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dem Orte und der Geberde angemessene Großartigkeit; zwischen ihnen befindet sich,
als Schmuck der Bogenscheitel, je eine überaus reiche Cartouche. An dem Gewölbe bilden
kühn gebogene Ornamente drei ovale und über der Empore ein rnndes Feld, in denen
al fresco Scenen aus dem Leben Johannes des Täufers gemalt sind. Jede Kapellen-
wölbung ist anders verziert, alle aber übertreffen an Reichthum das Schiff und das
Sanctuarium. Die Formen des Ornaments sind mitunter roh, seine Pracht geht zum
Theil ins Übermaß, doch ist am Kreuzgewölbe der Kapellen mit richtiger Empfindung
das coustruetive Element hervorgehoben; das Ganze ist eine harmonische und Phantasie-
reiche Schöpfung, so daß das Innere der Kirche eine ebenso einheitliche als großartige
Wirkung macht; sie ist die vollkommenste Leistung des Barockstils in Ungarn. Der bis an
das Gewölbe des Sanctuariums aufsteigende Hochaltar ist ein ungeheures dreistöckiges
Gebilde, dessen Säulen, Gesimse und Statuen von Gold strahlen; Kunstwerth hat er
keinen. In der Sacristei hängt ein in Öl gemaltes Brustbild, das laut Inschrift den
Erbauer der Kirche, Peter Spaz, im Alter von dreißig Jahren (1637) darstellt. Eine
Überlieferung meldet, er sei aus Furcht, daß das Bauwerk im Verhältniß zu seiner Größe
nicht fest genug wäre, zum Selbstmörder geworden. Vom Meister des Stuckornamentes
ist nichts bekannt, doch läßt sich aus dem Äußern der Kirche schließen, daß er und der
Baumeister nicht eine Person sein konnten.
Von der Barockkunst sind im Oberlande noch zwei Denkmäler dieser Art vorhanden.
Das eine ist die durch Georg Lippay, Erzbischos von Gran, für die Jesuiten erbaute, jetzt
den Piaristeu gehörige Kirche zu Trentschin, das andere eine Kapelle der Pfarrkirche zu
Zborö, die im Jahre 1662 auf Kosten Ladislaus Räköczys erneuert wurde. Beide
sind im Innern reich mit Stuck verziert, können sich jedoch mit der Großartigkeit der
Tyruauer Kirche nicht messen.
Die Domkirche zu Neutra wurde 1622 bis 1644 durch Bischof Johann Telegdy an
Stelle der älteren erbaut; sie ist ein ziemlich einfacher und im Laufe des XVIII. Jahr-
hunderts theilweise umgewandelter Barockbau. In einem Seitenschiffe, das nm etliche
Stufen tiefer liegt als das Hauptschiff, ist der Altar 1662 durch Johann Pernegger
angefertigt. Er ist vermöge seiner correcten Formen eines der schönsten Barockwerke. Das
Hauptfeld zeigt zwischen rothen Marmorpilastern die in Kelheimer Stein gemeißelte Kreuz-
abnahme, während die Predella ein Relief der Grablegung enthält.
Der imDienste der Gegenreformation hier heimisch gewordene Jesuitenorden entwickelte
im XVII. Jahrhundert so wenig als die übrigen Mönchsorden eine bedeutendere Bau-
thätigkeit. Die Tyruauer Franziskanerkirche wurde um 1620 durch Peter Pazmäny, die
Preßbnrger Barmherzigenkirche im Jahre 1666 durch Georg Szelepcsenyi, die Kaschauer
Jesuiten-, jetzt Prämonstrateuserkirche 1682 durch Sophie Bathory, Witwe Georg
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (5), Band 18
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (5)
- Band
- 18
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1898
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.02 x 21.71 cm
- Seiten
- 462
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch