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454 VI,
cr !var, war er nnr durch die Kunst, Tes ^ebe,,s
Stacheln hatten tief ihn verwundet, uud N'ie der
Sänffbrünnge das llfcr umtlamiuert, so floh
cr ül deiueu Arm, o du des Outeu und Walneu
gleich herrliche Schwester, des Leides Trösterin,
von oben flammende «uust Fest hielt cr an
dir, und felbst als die Pforte geschlossen >var,
durch die du eingetreten bei ihm und sprachst
zn ihm, als er blind geworden war für deine
Züge durch sein taubes Ohr, trug er »och immer
dein Bild im herzen, und als cr starb, lag's
noch auf seiner Brust,
Ein Künstler war er, uud wer steht auf
»cbeu ihm?
W,e der Behemot die ^>eere durchstürnit, so
durchflog cr die l^renzeu feiner «unst. Von,
Girren der Tande bis zum sollen des Tonners,
von der fpiyfindigsteu Verloebnng eigensinniger
>tuns!,u,ltel bis zu dem furchtbaren Punlt, wo
das ^iehiloete übergeht in die regellose Willtür
streitender Naturgeivalteu, alles hatte cr durch-
mefien, alles erfaßt, Ter „ach ihm toiumt,
wird nicht forlfetzeu, cr wird anfangen muffen,
dcnn fein Vergnüge» hörtc uur auf, >oo die
Kunst anihört,
^ldelaide uud Leouore! Feier der ,He!deu vo,i
Pittoria uud des Meßopfers demütiges ^ied!
Stim,ncn! brausende Syniphonic: „Freude,
schöner ^ötterfuulen", du Schwanengesang!
Mufc des Liedes uud des Saitcnfpieles! stellt
ruch rings um fein Grab uud bestreut's mit
Ein ȟnsller war cr, nbcr auch cin
Mcnsch in jedem, im höchsten Sinn, ^'.'eil er
von der Welt sich abschloß, nannten sie ihn
feindselig, und weil ei der Empfindung aus dem
Wcge ging, gefühllos. Ach, wer fich hart weiß,
der flieht nicht! Nie feinsten Spitzen find es,
die am leichtesten sich abstumpfen und biegcn
oder brechen, °3as Übermaß der Empfindung
weicht der Empfindung aus! Er floh der ^elt,
weil er in dem gauzen Vercich seines liebenden
ttemnto leine Waffe fand, sich ihr zu wider»
fekeu, Er entzog sich den Menschen, nachdem
er° ihncn alles gegeben und nichts dafür cmp-
fangen hatte, Ei blieb einsam, weil er kein
zweites Ich fand. Aber bis an sein Grab be-
wahrte er ein mcnfchliches iöerz allen Menschen,
ein väterliches den Zcincn, dkit und Blut der
To war cr, so starb er, so wird er leben für
I ln aber, die ihr unserem Geleite gefolgt
bis hierher, gebietet eurem Schmerz! Nicht ver-
Lelxudigcr tritt in die Hallen der Unsterblich«
lcit ein, Ner Leib muß fallen, dann erst öffnen
sich ihre Pforten, Den ihr betrauert, er steht
von nnn an unter den Großen aller Zeiten,
betrübt, aber gefaßt! Und wenn euch je im Lebe», wie der kommende Sturm, die
zücken dahiustromt in der Mitie eines i
ungeborenen c^fi'lUechlo, fo ermnert eiul, d,ef, v
Stnnde nud dentt: wir wareu dabei, als f,e ihn
begrnben, und als er starb, haben wir geweint.
Nede am Grabe Beethovens
bei der Enthüllung des Denksteines.
Sechs blonden find's, da standen wir hier
begrnbeu einen Freund, Nun wir wieder ver
fammelt find, laßt uns gefaßt fein nnd nintig^
denn wir feiern einen Sieger, 5)inab,i
hat ihn der ^tro,n des Vergängluben i>, der
"ünnul der '.','a>1,t. Er gehört voi: nun an der
diejchichle, '.'lülit von ihm fei »ufere Gliede,
sondern von uu5.
Wir haben einen Stein feheu laffeu, Etlua
ilnn znui Tenlnial? Uus zum Wahrzeichen!
Taniit noch nnfcre Enkel wissen, >vo fie hin»
die Erde zn lüffen, die fein »Gebein deckt, Ein-
fach ist der Stein, wie cr leibst war im ^eben,
nicht groß; uni je größer, nm fo fpottifänr waie
>a docl! der Abstand gegen des Bannes Wert,
Ter Name Veelhoven steht daranf, nnd somit
der herrlichste Wappenschild, purpurner >'
des Geistes, der ist nnd bleiben wird.
Selten sind fie, die Augenblicke der Vegeiste»
rnng, in dieser geistesarmen Zeit, Ihr, die ihr
verfammrlt feid an dieser Stätte, tretet näher
an dies Grab, heftet cnrc Nlicke nnf den >> , ,,^ ,>
euch wissend ist von diefeni Mann, und fo laßt,
wie die Fröste dieser späten Jahreszeit, die
Schauder der Sammlung ziehe» durch euer Ge
bein, wie cin Fieber tragt es hin iu euer Haus,
wie cin wohltätiges, rettendes Fieber, nnd hegt's
und bewahrt's. Selten sind sie, die Augenblicke
der Begeisterung, in dieser geistrsarni.
.Heiliget euch! Der hier liegt, war ein Ve»
forgend, für Eines duldend, alles hingebend für
Eines, so ging dieser Mann durch das Leben,
— Nicht Gattin hat er gekannt, noch >lind; lanin
Fiende, wenig Genuß, — Ärgerte ihn ein Ange,
er riß es aus nnd ging fort, fort, fort bis a»s
Ziel, Nenn noch Sinn für Ganzheit in uns ist
in dieser zersplitterten Zeit, fo laßt uns sniumel,!
erleuchtete, daß an ihnen die armen zerrütteten
Menschen fich aufrichten, ihres Ursprungs go
denleu uud ihres Ziels.
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik