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Vlanka von Kastilicn. 13
Vor meinen tränenschweren Augen schweben,
!>^I, sl'I,' sie lächeln, gleiten und ^ entschwinden,
Entschwinden, weh! und nimmer wiederkehren!
Ach, Schicksal, warum jenes Glück mir zeigen,
Wenn du mir diese Tränen hast bestimmt?
l'crgcn,
Ncr meine Seligkeit zertrümmern sollte?
Ianueline.
Erzählt doch weiter! Wie geschah es denn? —
Vlanla,
Soll ich von Schritt zn Schritt mit laltcm Maß-
stab
N,is unaussprechlich Tiefgefühlte mcfsen
Vor deinen Augen im Erzahluugston?
Ich liebte! — Ticscs einz'ge Wort inng alles
Tir fagcn was du forschen kannst! — Ich liebte!
O arme Sprache, die ein kahles Wort mir gibt
Ich betete ihn an, vergötterte
Und ward z,,m Gott! Ter Menschheit enge F.'sseln
Entfielen der emporgehobncn Se^le,
Und was fic schied durch das Gesetz der Körper,
Schien durch die Lieb' in eines zn verfliegen!
Illauclinc.
Und, Vlanka, mir verbargt mißtrauisch Ihr
Nas schreckliche Geheimnis, das die Blüte
T.'s Lebens Euch mit Mürderhändcn knickte?
Vlaula,
Verborgenheit ist Lebenslust der Liebe!
Nein sanften Veilchen gleich, verschmähet fie
2er stolzen Berge sonncnreiche höh'n
Und birgt im Schoß des Tales demutsvoll
Ter himmlisch schöne Nciz, der sie umwebt,
Flicht bei des Nalten rauherem Betasten,
Und wie das Flügelgold des Schmetterlings
Indes dcs Forschers Hände sie zerstören.
Und wagte es der Kühne, seine Blicke
Znr Blume, die im Königsgarten blühte,
Nie hochvermetznen Hände auszustrecken?
Vlanla,
Wie kleinlich denkst und sprichst du, Iaqnclinc!
Kannst du den plumpen Wahn des blöden Pöbels
Im sanstcrfühlenden Herzen hegen?
Es fncht die Liebe nichts als Liebe; wo
Sie diese findet, ist ihr würd'ger Platz!
Soll sie kaufmännisch erst »nd sorglich forschen,
Ob auch das Götterbild, das sie verehrt,
In bunte Pnrpnrlappcn eingehüllt? Auf Güter, die die Zeit gibt und cnlreißt?
Nach überirdischen nur mag sie streln-n,
Ianuelinr.
Nicht an dem Weibe rügt man solche Schwäche,
Nenn des Gefühles tief crtlnngne Töne
Betäuben leicht der Vorsicht leiser» Ruf;
Tcm Traug der Leidenschaft zu widersteh',,
Wenn die Unmöglichkeit ihr starres Zepter
Vis ich's ihm selbst enthüllte, nicht zn forfchen.
Ich kannte meines Vaters raschen Zorn
Nie meiner Seele Frieden mir ermordet,'
Von seinem Zartgefühl besorgt' ich auch
Ein Opfer, das mich selbst geopfert hätte,
Noch schien er's nnr! Weh mir, daß cr's nur
schien!
Bald, allzubald war sie verwelkt, die Vlnme
Ner Liebe, eh' sie sich noch ganz entfaltet.
Mit liebevoller Ungeduld sncht' ich
Na
reichte Elaudc diefcn Zettel mir,
In unbekannter Sprache, bis der Falsche
Zurückkam, ihm den Zettel reichte nnd
In schnellcrhast fort mit dem Fremden sprengte.
Mit heißer Liebe kam ich ihm entgegen;
Nur ihn allein sah ich im Kreis der Schöpfung,
Nur fein Bild strahlte alles mir zurück,
Weil er auf seinem Boden wandelte!
Nur darnm reizte mich die Schönheit der Natur,
Weil mich sein .herz sich ihrer Neize freute:
In ihm nur war ich alles, was ich war.
Und der Barbar stieß grausam mich von sich!
hier, Mädchen, nimm den Zettel, lies und sieh,
Wie kalt, wie ranh! — Nicht einmal eine kleine
Entschuldigung, nicht eine Zeile, die.
Von Liebe nicht, nein, nnr von Achtung zeugte.
O Mädchen, so, fo tief bin ich gesunken!
Iaqucline c>>cs>).
„Leb wohl, Geliebte, und gedenke meiner!
Mein hartes Schicksal ruft, wir müssen scheiden.
Tic Stunde flieht! Leb wohl! — Fcdriko Kastro."
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik