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VI, Viographisches. 499
mehr übellaunig, sonder» traurig, Taß ich so
von allen Vandcn des Lebens losgetrennt bin,
ldenso niüvillig, das Vergcsscnscin zu ertragen,
als die Lasten der Berühmtheit, wenn ich dies
Wort brauchen darf,
Endlich zum Gasthans zurück. Fand dort
schon einen Franzosen mit einer Engländerin,
die die Überfahrt auf demselben Tampfbootc
machen wollten. Wir vereinigten nnser Gepäck
und gingen nach dein Hafen zurück, der unter,
der Einschiffung ertönte, Ter Platzbedicnte be-
folgte da^ Gepäck, nnd wir traten ins Schifs,
Ich wählte mir einen Play auf dem Verdeck,
den ich für die Nacht nicht zu verlassen beschloß.
Eine gntc Vank in der Mitte des Schiffes, wo
die Bewegung am geringste,! fein mußte,
Wickeitc mich iu meine,, Mantel und erwartete
die Ninge, die da tonuueu sollten, Tie Nacht
wird immer duntler. Große Sterne an! Himnie!,
Tie Schiffsglocke läutet, die Seile raffeln, Es
ist Flutzeit, dns Schiff wird beweglich, Immer
siud im Gang, Ner „Emerald", so hieß das
Schiff, bewegt sich langsani an dem andern
Füufshilling°Nampsschiffe „Sovercign" vorüber,
Vas Verdeck des letzteren ist mit Passagieren be
deckt, die nns den ^'ldsclüedsgruß zujubeln. Wir
nahen uns deni Ausgaug des .Hafens, wir sind
leidlich, obwohl ein ziemlich starker Wind die
Wellen erregte, der noch dazu sehr lalt war,
wo sie gespieen liabcu mögen oder nicht. Ich
blieb zuletzt allein mit dein Steuermann, der
ein Lied tnarrte, und dem Kapitän, der aui
dem ich jedoch bald wieder emporschrcckte und
jedesmal ein Ubelbefiudcu fühlte, das fich aber
glücklich wieder verlor, Endlich bleicht fich die
dnnlle 3ee- im i7sten rötet sich hinter Wolken-
massen der Himmel, der Wind aber nimmt zu.
Es war greulich kalt. Nie englische Küste zeigt
sich links, Eine Stadt, fern, fern. Es war
Soulhamptun, sagte man. Die Küste ent-
schwindet wieder. Es wird Tag, Schon früher
waren Scknffe aller Art, ununterscheidbar im
Nunkeln, an uns vorübergezogen, jetzt wächst
Nreimaster, Bald ist lein Pnutt des Horizonts,
iu dem nicht irgend etwas die Anwesenheit
eines Schiffes bezeichnete, Nie Reisenden kamen
wieder aufs Neck mit sonderbar überwachten
Gesichtern, Tie Vewegung des ^chiffe-> wird
milder, die Wafser der Themse machen sich fühl-
Uscr weiden von beiden Seiten sichtbar. Ein
paar Wachtschifse, Handelsfahrzcnge vor Änter,
Me Küste ziemlich kahl. Endlich zeigen sich
naheliegende Häuser, von London dun!, keine
^wischenräume mehr getrennt. Im Flusse ein Wald von Kohlenschiffcn vor Anker, Nie Stadt
beginnt. Zwischen unbedeutenden Häusern herr-
liche einzelne ^iedäude,' Schiffswerften, Tocks,
Wieder eine .Handelsflottille vor Anker, Nnu
Türme und Länlcn nud hänssr rechts und
nähern uns dem Lande, es ist das Zollhaus,
neben der Londoner Brücke,
Haufen von Menschen, Wir steigen ans. Nie
Gesellschaft des Pakctboots zerstreut sich,'schciu-
in meinem Bereich, Ich fragte ihn, wohin es
nnn ginge: ins lüuZtom Ilouss, Und ich folgte
seinen Schritten, Wir kommen an. Nie
find mit anderm Gepäck beschäftigt: wir müssen
an allen Wänden die Warnung angeschrieben
steht, nicht Mäntel oder Hüte liegen zu lassen,
wegen der Gefahr des Gestohlcnwerdcns, Ich
karte dafür zu erhalten, Ein dcntscher Jude ist
da, ein Plahbedicnter, der mich in seine Klauen
zu betummen sucht. Nie Beamten sind höflich,
einem veralteten Plan von London nnd einein
schlechten üuiäe 6«8 VoM^eurz, Endlich nach ein
paar Stunden Wartens kommt die Reihe an
das Gepäck unseres Schiffes, Einzeln wieder
nier Stunden, Mein Name erscheint immer
uicht. Endlich erinnere ich mich, daß der fran-
zösische Platzbediente in Boulognc beim Ein
steigen ins Schiff gesagt, er habe alles Gepäck
abgegeben. Ich ging damals als gleichgültig
darüber hinaus, merkte aber nnn, daß mein
Name gar nicht auf der Liste der Passagiere
Zollbeamten auf diesen Umstand anfmcrksam,
und mit noch größerer Mühe erhielt ich end-
lich, daß meine Sachen, die letzten, visitiert
und gegen Vorzcignng des Passes unter weiß
folgt wurden. Es war nnu nahe an fünf Uhr,
und ich wußte noch uicht, wohiu mich wenden
in der nngchcnreii Stadt Ich war an einen
nicht, wohin. Ein anderes Loaräin^ Iwu8e in
^oläen 8c>u2re, das mir empfohlen war, wußte
ich meistens mit Fremde,! überladen. Na fiel
mir ein, daß Kapitän N, N, in Paris mir eine
Madame Williams in llkarlotte'sti-eet Hoomz-
bur>' 5<zu2re genannt, und ich beschloß, dahin zu
geheu, Eiu Finker wird geholt, die Effekten
geheure Stadt, die im Vurüberfliegeu eben
nicht den besten Eindruck auf mich machie. End-
lich lomme ich au, Ich werde zur Hausfrau
geführt, die mit einer recht anigen Tochter im
Erdgeschoß fitzt. Ich merke bald, mein Englisch
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik