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und in der Hand tragen sie zur Vervollständigung des Festputzes ein „geschlungenes"
weißes Tuch; in früherer Zeit kam sogar noch ein himmelblauer Fuchspelz (mente) mit
Silberknöpfen hinzu, den sie umgeworfen trugen. Dieses malerische Gewandstück kommt
nur noch vereinzelt bei irgend einer alten Palöczenfran oder einer zum Traualtar
schreitenden Braut vor.
Die Wohnhäuser sind im Wesentlichen noch jetzt die alten. Der urväterliche Typus
wurde getreu bewahrt, nur der Baustoff hat sich geändert. Den ältesten Ursprung hat
das Holzhaus. Seine Wände wurden aus behaueueu Eichenbalken zusammengekeilt,
die Zwischenräume der Balken mit Lehm verstopft, die Ungleichheiten innen und außen mit
Lehm verstrichen und dann das ganze weiß getüncht. Diese Häuser waren durchaus von
Holz; selbst die Sparren des Dachstnhls wurden mit Holznägeln befestigt. Späteren
Ursprungs sind die „geschlagenen Häuser". Ihre Wände wurden aus gehäckseltem Lehm
angefertigt, den man so lange zwischen zwei Bretterwände hineinstampfte, bis die
gewünschte Höhe erreicht war. In neuerer Zeit wird mit Luftziegeln, Backsteinen oder
Stein gebaut. Die einzelnen Haushöfe sind von einander durch „geflochtene" oder „Dorn-
wehren" (Zäune), auch durch Bretter- oder Gitterzäune getrennt. Das Wohnhaus liegt
in der Regel an der einen Langseite des Hofes und wendet das Schmalende mit zwei
Fenstern der Gasse zu. Das Dach ist meist ein glattes oder stufenförmiges Strohdach,
doch werden bei neueren Häusern Dachziegel vorgezogen. Das Dach der alten Holzhäuser
bildet zuweilen vor der Giebelmauer einen förmlichen Halbkegel, der zeltartig über dem
niedrigen, der ganzen Front entlang ziehenden „Bänkchen" hervorragte und die Abends
oder Sonntag Nachmittags dort Sitzenden gegen Sonne uud Regen schützte. Jetzt ist dieser
Typus der „geschöpften" Häuser bereits so viel wie verschwunden; die meisten sieht man
noch im Dorfe Tard des Borsoder Comitats. Gegen den Hof hin bildet der Dachstuhl
meist einen breiten Dachvorsprung, der sich auf viereckige hölzerne Pfosten, meist aber
auf walzenförmige „Steinfüße" (Säulen) stützt. Die Zwischenräume der Säulen sind
zuweilen mit einer meterhohen Bretter- oder Steinwand ausgefüllt und das Haus heißt
dann „Ambitus-Haus". (Das lateinische umditus ist im Ungarischen für Corridor
gebräuchlich.) Am Ende dieses Ganges öffnet sich ein zierliches Pförtchen unter bogen-
förmiger Bedachung nach der Straße.
In das Haus führt vom Hofe aus ein einziger Eingang, der oft mit einer niederen
Gitterthür verschlossen ist. Sie führt in den Flnr, der von der hinter ihm gelegenen Küche
durch eine Zwischenwand mit Thüröffnung, aber ohne Thür, getrennt ist. Den ganzen
Hausrath im Flur bilden ein paar Holzeimer auf der „Wasserbau!" und ein paar Schüssel-
bretter voll Teller und aufgehängter Krüge. Hier ist gewöhnlich auch der Aufgang zum
Boden, die Leiter ist hinter der offenen Thüre desselben angelehnt. Die Küche hat einen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (6), Band 21
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Ungarn (6)
- Band
- 21
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1900
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 15.25 x 21.79 cm
- Seiten
- 500
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch