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Der Löwe. 77
Im christ l ichen Kultus ist der Löwe in verschiedener Weise
symbolisch: als Sinnbild des Heilandes (der Löwe vom Stamme Juda),
als Vertreter des bösen Prinzips und der Feinde der Kirche sowie
des Teufels selbst (der böse Feind, der einhergeht, wie ein brüllender
Löwe, suchend, wen er verschlinge), als Attribut des Evangelisten
Markus und einer Reihe anderer Heiligen. Daher seine reichliche
Verwertung auf Kirchengeräten, auf Geweben und Stickereien, die
dem Kultus dienen.
Das Mittelalter führt infolge der Kreuzzüge im zwölften Jahr-
hundert die Gestalt des Löwen in der Heraldik ein, in der er die
meist angewandte Tierfigur vorstellt. Als Wappentier wird er streng
stilisiert und präsentiert sich schreitend oder aufsteigend, in allen
heraldischen Tinkturen stets im Profil, hie und da mit gespaltenem
Schweife. (Näheres hierüber vergl. Abteilung HI, Gruppe Heraldik.)
Die Renaissance verwendet den Löwen im Sinne der Antike,
nach christlicher Auffassung, sowie als Wappentier und als Wappen-
halter sehr häufig.
Die Rokoko- und Zopfzeit hat für die Darstellung des Löwen
wenig Geschick und wenig Verständnis.
Die moderne Kunst folgt dem Beispiele der Antike und Re-
naissance und so fällt denn auch in der heutigen Kunst dem Löwen
in der Tieromamentik der Löwenanteil zu.
Merkwürdig ist es und bezeichnend, dass die Kunst aller Zeiten,
wenn sie den Löwen darstellen wollte, sich veranlasst sah, den Ge-
sichtsausdruck desselben zu vermenschlichen, was hauptsächlich da-
durch erreicht wird, dass an Stelle des kreisrunden Katzenauges
(vergl. Taf. 47, Fig. i) das langrunde des Menschen tritt.*)
Die Tafeln 41—43 zeigen den Löwen sowohl in naturalistischer
Art, als in der Stilauffassung der verschiedenen Epochen; die Tafel
44 ist den heraldischen Darstellungen desselben gewidmet.
Tafel 41.
1. Naturalistische Darstellung eines schreitenden Löwen. (Münchener
Bilderbogen.)
2. Ägyptischer Löwe. Flachrelief mit vertieften Umrissen. Vom
Tempel zu Dachel. (Raguenet.)
3. Ägyptischer Löwe. Original auf der Treppe des Kapitols in Rom.
(Raguenet.)
4. Ässyrischer Löwe. Original aus rechteckigen, glasierten Thon-
fliesen zusammengesetzt. Aus dem Königspalaste zu Khorsabad.
6. Jahrh. vor Christus. (Raguenet).
5. Häupter geopferter Löwen. Partie aus einem assyrischen Flach-
relief im britischen Museum zu London.
•) Ein eingehender Artikel, betitelt „Der Löwe in der Kunst" von Const.
Uhde, findet sich in der Gewerbehalle Jahrg. 1872 pag. 81 u. ff.
Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Titel
- Handbuch der Ornamentik
- Untertitel
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Herausgeber
- Franz Sales Meyer
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 1937
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.6 x 15.7 cm
- Seiten
- 628
- Kategorie
- Kunst und Kultur