!!! Die Rothschild Dynastie in Österreich

!!Historischer Hintergrund - Der Patriarch Mayer Amschel Rothschild (1744 - 1812)

Im Jahr 1460 war in Frankfurt am Main für Juden ein Ghetto vorgeschrieben worden, dessen Tore bei Sonnenuntergang sowie  an Sonn- und Feiertagen  verschlossen wurden. Die Wohnbedingungen in dieser Judengasse waren extrem beengt, die wirtschaftlichen Möglichkeiten sehr beschränkt, die sanitären und hygienischen Zustände elend. Eine  im Haus zum roten Schild lebende Familie  übernahm einstmals diesen Haus- als Familiennamen. 1756 wurde der junge Mayer Amschel Rothschild nach Hannover in die Lehre zum jüdischen Münzhändler Oppenheim geschickt und erwarb sich dort genügende Kenntnisse in Numismatik und Kunstgeschichte, um nach seiner Rückkehr ins Frankfurter Judenviertel ein eigenes  Geschäft aufzumachen, für Interessenten  entwickelte er erste Münzkataloge. Der Erbprinz Wilhelm von Hessen-Kassel (später Landgraf), der  der florierenden Leidenschaft des Münzsammelns huldigte, nutzte die Dienste Mayer Rothschilds zu solcher Zufriedenheit, daß dieser  Hessischer Hoflieferant wurde. Aus seiner Ehe  mit Gutle Schnapper überlebten 5 Söhne  und ebenso viele Töchter das Kindesalter.
Ab 1790  verlegte sich Mayer auf Banktransaktionen, wie Staatsanleihen und Kreditgeschäfte; für die hessischen Landgrafen verkaufte er auch hessische Soldaten an in- und ausländische Kriegsherren und legte die gräflichen Vermögen gewinnbringend an. Durch die erfolgreiche Plazierung  von Staatsanleihen stieg Mayer zu den vermögensten Bankiers Deutschlands auf und wurde  zum Oberhofagenten des inzwischen zum Kurfürsten aufgestiegenen Wilhelm I.

Nach der französischen Besetzung von Kassel 1806 mußte Wilhelm fliehen, doch gelang es Mayer Rothschild  dank seiner  überregionalen Verbindungen, den größten Teil des kurfürstlichen Vermögens in Sicherheit zu bringen, vor allem nach England: Für den exilierten Kurfürsten kaufte er englische Staatsanleihen.[{Image src='Fünf.jpg' caption='Die fünf Brüder'class='image_right' height='250' width='188'}] Schon  1797 hatte er seinen drittältesten Sohn Nathan nach Manchester als Repräsentanten  gesandt; dies ermöglichte Mayer, die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre Englands  durch zwielichtige Transporte zwischen England und Europa zu umgehen; der Schmuggel von Goldbarren, die die englische Krone den gegen Frankreich kämpfenden europäischen Staaten als Subvention  zukommen ließ, erwies sich als  höchst riskant, jedoch auch für  Rothschild profitabel.


1810 integrierte Mayer  seine fünf Söhne mittels eines Gesellschaftervertrags in seine neue "Bank Mayer Amschel Rothschild & Söhne" und entsandte  seinen jüngsten Sohn Jakob nach Paris. In seinem mehrere Generationen  nachwirkenden Testament  legte er fest, daß nur männliche Nachkommen Bankgeschäfte tätigen und nur Familienangehörige leitende Positionen der Bank einnehmen dürften .
Zeit seines Lebens setzte sich Mayer Rothschild  für die Emanzipation der (Frankfurter) Juden ein, für ihre Freizügigkeit und Erwerbsfreiheit. 1811, knapp vor seinem Tod,  erreichte er die Erlassung des  Emanzipationsediktes über die bürgerliche Rechtsgleichheit der Frankfurter Judengemeinde, dessen Realisierung allerdings noch jahrelange Kämpfe erfordern würde.
   





!!Salomon  Rothschild (1774-1855)  Sohn und Begründer der Wiener Linie

Salomon Mayer Freiherr von Rothschild * 9.9.1774, Frankfurt am Main  † 28.7.1855, Paris 

[{Image src='Linie.jpg' caption='Die Wiener Linie' class='image_left' height='250' width='188'}]Die napoleonischen Kriege boten für die Familie Rothschild über die Finanzierung der Armeen der kriegsführenden [{Image src='Bankhaus.gif' caption='Bankhaus Rothschild\\©Wien Museum' class='image_right' hight='' width='' height='250' width='171'}]Staaten eine Möglichkeit für wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg und Geschäfte, die  ertragreicher waren als das mühevolle Handeln mit Gütern. Nach 1815 versuchte die Familie, auch mit der österreichischen Regierung ins Geschäft zu kommen, was  durch tatkräftige Hilfe des österreichischen Staatskanzlers Metternich und seines Beraters Friedrich von Gentz gelang:  Rothschilds Finanzierung des maroden österreichischen Staatshaushaltes wurde immer bedeutender,  sodaß ein Familienmitglied in Wien präsent sein mußte: Salomon, der zweitälteste Sohn Mayer Rothschilds, übersiedelte 1819  nach Wien und gründete  1820 die Bank S.M.v. Rothschild. Dieses Bankhaus, mit Sitz in der Renngasse 3,   wurde zum wichtigsten Geldgeber des Staates  und des österreichischen Adels - inclusive Metternichs selbst -  und erlangte bis zur Revolution 1848 durch seine Anleihegeschäfte immer stärkeren politischen Einfluss. 1822 erhielten alle fünf Brüder den  österreichischen erblichen Freiherrenstand.

Die Rothschildbank beeinflusste wesentlich die Industrialisierung in Österreich nach dem Vorbild Englands und  finanzierte die ersten österreichischen Eisenbahnbauten  . Salomon erkannte die Möglichkeiten des Eisenbahnzeitalters und bemühte sich um eine Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer Bahnlinie, die Wien mit den Salzminen in Galizien [{Image src='Nordbahn.jpg' class='image_right' caption= 'Kaiser Ferdinand Nordbahn'height='250' width='188'}]und dem mährischen Eisen- und Kohlerevier verbinden sollte. 1835 genehmigte  Kaiser Ferdinand das Nordbahn-Projekt, das seinen Namen erhielt. 1839 wurde das erste längere Teilstück nach Brünn eröffnet,  das letzte Teilstück bis  nahe Krakau erst 1858. 1841 erwarb Salomon  die Witkowitzer Eisenwerke (bei Ostrau), um den Eisenbahnbau unabhängig von Stahlimporten aus England zu machen.[{Image src='Witkowitz.jpg' caption='Witkowitz' class='image_left' height='' width='250' height='188'}] Dieses Werk wurde zum größten Eisenproduzenten Österreich - Ungarns; das Stahlwerk ergänzte Rothschild durch den Erwerb von Kohlegruben, die Bahnlinie durch den Ausbau des österreichischen Lloyds, der den Verkehr mit Dampfschiffen  von Triest über das Mittelmeer betrieb. 
1843 wurde  Salomon Freiherr von Rothschild der erste jüdische Ehrenbürger von Wien.
Die Nordbahn erhielt  ihre Krone  durch den monumentalen Prachtbau des Wiener Nordbahnhofs, der 1865  fertiggestellt wurde, geziert mit einer  Marmorstatue Salomon Rothschilds.

Der Kampf um lokale und regionale, auch grenzüberschreitende  Eisenbahnkonzessionen mobilisierte die größten Bankhäuser Europas, führte zur Bildung von Konsortien und schließlich zur Gründung  von Aktienbanken mit breiterer Kapitalbasis: Die Rothschilds[{Image src='Salomon.png' class='image_right' caption='Salomon Baron Rothschild'height='250' width='130'}] gründeten die Credit-Anstalt. Mit  Hilfe dieser  neuen und für die Monarchie bis 1918 wichtigsten Bank gelang es der Familie Rothschild, eine  Reihe von Eisenbahnlinien in Mitteleuropa unter ihre Kontrolle zu bringen.

Ab Mitte der 1840er Jahre zeigte es sich, daß das von Metternich konstruierte und dirigierte politische Kongreßsystem an sein Ende gekommen war, Aufstände brachen aus, es ging ganz rasch: Am 14. März 1848 ergriff Metternich, wieder  von Rothschild finanziell unterstützt, die Flucht.  Die wachsende antijüdische Stimmung ließ Salomon im Juni  Wien verlassen. Die Wiener Geschäfte überließ er seinem Sohn Anselm, er selbst kehrte nicht mehr zurück und starb 1855 in Paris. Sein Wiener Counterpart und Mentor Metternich überlebte ihn nur um vier Jahre, an seine politische Bedeutung vor 1848 hatte er nicht mehr anknüpfen können.

!!Anselm  Rothschild (1803 – 1874) Der Enkel
Anselm Salomon Freiherr von Rothschild +29.1.1803, Frankfurt  +27.7.1874, Wien

Das  enorme Volumen  an Staatsanleihen zur Unterstützung für das Kaiserreich entwertete sich radikal während der revolutionären Periode von 1848 und brachte das Wiener Bankhaus  an den Rand des Zusammenbruchs. Salomons Sohn Anselm wurde als Emissär der Gesamtfamilie nach Wien entsandt und fand ein unverantwortliches finanzielles Chaos vor, angerichtet durch seinen Vater. Doch blieb die Einheit des Hauses, die Concordia, erhalten: Das Londoner Haus entschied sich, Wien wie  auch Paris und Frankfurt zu stützen. Anselm  kam nunmehr die Aufgabe zu, als Krisenmanager die Sanierung des Wiener Hauses auch gegenüber seinem Vater durchzusetzen: Erfolgreich konnte er die Wiener Regierung dazu bringen, fällige Zahlungen um einige Jahre zu verlängern und umfangreiche Silberkäufe zur Stützung der Papiergelddeckung zu tätigen. Mit  solchen erfolgreichen Aktionen legte er einen wesentlichen Grundstein  für die Rettung der Wiener Niederlassung. 

Nach dem Rückzug seines Vaters  übernahm Anselm auch formal die Leitung des Wiener Bankhauses. Er gründete 1855, nach dem Vorbild der neuen französischen Aktienbank Crédit Mobilier,  die "Credit- Anstalt für Handel und Gewerbe" als  Aktienbank, an der seine Privatbank  einen Großteil des Stammkapitals aufbrachte. Ab 1859  zog sich Anselm Rothschild schrittweise zurück und widmete sich verstärkt der neugegründeten Südbahngesellschaft.

Als Philanthrop beschloß er 1869, im Andenken an seinen verstorbenen Vater Salomon, mit seinem Privatvermögen in Wien für die israelitische Kultusgemeinde das  Rothschild-Spital zu errichten; 61 europäische Spitäler wurden begutachtet, um zu gewährleisten, daß das Krankenhaus in Wien nach dem  neuesten Stand der  medizinischen Erkenntnisse  ausgestattet werde. Die  Wiener medizinische Fakultät entwickelte sich in der Folge zum weltweiten Zentrum von Forschung und Lehre. 
Als Kunstsammler schuf Anselm die Grundlage für die berühmte österreichische Rothschildsche Kunstsammlung.
Gleich seinem Vater Salomon erhielt er 1847 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Wien, 1861 wurde er von Kaiser Franz Joseph I. ins Herrenhaus des Reichsrates berufen.

!!Albert  Rothschild (1844 -1911)  Der Urenkel und seine Brüder
Albert Salomon Freiherr von Rothschild *29.10.1844 Wien +11.2.1911 Wien

Nach Anselms Tod änderte sich die Familienpolitik der Rothschild-Häuser:  Durch  einen 1875 neu errichteten Gesellschaftervertrag und die Schließung des Hauses Neapel  veränderten sich  die Anteile der  übrigen Häuser London, Paris, Frankfurt und Wien. Seitens der westeuropäischen Verwandtschaft bezweckte dieser Vertrag,  dem engagierten Wiener Haus die Flügel zu stutzen: Die beiden älteren Söhne Nathaniel, geboren 1836, und Ferdinand James, geboren 1839, die ohne Interesse an der Bank nur als stille Teilhaber agierten, durften mit keiner geschäftsführenden Rolle bedacht werden, Albert, dem Jüngsten,  sollte keine wichtigen Transaktionen  ohne Konsultation der übrigen Häuser erlaubt sein. 

