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604 Der heilige Nikolaus, Bischof zu
sorgfältig vor den Augen der Menschen zu verbergen, daß er es sey,
damit er dem eitlen Mcnschcnlobe entgehe, und den Nothlcidendcn
jede Beschämung erspare. Konnte er mit der irdischen Gabe zur
leiblichen Unterstützung auch das Seelenheil der Dürftigen fördern,
so schätzte er sich überaus glücklich, und solche Gelegenheiten nahm
er mit dem wachsamsten Auge wahr. Ein Edelmann, der in der
Stadt Batara wohnte, war von einem großen Wohlstande in die
drückendste Armuth herabgekommen. Er hatte drei erwachsene Töch-
ter, war aber nicht mehr im Stande, für diese und für sich selbst
die nöthigen Bedürfnisse zu befriedigen. Der bekümmerte Vater
faßte den unseligen Entschluß, seine Töchter für Geld der Ausschwei-
fung Preis zu geben. Gewiß nur durch besondere göttliche
geschah es, daß Nikolaus die drückende Verlegenheit seines
gers inne ward, und die große Gefahr, in welcher die Tugend der
Töchter desselben schwebte. Er bedauerte den, der lieber sein Haus
mit Sünde bemackeln, als die drückendste Noth ertragen wollte, und
noch viel mehr die, welche das höchste Kleinod, die Unschuld ver-
lieren sollten. Bei stiller Nacht machte er sich auf, näherte sich lei-
sen Schrittes dem Hause der unglücklichen Familie, warf eine an-
sehnliche Summe Geldes zu einem Fenster, das halb offen stand,
hinein, und eilte unbemerkt davon. Diese Gabe wiederholte er zum
zweiten- und drittenmalc. Dadurch ward der Bater in den Stand
gesetzt, nicht nur die Lebensbedürfnisse zu befriedigen, sondern auch
seine Töchter anständig zu verheirathen, wodurch sie von dem nahen
und schrecklichen Verderben ihrer Seele gerettet wurden. Das dritte-
mal wurde Nikolaus von dem Edelmanne bemerkt auf der Straße,
als er davon eilte, von ihm eingeholt und erkannt. Unter häufigen
Thränen drückte der Gerettete seinen Dank aus; Nikolaus wies ihn
aber an, Gott zu preisen, von dem jede gute Gabe kommt.
Wer seinen Mitmenschen vom Wege des Lasters zurückhaltet,
übt wahren Gottesdienst. Wer eine Seele vom Verderben der Sünde
errettet, ist vorzugsweise würdig seines Erlösers, welcher sein Leben
für die Seelen Aller geopfert hat. Keine Mühe darf uns zu hart,
und kein Opfer zu groß seyn, wenn es sich um Rettung der Tu-
gend und Unschuld handelt.
So sehr Nikolaus dem Edelmanne es verbot, von der wohl-
thätigen Hilfe, die er ihm geleistet hatte, Jemanden etwas zu osscn-
barcn, so war doch schon am nächsten Tage die Sache kundbar ge-
worden. In der ganzen Stadt erscholl das Lob des gottseligen
Priesters, welchen es um so tiefer schmerzte, je dcmüthigcr er war.
Sich den Lobeserhebungen der Menschen zu entziehen, und seine
Vorliebe zum einsamen Leben zu befriedigen, verließ er die Stadt,
und begab sich in ein Kloster, welches durch seinen Oheim, den
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Band 1
- Titel
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Untertitel
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Band
- 1
- Autor
- Anton Mätzler
- Verlag
- Landshut Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 1840
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 9.8 x 16.9 cm
- Seiten
- 900
- Schlagwörter
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen