollfuß’, zu dessen Freunden er schon aus den Tagen des gemeinsamen Kriegsdienstes in Südtirol zählte, die Position des 2. Vizebürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien. Diese Position gab ihm die Möglichkeit, im Sinne seiner Überzeugung, die auf Versöhnung und Friedensschluß gerichtet war, zu wirken und die „Aktion Winter“ ins Leben zu rufen. Winter konnte im Rahmen dieser Aktion, die von seiten der Regierung als Geste der Beruhigung und als Ventil für gehäuften Unmut gedacht war, von ihm selbst aber als Möglichkeit zur Verwirklichung seiner Vorstellungen und zur Linderung von Not und Unrecht verstanden wurde, vieles erreichen, mußte aber umgekehrt auf vieles, was ihm als erreichbar vorschwebte, verzichten und durch sein Weitermachen hinnehmen. So geriet er, auf den die Seligsprechung der Friedensstifter in der Bergpredigt zutraf, gleichzeitig ins Zwielicht: Der Regierung gingen viele seiner Handlungen und Vorstellungen zu weit, den vom Unrecht des Dollfuß-Staates Betroffenen zu wenig weit. Ernst Karl Winter setzte seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel und konnte dies überhaupt nur tun, weil er sich durch seine Integrität und Unbeugsamkeit gegenüber allen Seiten in der Vergangenheit ein so großes Ansehen erworben hatte. Die Grenzen seiner Einflußmöglichkeit werden an einem Beispiel deutlich, das zugleich ein eminentes Stück österreichischer Geschichte und Tragödie ist. Winter versuchte, wie er in seinem Buch „Christentum und Zivilisation“ berichtet, am 24. Juli 1934 bei Dollfuß zu intervenieren, um die Hinrichtung des Schutzbündlers Josef Gerl, der nach dem Sprengstoffgesetz zum Tode verurteilt worden war, zu verhindern. Winter wurde von Dollfuß jedoch warten gelassen und erst zu einem Zeitpunkt vorgelassen, in dem die Hinrichtung bereits vollzogen war. Nichtsdestoweniger entwickelte sich zwischen Dollfuß und Winter ein Gespräch, das bis in die späte Nacht dauerte und zu einer Art mündlicher Bilanz des Dollfußschen Lebenswerkes werden sollte. Dollfuß ging nach dem Zeugnis Winters mehr als je zuvor aus sich heraus und legte ein Verhalten an den Tag, das als Ahnung seines gewaltsamen Todes am kommenden Tag verstanden werden konnte. Winter wurde so zum letzten Menschen, der mit Dollfuß ein Gespräch führte und ihn an die Folgen seiner Politik gemahnte. Wie schnell sollte die Nemesis der Hybris auf den Fuß folgen, wie bald sollte sich heraussteilen, daß Winter recht behalten hatte, wenn er verkündete, daß der Feind nicht links, sondern rechts steht und daß es aller gemeinsamen Anstrengungen wert gewesen wäre, ihn fernzuhalten und niederzuwerfen! Nach der Ermordung Dollfuß’ wurde nicht nur an der Liquidierung der Intentionen der „Aktion Winter“, die im Juni 1935 ihre Tätigkeit einstellen mußte, sondern in Konsequenz des einmal beschrittenen, von Schuschnigg nicht verlassenen, sondern in seiner Verkehrtheit noch gesteigerten Irrweges, an einem weiteren Abbruch der gegen den Nationalsozialismus errichteten Dämme gearbeitet. Schuschnigg glaubte, wie Otto Bauer gegenüber der autoritären Entwicklung, die Katastrophe durch immer größere Nachgiebigkeit gegenüber den Anmaßungen der in- und ausländischen Nazis aufhalten zu können, wo doch die ganze Weltgeschichte lehrt, daß man durch Einlenken gegenüber einem entschlossenen Aggressor nur einen Aufschub erwirkt, im übrigen aber seine Ausgangsposition in einem unvermeidlichen Kampf verschlechtert. Diese Fehleinschätzung von seiten Schuschniggs war nicht nur ein Zeichen dafür, daß er als militärischer Befehlshaber ebenso fehl am Platz war wie vor ihm Otto Bauer, sondern sie war auch eine Konsequenz seiner deutschnationalen Ideologie, seiner Vorstellung vom „zweiten deutschen Staat“. Die deutschnationale Ideologie war es, die Österreich längst zum Widerstand unfähig gemacht hatte, bevor es historisch in die Lage kam, die Solidarität mit dem deutschen Brudervolk durch die Kapitulation vor Hitler zu besiegeln. Winter erkannte die ganze Gefährlichkeit und bodenlose Naivität des von Schuschnigg 1936 mit dem nationalsozialistischen Deutschland geschlossenen „Juliabkommens“ und stellte den Zusammenhang mit den anderen entscheidenden Daten und Lebensfragen Österreichs her, wenn er damals aufführte: „Nach unserer Auffassung ist der 11. Juli 1936, falls es bei ihm bleibt, der entscheidendste Tag der österreichischen Geschichte seit dem 12. November 1918 . . . das österreichische Volk wird aus der politischen Apathie, in die es versunken ist, in den nächsten Monaten überraschend aufwachen. Die politischen Kräfte in diesem Land rüsten sich zum letzten Absprung . . . entweder finis Austriae, der Untergang Österreichs im Dritten Reich, oder eine nova creatura, eine Neuschöpfung Österreichs, durch die wir der Mittelpunkt des Weltkampfes gegen das Dritte Reich werden. Tertium non datur.“ Doch Schuschnigg setzte die Erfüllungs- und Befriedungspolitik fort, statt rechtzeitig die Gräben im Inneren des Landes zu überbrücken, die Sozialdemokratie zur Mobilisierung eines Massenwiderstandes gegen Hitler zu reaktivieren und zu gewinnen und so die inneren Voraussetzungen für die Abwehr nach außen zu schaffen. Statt dessen wartete Schuschnigg so lang, bis ihn Hitler am 12. Februar 1938 - welch eindringliche Erinnerung an die Früchte und Bezüge der eigenen Politik! - nach Berchtesgaden zitierte und mit der Gewalt, über deren Charakter sich Schuschnigg allzu lange Illusionen hingegeben hatte, konfrontierte. Die Rede Schuschniggs vom 24. Februar, die in dem Kampfruf „Rot-Weiß-Rot bis in den Tod!“ ausklang, täuschte zwar eine Entschlossenheit zum bewaffneten Widerstand vor, sollte aber, als es Ernst wurde, von der Formel, daß kein deutsches Blut vergossen werden dürfe, abgelöst und als leere Deklamation entlarvt werden. Winter wandte sich noch in letzter Stunde, am 7. März 1938 mit einer Denkschrift an Schuschnigg, der durch die Entlassung des Feldmarschalleutnant Jansa, der zum Widerstand entschlossen war, längst die Weichen in Richtung auf Kapitulation gestellt hatte. Winter wiederholte seine immer wieder erhobenen Forderungen nach Einbeziehung der sozialdemokratischen Arbeiterschaft in den Staat und in die Abwehrbewegung gegen den Nationalsozialismus und machte sich so zum Fürsprecher einer neuen Art von Restauration, nämlich einer Restauration der 1933 und 1934 gewaltsam verletzten und außer Kraft gesetzten Rechtsverhältnisse. Winter stellte die Parallelen zu Ereignissen 1933/34 her, Parallelen, die für den Ausgang der Sache, um die es hier ging, nichts Gutes erwarten ließen: „Wenn diese fundierte Abwehr, beruhend auf konsequenter und zäher Kleinarbeit, freilich nicht betätigt wird, dann wird das unabhängige Österreich alsbald gewesen sein, trotz aller Garantie Italiens, ja vielleicht gerade infolge dieser unverläßlichen Garantie. Das österreichische Regime befindet sich dann groteskerweise in derselben Situation wie die Sozialdemokratie 1933, die auch noch am letzten Parteitag den Schwur leistete: Rot bis in den Tod! Damals war Dollfuß in der glücklichen Rolle, in der Hitler sich heute befindet! Nach den Regeln formaler Taktik war es die große Leistung von Dollfuß, die linke Opposition Schritt für Schritt geschlagen zu haben, nicht in einer Entscheidungsschlacht, die hätte zweifelhaft sein können. Dollfuß hat einen zizerlweisen Staatsstreich gemacht, so daß die demokratische Opposition zuerst auf ihn wartete, dann aber plötzlich merkte, daß er schon vorbei war. Wenn das österreichische Regime die Idee der zizerlweisen Restauration verstanden hätte, wäre der 11. Juli 1936 ungefährlich geblieben. Hat Hitler die Idee des zizerlweisen Anschlusses nunmehr erfaßt? Wenn ja, dann ist das österreichische Regime in der tragischen Situation derer, denen es selbst 1933 dieselbe Situation bereitete. Wie damals die Führung der Sozialdemokratie den in Namen Gottes geleisteten Eiden auf die Verfassung vertraute, so vertraut heute das österreichische Regime auf die Eide seiner nationalsozialistischen Mitarbeiter und auf die Eide der nationalsozialistischen Elemente der Exekutive. Der Austromarxismus konnte 1933/34 nur mehr die Ehre retten, indem er endlich auf die Barrikaden stieg. Das österreichische Regime von heute hingegen hat noch eine letzte Möglichkeit, mehr zu tun als dies. Gewiß, es muß bereit sein, unter Umständen ebenfalls nur noch die Ehre zu retten, wissend, daß die Rettung der Ehre auch die Rettung der Zukunft sein kann. Aber noch immer kann man Österreich retten. Zwar wird Hitler ebensowenig sich versöhnen lassen wie Dollfuß! Den ehrlichen Frieden, den das österreichische Regime heute vergeblich von Hitler erwartet, hat es selbst seinerzeit den österreichischen Sozialdemokraten verweigert! Die Eide, die es heute von seinen nationalsozialistischen Mitarbeitern gehalten wünscht, hat es selbst den Sozialdemokraten gebrochen! Aber eben diese Sozialdemokraten von ehedem sind heute auf der ganzen Linie zur Verteidigung des Landes bereit. Darin liegt die Chance, die Österreich noch hat, die letzte Chance! Wenn es nicht gelingt, in vernünftiger Form, die der Situation entspricht, wiedergutzumachen, was 1933/34 an wertvollstem politischen Kapital zerstört wurde, dann ist Österreich verloren und Italien wird es im Ernstfall auch nicht retten.“ Winter führte in diesem Memorandum aus, daß militärischer Widerstand möglich und sinnvoll sei, selbst wenn Österreich in Ehren untergehen müsse. Aus historischer Perspektive ist Ernst Karl Winter und nicht Kurt Schuschnigg, der seine Entscheidung bis zu seinem Tod noch für richtig gehalten und verteidigt hat, Recht zu geben. Ganz abgesehen von der moralischen Erwägung, daß man für letzte Werte ohne Rücksicht auf den Erfolg einzustehen hat und daß sich der Erfolg überdies - wie der Fall des 12. Februar beweist - oft erst auf Umwegen und in einem späteren Zusammenhang einstellt, woran vor allem ein Christ denken und glauben mußte, wäre die Entscheidung für den Widerstand auch vom Standpunkt der absehbaren Wirkung aus die richtige und notwendige gewesen. Denn es ist gar nicht sicher, ob Hitler zum damaligen Zeitpunkt nicht vor einer gewaltsamen Eroberung zurückgeschreckt wäre, ob die kampflose Kapitulation Österreichs nicht jene Ermutigung war, die auch den Aggressionen gegen andere Länder Tür und Tor öffnete. Aber selbst wenn Österreich nach kurzem Widerstand, von den Weltmächten im Stich gelassen, ein Opfer Hitlers geworden wäre, wäre der Anschluß von der Weltmeinung ganz anders registriert worden, und es wäre wahrscheinlich nicht erst der Überfall auf Polen, sondern schon der auf die Tschechoslowakei zum casus belli geworden. Die ganze Weltgeschichte hätte unter Umständen einen anderen, die Leiden des Krieges abkürzenden Verlauf genommen. Außerdem hätte Österreich nach dem Hitler-Krieg einen ganz anderen Status als Siegermacht gehabt und wäre schon während des Krieges in der Lage gewesen, als handelndes Subjekt in Erscheinung zu treten. Doch Schuschnigg - hier im Unterschied zu Otto Bauer - machte von der Möglichkeit, das Land zu verlassen und eine Exilregierung zu gründen, keinen Gebrauch, was von einem politischen Standpunkt aus auch nur sinnvoll und nachdrücklich gewesen wäre, wenn er den Widerstand angeordnet und im Exil dessen Früchte für Österreich geerntet hätte. So aber entdeckte Schuschnigg seinen Pazifismus zu einer Zeit, da er für das ihm anvertraute Staatswesen lebensgefährlich war. Winter blieb es Vorbehalten, die Ursachen einer verfehlten Politik, deren endgültiges Scheitern nicht von ungefähr kam, aufzudecken und vor einer Fortsetzung des links wie rechts beschrittenen Weges zu warnen, ohne allerdings imstande zu sein, in die Speichen des Rades, das dem Abgrund zurollte, einzugreifen. Wenn es wahr ist, daß eine prophetische Persönlichkeit dadurch charakterisiert ist, daß sie alle und alles versteht, ohne selbst verstanden zu werden, so war Ernst Karl Winter eine prophetische Persönlichkeit, die in die Welt des Politischen hineinragte, ohne sie erlösen und vor ihren Irrwegen bewahren zu können, ohne aber auch durch sie an seiner Substanz Schaden zu nehmen. Wenn Ernst Karl Winter auf die Wurzeln der verhängnisvollen Politik, die im Untergang der Ersten Republik kulminierte, zurückging, hatte er nicht nur die deutschnationale Ideologie und die antisozialen Ressentiments des Bürgertums als für die Katastrophe verantwortlich aufzuzeigen, sondern auch die klerikale Version des Katholizismus, für die Seipel idealtypisch und repräsentativ zugleich war, einer kritischen Analyse zu unterziehen. In seinem ersten Brief an den Bundespräsidenten führte er aus, daß der von der „überragenden Persönlichkeit Seipels“ bestimmte innenpolitische Kurs seit 1920 ein „dem Gesamtinteresse des Staates widersprechender“ war. In seinem nachgelassenen Werk „Ignaz Seipel als dialektisches Problem , das Winter mit dem bezeichnenden Untertitel „Ein Beitrag zur Scholastikforschung“ versah und das 1966 veröffentlicht wurde, leitete er die Politik Ignaz Seipels, die nicht auf seine Person beschränkt blieb, sondern zum Leitmotiv klerikaler Politik wurde, aus der Seipelschen Personalunion von Priester und Staatsmann ab. Diese zwinge den Staatsmann, die Grundsätze des Priesters auf die Welt des Politischen zu übertragen, gleichzeitig aber die mit dem Priestertum verbundenen höheren Aufgaben der Staatsräson zu opfern. !!August Maria Knoll August Maria Knoll, in vieler Hinsicht ein Schüler und Nachdenker Ernst Karl Winters, hat in seiner durch persönliche Fühlung mit Seipel erleichterten und bereicherten Analyse des politischen Wirkens Seipels vier Kurse unterschieden: erstens den großösterreichischen Kurs, der am ehesten den Herzensbedürfnissen Seipels entsprach und ihn die Verzichtserklärung Kaiser Karls so stilisieren ließ, daß ein Rückweg in die Macht für den Kaiser offen blieb; zweitens den republikanischen Linkskurs der Nachkriegszeit; drittens den bürgerlich-kapitalistischen Kurs, der mit dem Genfer Sanierungswerk eingeleitet wurde; und viertens den Heimwehrkurs, der vom 15. Juli 1927 seinen Ausgang nahm. Der scheinbare Widerspruch zwischen diesen Kursen löst sich nach Knoll und Winter auf, wenn man sich vor Augen hält, daß Seipel in allen Stadien - wie er selbst von sich sagte - in erster Linie „ein Mann der Kirche“ war, der den wechselnden äußeren Ordnungen mit der Unbekümmertheit, aber auch Bedenkenlosigkeit des um ganz andere Belange Bemühten gegenübersteht. Das Scheitern der Seipelschen Politik im äußeren, aber auch im inneren priesterlichen Sinn war kein Zufall, sondern nach der Analyse Winters eine notwendige Folge einer mangelnden Differenzierung der Sphären, an denen Winter als homo politicus wie als Katholik und Laientheologe von Graden vital interessiert war. Gerade weil es Winter um die gedeihliche Entwicklung von Staat und Kirche, um die Durchsetzung des von Leo XIII. proklamierten Grundsatzes, daß Staat und Kirche societates perfectae mit je eigener Sendung und Gesetzlichkeit seien, ging, wehrte er sich gegen die von Seipel vorgelebte, kurzschlüssige Identifizierung und Verklammerung, gegen die postulierte Interesseneinheit von Staat und Kirche: „. . . Es ist aber auch von einem Standpunkt, der die letzte transzendentale Interesseneinheit dieser Art für denknotwendig hält, ein grotesker Kurzschluß, das heilsökonomische Interesse, das konkrete Menschen, Kinder ihrer Epoche, aussprechen, kurzerhand gleichzusetzen dem Kultur- und Staatsinteresse, anstatt gelassen, der Unbesiegbarkeit durch die Pforten der Hölle sicher, die Fernwirkung abzuwarten, die von dem Heil der Seelen übergeht auf die Werke der Kultur, selbst aber der diskrete Mittler im Hintergrund zu bleiben, dessen Funktion erfüllt ist, wenn sie sich selbst aufhebt oder erübrigt. An dieser Fehlinstradierung des heilsökonomischen Interesses selbst vom Standpunkt seines Primates liegt es, daß darin nicht nur der Staat zu Schaden kommt, dessen Urkraft hier verkannt wird, sondern auch die Seelen selbst, die doch zu betreuen wären, und daß daher, was als pastorále Akkomodation begann, nicht selten als kirchenpolitische Ranküne endet, und, was das Interesse der Seelen fördern sollte, am Ende das Interesse der Hierarchen bedeutet.“ Wenn August Maria Knoll in seinen letzten Werken der Kirche vorwarf, das klerikale Prinzip der Akkomodation nach außen zu projizieren und den Laien als Marschroute für ihren Gang durch die Weltgeschichte aufzuzwingen, so deckt sich das mit der Analyse Winters, die wohl die schärfste innerkatholische Auseinandersetzung mit Seipel darstellte. Das Spätwerk Knolls läßt sich denn auch als späte Hinwendung bzw. Rückwendung zum prägenden Freund, von dem ihn im Laufe seiner Entwicklung gar manches getrennt hatte, verstehen. Ernst Karl Winter trat jedoch nicht nur im politischen Bereich, sondern auch in der Wissenschaft für die Selbständigkeit und Emanzipation von kirchlicher Bevormundung ein, obwohl für ihn als Katholiken die letzte Einheit von Glauben und Wissen unantastbar war. Aber so wie er in der Sphäre der Politik für ein gelassenes Abwarten und nicht für ein drängendes Forcieren der angenommenen letzten Einheit plädierte, so sprach er sich auch im intellektuellen Bezirk für den „Methodendualismus von Theologie und Soziologie“ aus. Er führte damit einen Kampf, den vor ihm schon viele Philosophen, die durchaus auf dem Boden der Kirche standen, gegen die Einstufung ihrer Disziplin als „ancilla theologiae“ geführt hatten. Die Losreißung der Soziologie von der Bevormundung durch die Theologie ist deshalb von so eminentem praktischen Interesse, weil auf dem Umweg über die Soziologie, noch dazu, wenn sie den Anspruch erhebt, „sociologia perennis“ zu sein, Herrschaftswissen vermittelt und Herrschaftswirklichkeit stabilisiert wird. Aber unabhängig von den praktischen Auswirkungen nahm Winter in der kirchlich-scholastischen Denkweise eine vom Wissenschaftlich-Kritischen diametral verschiedene Bewegungs- und Entwicklungrichtung wahr, die er in seinem 1929 erschienenen Werk „Die Sozialmetaphysik der Scholastik“ wie folgt zusammenfaßte: „Eine scholastische Methode, die von den festen Axiomen des religiösen Glaubens ausgeht, ob sie sich dessen bewußt ist oder nicht, wird immer wieder in ihrem Denken um diese Ausgangspunkte kreisen, und, wieviele Fachgebiete sie sich auch unterwirft, immer in diesen ihren Heimathafen zurückkehren. Sie muß sich daher grundsätzlich unterscheiden von einer wissenschaftlichen Methode im kritischen Sinne, die stets auf neue die bisherigen Ergebnisse in Frage stellt und dadurch zu immer besseren, weil tieferen Erkenntnissen kommt, somit wahrhaft fortschreitet. Das scholastische Denken kehrt allerwegen zum Dogma zurück. Das kritische Denken beginnt wohl ebenso mit der konstruktiven Grundsetzung wie das theologische Denken, sein eigentlicher Sinn aber ist, diese Hypothesis fortschreitend zu berichtigen. Die beiderseitige Erkenntisbewegung ist eine so grundsätzlich verschiedene, daß keine Brücke von einem Ufer zum anderen führt; kein Sowohl-als-Auch schlägt hier ein Salto mortale. Das wissenschaftliche Interesse, speziell das der Soziologie, kann dabei nur sein, beide Weisen des Verfahrens streng auseinanderzuhalten. Es gilt nicht, einem die Alleinberechtigung zuzusprechen. Die scholastische Methode hat für den kirchlichreligiösen Bereich ihre Berechtigung nach dem Urteil der ihre eigene Sphäre souverän verwaltenden Kirche. Für den Bereich der weltlichen Kultur und Wissenschaft hingegen hat sie nach dem Urteil dieser in ihrer Sphäre nicht minder souveränen Instanzen durchaus keine Berechtigung, weil sie den Lebensnerv wissenschaftlichen Verfahrens, den ewigen Stachel, der Wissenschaft vorantreibt, unterbindet, verkehrt und in eine bloße Beweisführung für vorher gegebene religiöse Dogmen verwandelt, dadurch aber, je kühner sie auf nichttheologischem Gebiet dilettiert, der Gefahr des apologetischen Kurzschlußverfahrens verfällt, durch das die Wissenschaft in ihrer innersten Existenz bedroht wird. Nicht Religion, religiöses Denken und Leben, behindert Wissenschaft, sondern naive Verquickung beider behindert das Reifen und Vorwärtsschreiten.beider!“ Der Methodendualismus von Theologie und Soziologie wandte sich gegen den scholastischen Monismus und ermöglichte so überhaupt erst eine selbständige soziologische Forschung. Ist diese Wissenschaft durch Loslösung aber einmal als selbständige Disziplin vorhanden, kommt nach Winter innerhalb dieser Wissenschaft ein anderer Dualismus zum Tragen, der Winters Position nicht mehr nur von der Scholastik, sondern auch von einem unkritischen und unreflektierten Empirismus, wie er sich gerade heute in den Sozialwissenschaften breitmacht, abhob. In diesem Zusammenhang griff Winter direkt auf Plato, dem er auch ein eigenes Werk „Plato. Das Soziologische in der Ideenlehre“ widmete, zurück. Sowohl „Die Sozialmetaphysik der Scholastik“ als auch das Plato-Buch verraten eine starke Anlehnung Winters an Plato, in dem er den unübertroffenen Metaphysiker und Erkenntnistheoretiker, nicht aber - wie sein Zeitgenosse Othmar Spann -einen unmittelbar auf die Wirklichkeit anwendbaren Staatsmann und Staatsdenker erblickte. Was Winter von Plato übernahm, war vor allem der Dualismus von Idee und Erfahrung. Winter entwurzelte mit Hilfe Platos einen selbstgefälligen und naiven oder sich naiv gebenden Empirismus, der behauptet, „reine Tatsachen“ und nichts als Tatsachen zu erforschen. Mit Plato hielt Winter am Primat der Idee vor der Realität, des leitenden Grundgedankens vor den Tatsachen fest. Aus diesem Primat folgte für ihn aber nicht, daß es überflüssig sei, die Idee an den Tatsachen zu prüfen, zu ihnen herabzusteigen, sie an Hand der Tatsachen zu korrigieren. Aber im Gegensatz zum Empirismus hielt er die Bewegungsrichtung von der Idee zur Realität für die der schöpferischen wissenschaftlichen Forschung eigentümliche. Im Geiste Max Webers plädierte Winter nicht für eine Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft, die er als Illusion oder Selbsttäuschung ansah, sondern für eine Klarlegung der motivierenden Wertgesichtspunkte. In seinem Werk „Plato. Das Soziologische in der Ideenlehre“ führte Winter die Grundgedanken seiner „synthetisch-konstruktiven Methode“ aus und auf Plato zurück. Nur mit Hilfe dieser Methode hielt Winter es für möglich, über die bloßen Befunde der analytischen Methode, die sowohl für den Empirismus als auch für die scholastische Rechtfertigungslehre des Bestehenden charakteristisch sind, hinaus und zu einem ständigen Fortschritt in Wissenschaft und Gesellschaft zu gelangen. Winter selbst hat den Grundgegensatz von Aristotelismus und Platonismus wie folgt erfaßt: „Zwei Erkenntnisbewegungen, die in völlig verschiedener Richtung verlaufen, stoßen hier aufeinander: die platonische Funktionalisierung der Idee, eine Erkenntnisbewegung, für welche die Idee der ,Soter‘ (der Herr und Meister) der Empfindung ist, wenn diese auch der ,Paraklet‘ (der Hervorrufer) bleibt, der die Erkenntnis hervorreizt, und die aristotelische Substantialisierung der Idee, für welche die Idee sich erschöpft im axiomati-schen, über der Erfahrung schwebenden Begriff.“ Winter erblickt im „methodendualistischen Nebeneinander von Idee und Erfahrung“ . . . nicht ein kompromissarisches Sowohl-als-Auch, sondern eine „hierarchische Spannungs- und Beziehungseinheit“. Entscheidend an diesem Gegensatz ist, daß der platonische Denkansatz deduktiv und von einer Idee ausgehend ist, während der aristotelische zwar einerseits vom Primat der Erfahrung ausgeht, den Begriff aber ohne echte Beziehung zu den Tatsachen über sie hinweggehen läßt. Die platonische Dialektik dagegen sorgt für die stete Rückbindung der Idee an die Erfahrung und umgekehrt, sie läßt die Tatsachen, aber auch die ihnen vorangehenden und voranleuchtenden Ideen besser zur Geltung kommen als der einerseits empiristisch-induktive, andererseits begriffsabstrakte Aristotelismus. Wenn man will, und von den philosophischen Voraussetzungen abstrahiert, kann man auch in der Erkenntnistheorie Karl R. Poppers, der ein erklärter Gegner des Staatsdenkers und Philosophen Plato ist, eine unfreiwillige Bestätigung des von Winter herausgearbeiteten platonischen Denkansatzes und Denkstils erblicken, verfolgt doch auch Popper mit seinem Falsifikationspostulat zur Bestätigung der Richtigkeit wissenschaftlicher Theorien eine deduktiv-empirische Methode und hält in seiner „Logik der Forschung“ ausdrücklich fest, daß die Regeln, denen wissenschaftliche Theorien hinsichtlich ihrer Bewährung unterliegen, nicht auch auf das Zustandekommen dieser Theorien Anwendung finden. Damit ist noch keineswegs die Existenz metaphysischer Ideen im Sinne der platonischen Ideenlehre angenommen die Herkunft der Ideen und der Einfälle, die zur Theorienbildung führen' werden bei Popper dahingestellt gelassen. Die metaphysische Annahme Platos scheint mit der von Popper angebotenen, die Ursprungsproblematik offenlassenden Lösung vereinbar, die methodische Denkbewegung selbst verläuft durchaus im Sinne der von Winter platonisch abgeleiteten „synthetisch-konstruktiven Methode“, die die Erfahrung immer wieder zur Korrektur der Idee heranzieht, sich aber nicht der Täuschung hingibt, ihrer entraten zu können. Winter war nicht bloß bestrebt, der „antischolastischen Wirksamkeit“ der Laien in Politik und Wissenschaft zum Durchbruch zu verhelfen, sondern bemühte sich auch, im Rahmen der kirchlichen Tradition selbst für eine stärkere Betonung und Anerkennung der platonisch-augustinischen gegenüber der aristotelisch-thomistischen Tradition zu wirken. Er war sich darüber im klaren, daß sich die aristotelisch-thomistische Denk- und Lehrweise, die von Leo XIII. sogar in den Rang einer offiziellen kirchlichen Doktrin erhoben wurde, besser für die Zwecke der Indoktrination eignet und daher noch lange die Oberhand über die leicht der kirchlichen Autorität entgleitende augustinisch-skotistische Tradition, in der der Platonismus fortwirkt, behalten wird. Gerade im Lichte der seither fortgeschrittenen kirchlichen Entwicklung, die die Gefahr einer Polarität von scholastischer Erstarrung und vom Dogma wegstrebender Schwarmgeisterei offenbar macht, empfiehlt sich im Sinne der folgenden Ausführungen Winters eine Methode und Tradition, die den Boden der vorgegebenen Ordnung nicht unter den Füßen verliert, den Freiheitsraum des einzelnen und der Gruppe aber nichtsdestoweniger vergrößert: „Denn dieser Augustinismus in der katholischen Kirche, der vor dem Thomismus war, in ihm selbst trotz aller Aristotelisierung des Denkens unausrottbar blieb, während der Hochblüte der Scholastik in allen ihren Schulen immer wieder antithomistische Kritiken hervortrieb und in den nachfolgenden Jahrhunderten nicht aufgehört hat, nach neuen Ausdrucksformen seines Wesens zu ringen, sowohl innerhalb der theologischen Entwicklung als auch im Rahmen selbst der von Descartes zu Kant führenden kritischen Philosophie, - dieses augustinische Denken bedeutet eben nicht nur ein sehr notwendiges, schöpferisches Gegengewicht gegen die Einseitigkeiten der Thomistik selbst, auf das nicht verzichtet werden könnte, sondern in seiner Kontinuität ebenso wie in seiner immer aufs neue aufbrechenden Vitalität eine unversiegbare Hoffnung, daß aus den tiefen und ehrwürdigen Brunnen kirchlichen Lebens selbst die auch für die Kirche und Religion letzterlinie einmal notwendige Überwindung der Scholastik, vor allem in der aristotelischen Gestalt, kommen werde.“ Der Prozeß der Emanzipation von der thomistisch-scholastischen Tradition ist im Rahmen der Kirche im vollen Gange. Hätte man die Mahnung Winters rechtzeitig beherzigt, müßte man heute nicht so darum bangen, daß mit dem scholastischen Überbau und Kunstwerk nicht auch der dogmatische Unterbau und der Schönheitswert, der in der Wahrheit liegt, zu Schaden oder gar zu Fall kommt. Auch in der Kirche sollten sich die streitenden Parteien mit Winter an den heiligen Augustinus erinnern lassen, der mit seiner Persönlichkeit Zeugnis für den Primat des Existentiellen und Ideellen ablegt, gleichzeitig aber den Zusammenhang mit der Tradition, die er nicht nur als Kirchenlehrer, sondern auch als Bischof von Hippo weitergetragen hat, herstellt und verbürgt. Winters Lebensweg und der meine kreuzten einander erstmals am Ende des Jahres 1955, als Winter aus den Vereinigten Staaten, wo er 1938, den Nazis mit knapper Mühe und Not entronnen, Zuflucht gefunden und im akademischen Leben einen Tätigkeitsbereich, der ihm in Österreich versagt geblieben war, gefunden hatte, nach Österreich zurückkehrte. Es war kein Ruf des offiziellen Österreich ergangen, um den schwergeprüften Vorkämpfer der österreichischen Idee wenigstens eine späte Genugtuung zu verschaffen. Wenn es außer der Liebe zur Heimat, die Winter trotz aller schlechten Erfahrungen in Österreich nie verließ, ein Anruf war, der ihn in seine Heimat zurückholte, so war es der eines Heiligen. Winter hatte von Amerika aus mit Interesse die Grabungen in der Heiligenstädter Pfarrkirche, die seine Taufkirche war, verfolgt, Grabungen, die 1952 zur Freilegung eines leeren Grabes führten, das mit einiger Sicherheit als das Grab des hl. Severin angesehen werden kann. Winter widmete sich nach seiner Rückkehr zusammen mit Pfarrer Klemens Kramert der Severinforschung, die für ihn mehr als ein hagiographisches und archäologisches Kuriosum, sondern eine Herzensangelegenheit war, die nicht nur mit seiner persönlichen Aufnahme in die Gemeinschaft der Kirche zusammenhing, sondern auch seine österreichische Staatsmystik berührte, ja fundierte. Zusammen mit Alfred Missong junior und einigen wenigen anderen zählte ich damals zu dem kleinen Hörerkreis, den Winter als Dozent an der Universität Wien hatte und dem er vor allem die Ergebnisse seiner Severinforschung vortrug. Daneben beschäftigte er sich und uns auch mit einem Thema, das wir Zuhörer damals noch gar nicht in seiner ganzen Tragweite erfaßten, sondern eher als Schrulle eines großen Mannes, der sich gerne in ausgefallene Probleme verbiß, ansahen: der Umweltproblematik, die vor allem durch den Siegeszug des Chemismus und die systematische Zerstörung der biologischen Kraft- und Erneuerungsquellen des organischen Lebens charakterisiert ist und dessen Konsequenz für die Menschheit überaus fatal sein kann. Heute, wo Publizistik und Forschung voll von warnenden Hinweisen und pessimistischen Extrapolationen sind, die bis zur Prophezeiung der Selbstvernichtung der Menschheit reichen, kommen mir die damals kaum verstandenen, ja belächelten Einsichten Winters in den Sinn, die ihn auch in dieser Beziehung als eine prophetische Persönlichkeit ausweisen. Leider kam Ernst Karl Winter, der sich um eine Reintegrierung in der Heimat, um deren Existenz er sich so große Verdienste erworben hatte, bemühte, über den Status eines Dozenten nicht hinaus. Nicht einmal der Antrag, ihm den bloßen Titel eines Honorarprofessors zu verleihen, fand in der zuständigen Fakultät der Universität Wien die erforderliche Mehrheit. Winter waren die Feinde, die er sich durch sein Eintreten für die brennenden Probleme der Zeit sukzessive geschaffen hatte, erhalten geblieben, jene, gegen die er recht behalten hatte, konnten ihm diesen Triumph über ihre Kurzsichtigkeit am wenigsten verzeihen. Er fand weder inner- noch außerhalb des akademischen Lebens eine Aufgabe, die seiner würdig gewesen wäre, und so mußte sich im Frühjahr 1957 das zweite Mal das bittere Schicksal seiner Emigration wiederholen. Ich verfolgte alle Stadien dieses Kampfes eines Mannes von einsamer Größe und Konsequenz und bewunderte ihn wegen der Fassung und Hoheit, mit der er auch diese Demütigungen ertrug. Ich erinnere mich eines Besuches, den ich ihm im Februar 1958 in seiner eben bezogenen Gemeindewohnung in der Döblinger Hauptstraße, die er über Intervention Adolf Schärfs als Zeichen der Anerkennung seiner Rolle nach dem Februar 1934 erhalten hatte, machte. Bei diesem Besuch erzählte ich ihm vom Vortrag eines prominenten deutschen Gelehrten von sehr konservativer Gesinnung, der einige der Demokratie überaus kritisch gegenüberstehende Passagen in seinen Vortrag eingebaut hatte. Im besonderen warf er der Demokratie vor, keine richtige Auslese zu produzieren und das Mittelmaß über Gebühr zu fördern. Winter hörte sich meine Wiedergabe an, zeigte sich von der Ausführlichkeit und Unmittelbarkeit meines Berichtes beeindruckt, meinte aber im übrigen wörtlich: „Wissen Sie, wenn jemand das Recht hätte, ein solches Urteil über die Demokratie zu fällen, dann wäre ich es. Aber im Grunde wäre auch das nur ein Ressentiment.“ In diesem Augenblick, da es Winter verschmähte, sich mit dieser in seiner Situation naheliegenden Kritik zu identifizieren und sie als Trost für sein Schicksal zu ergreifen, hatte ich das feste Gefühl, die intuitive Gewißheit, es mit einem Heiligen, also mit einem Menschen zu tun zu haben, bei dem der Wille Gottes und die Bejahung des ihm auferlegten Kreuzes das bestimmende Moment seiner Existenz war. Dieses Erlebnis der Konfrontation mit einer ganz anderen, transzendenten Realität, die in unsere irdische Wirklichkeit hineinragt und sie überhöht, ist so selten, daß es sich dem Bewußtsein und der Erinnerung mit umso größerer Eindringlichkeit und Unverlierbarkeit einprägt. Karl Renner, der in vieler Hinsicht mit Winter vergleichbar, aber durchaus kein religiöser Mensch war, wollte sich, als er noch an die wissenschaftliche Laufbahn dachte, mit der „Soziologie der Heiligsprechung“ befassen und der Frage nachgehen, warum bestimmte Menschen aus dem großen Kreis der potentiellen Anwärter herausgegriffen und zur Ehre der Altäre erhoben werden. Im Falle Ernst Karl Winters liegt es auf der Hand, warum es, selbst wenn meine Intuition nach den kirchlichen Regeln der Kanonisation objektivierbar wäre, niemals zu einer solchen Ehrung kommen würde. Denn Winter stand und steht mit seiner Unbedingtheit, von der sich das Schwanken und das Fallen seiner Zeitgenossen oft unrühmlich abhebt, nicht nur politischen, sondern auch kirchlichen Interessen und diplomatischen Überlegungen im Wege. Der päpstliche Nuntius in Österreich, Sibilia, soll folgenden Ausspruch auf Winter gemünzt haben: „Das katholische Österreich hat zu viele Talente.“ Winter war jedenfalls ein Talent, das auch ein Charisma besaß, das über die spirituelle Dualität der Unterscheidung der Geister verfügte und an dem niemand vorbeikam, ohne irgendwie Stellung zu ihm zu beziehen. Winter verabschiedete sich nach dem Scheitern seiner Bemühungen, wieder in Österreich Fuß zu fassen, an einem ergreifenden Abschiedsabend, der in der Volkshochschule Wien-West stattfand, von seinen Freunden, zu denen auch ich mich zählen durfte. Ich blieb mit ihm in brieflicher Verbindung und schrieb ihm einmal, wie sehr ich mit ihm fühlte und wie stark ich seine Einsamkeit nachempfinden könnte, wie sehr ich aber auch von seiner Ungebrochenheit und Schöpferkraft beeindruckt wäre. Er antwortete mir aus Tappan im Staate New York, wo er auch all die Jahre vor seiner Rückkehr nach Österreich verbracht hatte, und fügte seinen Dankesworten für meine Symphathiebezeugung kurz, aber vielsagend hinzu: „Es gibt Zeiten, in denen man solche Worte braucht und für sie besonders dankbar ist.“ Ich bin noch heute stolz und glücklich, daß ich diese kleine Handreichung geben und empfangen durfte. Doch Winter verlor sich nicht in Sentimentalitäten, sondern ging über sein eigenes Schicksal zur Tagesordnung über, die für ihn in der weiteren Verfolgung seiner Aufgabe stand. Der Heilige, der ihn gerufen hatte, ließ ihn trotz aller Zurückweisungen, die er erleiden mußte, nicht los, ja die Freiheit von anderen Aufgaben band ihn noch tiefer an seine Botschaft. Winter kehrte im Herbst 1957 wieder nach Österreich zurück. Ich erinnere mich, daß ich ihn zu Beginn des Studienjahres im Gebäude der Universität traf. Er ging freudestrahlend auf mich zu und sagte mir, daß ich der erste Bekannte sei, den er auf Universitätsboden treffe und daß er dies als gutes Omen betrachte. Der Name Leser hatte bei Winter schon von meinem Onkel, dem burgenländischen Landeshauptmannstellvertreter der Zwischenkriegszeit, Ludwig Leser her, einen guten Klang. Mein Onkel war eine überaus begabte und vielseitig interessierte, den engen Raum des Burgenlandes sprengende Persönlichkeit, die aber in der von Wien dominierten Partei und einem Land mit beschränkten Möglichkeiten nicht zur vollen Entfaltung gelangte. Umso mehr bemühte er sich darum, die Entwicklung anderer zu fördern und traditionelle Grenzen zu überschreiten. Winter erzählte mir voll Anerkennung, daß es mein Onkel war, der dem „kleinen Otto Bauer“, dem Führer der religiösen Sozialisten, zu einer Kandidatur im Burgenland verholfen habe, nur um - obwohl selbst Freimaurer und Antiklerikaler - zu demonstrieren, daß auch für bekennende Christen Platz in der Partei sein müsse. Daß es nur eine Kandidatur an aussichtsloser Stelle war, minderte den Wert dieser Geste nicht, war aber für die wahren Machtverhältnisse und die starken Ressentiments bezeichnend. Die Versöhnung und Verbindung von Christentum und Sozialismus lagen Winter, der sich selbst als Konservativer mit stark sozialem Einschlag und Engagement verstand, mehr am Herzen. Er war mehr als jeder andere dazu berufen, die Lehren aus der Ersten Republik zu ziehen, und ich vermittelte ihm auch die Möglichkeit, Vorträge über dieses Thema in der Gewerkschaftsschule zu halten und in der Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft“ zu publizieren. Christentum und Sozialismus, Konservativismus und Progressivismus waren für ihn „die zwei Säulen der Republik“. Er sprach nicht von den beiden Reichshälften, weil es ihm nicht um die bloße Teilung der Macht, die in der Großen Koalition ohnehin verwirklicht war, sondern um die Errichtung eines gemeinsamen Hauses und Weiheraumes ging, in dem die gemeinsamen Opfer der leidvollen Vergangenheit des Landes Aufnahme finden könnten. In Winters Allerheiligen waren alle jene, die im Dienste Österreichs und der guten Sache, der sie sich jeweils verschrieben hatten, Opfer geworden waren, enthalten und verewigt. Er stellte sich die Zukunft Österreichs als eine fruchtbare Durchdringung und Ergänzung sozialistischer mit christlichen Impulsen, als eine gemeinsame Anstrengung der Gutgesinnten in beiden Gesinnungsgemeinschaften vor. !!Winters Visionen Können wir, im Besitze fast zwei weiterer Jahrzehnte von Erfahrungen, guten Gewissens behaupten, daß sich die Vision und Hoffnung Winters erfüllt haben? Wohl können wir feststellen, daß ein beachtlicher Konsens, der sich vom Dissens der Ersten Republik erfreulich abhebt, vorhanden ist und auch den Übergang von der großen Koalition in der Zeit Winters zu den Alleinregierungen des letzten Jahrzehnts gefunden hat. Doch ist dieser Konsens, der das Funktionieren unserer Demokratie verbürgt, auch einer, der von geistiger Verarbeitung und wechselseitiger Beschenkung getragen ist, einer der eine ethische Vertiefung im Sinne Winters erfahren hat? Müssen wir nicht vielmehr zu dem traurigen Schluß kommen, daß es vielfach nur die Gleichgültigkeit ist, die einen gemeinsamen Nenner produziert oder vortäuscht, und daß sich dahinter nicht eine Opferhaltung im Sinne Winters, sondern ein fordernder Lebensanspruch verbirgt? Hat der österreichische Sozialismus die von Winter ersehnte Erschließung der religiösen Dimension vorgenommen oder die Ersatzreligion von gestern nicht vielmehr bloß mit dem Pragmatismus von heute vertauscht? Können wir getrosten Mutes behaupten, daß wir für die Aufgaben der Zukunft gerüstet sind, wenn diese Bewährungsproben von uns verlangen? Ich jedenfalls sehe mich nicht in der Lage, unserer politischen Wirklichkeit diesen Befund zu stellen, wenn ich die erzielten Fortschritte auch keineswegs verkenne oder gering achte. Der Lebensrest, der Winter noch vergönnt war, war in rastloser Arbeit der Vollendung seiner Severinstudien gewidmet. Der heilige Severin hatte für Winter nicht bloß eine persönlich-biographische und auch nicht bloß eine österreichisch-patriotische Bedeutung, er sah in ihm ganz allein den Träger und Vermittler christlichen Glaubens und einer durch ihn geformten Zivilisation. Er erkannte sich in dem Missionar und Laienabt, in dem Mann römischer und nicht germanischer Herkunft, der unserem Land das Christentum brachte, wieder. In seiner Erscheinung erschloß sich für Winter das Geheimnis der Gestaltung der Welt, die zugleich Durchgangsstufe und Ort der Bewährung ist: „Das ist das Paradox, in dem das ganze Christentum steht, an dem daher auch die einzelnen Christen teilhaben, dessen sich Severin aber ganz besonders bewußt gewesen sein muß: Daß Christus und die Seinen zwar über die Erde dahinschreiten, ja über sie hinausschreiten, durch diese Welt hindurchgehen, daß aber trotzdem die geistige Gestaltung dieses irdischen Lebens, also der Formen der Zivilisation, ihnen keineswegs nicht nur nicht gleichgültig sein kann, sondern vielmehr ihre eigentliche Sendung ausmacht. Denn das Christentum als solches (ausgenommen bei den zu besonderen, anderen Aufgaben Berufenen) ist nicht die Weltflucht, auch nicht die formale, stoische Weltüberwindung, sondern Weltdurchdringung und Weltgestaltung. Dies stellt, sei es am Jordan, sei es an der Donau, eine Aufgabe dar, die um Gottes willen in Liebe und Treue bis zur letzten Hingabe, was immer dieselbe verlangt, erfüllt werden muß.“ Ernst Karl Winter war es beschieden, sich im Dienste am hl. Severin, der ihm zur Symbolgestalt der eigenen Lebensexistenz wurde, zu vollenden. Ich verabschiedete mich von Ernst Karl Winter im September 1958, als ich als Stipendiat des British Council für ein Studienjahr nach England ging, um dort an der London School of Economics zu studieren. Ich korrespondierte mit Ernst Karl Winter und setzte brieflich die Behandlung von Themen fort, die wir in Wien mündlich erörtert hatten. Mein letzter Brief an ihn, der sich in seinem Nachlaß befinden muß, erreichte ihn nicht mehr. Er starb am 4. Februar 1959 und wurde - auch dies mutet symbolisch an - am 12. Februar auf dem Gersthofer Friedhof begraben. Er hatte einen gnädigen und - wenn dieser Ausdruck überhaupt statthaft ist - einen schönen Tod. Er, der Zeit seines Lebens aus der Kraft der Sakramente wirkte und von ihnen zehrte, durfte den Tod, nach Meinung vieler Theologen das Ursakrament, das äußere Zeichen einer unsichtbaren Gnade, dessen Spendung und Empfang sich kein Mensch entziehen kann, sondern durch das jeder hindurch muß, in Form eines schnellen und stillen Verströmens seiner Kräfte auf Grund eines plötzlich eingetretenen Gehirnschlages, erfahren. Er legte sich, nachdem er die letzten Korrekturen seines Severinbuches durchgeführt und damit sein letztes Werk abgeschlossen hatte, buchstäblich hin, um zu sterben, um endlich die verdiente Ruhe zu erhalten. Was er über das Leben des hl. Severin und die von ihm ausgehende Vorbildwirkung geschrieben hatte, traf auch auf sein eigenes Leben zu: „Das aber lehrt uns der hl. Severin heute: ein kleines Leben auch in großen Dingen - ein einfaches, natürliches, bescheidenes, gelassenes Leben gerade in der modernen Zivilisation, inmitten der Güterfülle unserer Zeit, die mehr denn jemals in ihrer Substanz aus Scheingütern besteht - ein mönchisches, asketisches, mystisches Leben, nicht freilich im Sinne des Verzichtes auf die Welt und ihre Aufgaben, sondern im Sinne der geistigen Herrschaft über sie, der Gestaltung im Kleinen und Erfüllung im Großen, der Verwurzelung in Gott und seinen Plänen auch in Ehe, Familie, Beruf, Wissenschaft, Staat und zivilisatorischer Leistung.“ !!Umsetzung Das Lebenswerk Ernst Karl Winters ist noch keineswegs vollständig erschlossen, vielmehr harren noch eine Fülle von Manuskripten, die sein Sohn Ernst Florian Winter als kostbares Erbe aufbewahrt, der Publikation. Diese Manuskripte, die von naturwissenschaftlichen bis zu theologischen Themen reichen, legen von der Spannweite des Winterschen Geistes, von der Weite seines Kosmos, Zeugnis ab. Wichtiger aber noch als diese Publikation wäre es, die bereits publizierten und bestätigten Gedanken Winters in der österreichischen Wirklichkeit zu beheimaten. Das wäre der schönste Tribut, den wir Nachgeborenen dem großen Toten und edlen Österreicher zollen können.