Albert übernahm    die Rothschild-Bank und die Stahlwerke Witkowitz sowie, als Mehrheitseigentümer,  die Kontrolle   der Credit- Anstalt, die er zur größten Bank Österreich-Ungarns machte;  daneben  kamen zahlreiche Grundbesitzungen 
in Niederösterreich . Er war mit großem Abstand der wohlhabendste  Mann der Monarchie und nach 1900 der reichste Mann Europas.

Noch war  Rothschild  unersetzbar,  doch sowohl die  konservativ-katholische  Länderbank , als auch der Staat mit seiner  Postsparkasse wollten die Dominanz Alberts brechen und setzten seinem Imperium zu. Die lukrative Begebung von Staatsanleihen, die traditionell  in den Händen des Rothschild-Konsortium gelegen war (Rothschildbank, Credit-Anstalt, Boden Credit Anstalt), ging langsam verloren, da auch der Staat regulierend eingriff.
Die Okkupation von Bosnien 1878 war noch von Rothschild finanziert worden, wie auch der Übergang zum Goldstandard:
Die  schrittweise Entwertung und Schwankungen des Silberpreises machten in Europa den Übergang zur Goldwährung notwendig ,in Österreich  vom Silbergulden zur Goldkrone bis 1900. Nur Rothschild konnte  die notwendige Menge an Gold  organisieren, dank seiner Partizipation an Minengesellschaften und seiner führenden Stellung im internationalen Goldhandel . 

Soziale Forderungen wie auch   antisemitische  Strömungen   steigerten und verbanden sich  im politischen Bereich: Georg von Schönerer, Führer der Deutschnationalen Bewegung, Wiens bürgerlich-katholischer Bürgermeister Karl Lueger, Victor Adler, Begründer der österreichischen Sozialdemokratie, schürten das Feuer des antijüdischen Antikapitalismus. 
Der politische symbolische Kampf um die Verstaatlichung der in Rothschilds Hand befindlichen Nordbahn begann 1878 mit dem Sequestrationsgesetz, setzte sich mit  jahrelangen parlamentarischen  Debatten um Verlängerung des Bahn-Privilegs fort und wurde 1906  durch Luegers Zwangsverstaatlichung beendet.[{Image src='Bettina.jpg' caption='Stiftung für Bettina'class='image_right' height='250' width='188'}]

Albert wurde als hochbegabter Finanztyrann angesehen, der seine Macht als Bankier  im Hintergrund ausübte, sich jedoch seit 1880 aus dem Bankgeschäft zurückzog und seine Zeit mit aufwendigen Hobbys, wie Foto, Astronomie, und Jagen verbrachte.
Er heiratete 1876, wie  manche andere in seiner Familie, seine Nichte  Bettina aus der  Pariser Linie, die 1892 mit 34 Jahren an Krebs verstarb.  Zu ihrem Andenken  schuf Albert 1894 die  Bettina Stiftung , "den kranken Frauen ohne Unterschied der Nationalität und Confession gewidmet, unentgeltlich  Aufnahme und humane Pflege zu finden“ . Der weitläufige Pavillon  auf dem Areal des Kaiserin  Elisabeth Spitals  in Wien Fünfhaus wurde 1898 eröffnet. Er ist einer der  wenigen Bauwerke, die noch heute vom Wirken der Familie Rothschild Zeugnis abgeben.

!Rothschilds Bautätigkeit 
__Alberts Palais__

 
[{Image src='P.R.gif' class='image_left' caption='Palais Rothschild in der Prinz Eugenstraße' height='' width='250' height='176'}]  Nach langem Zögern hatte Kaiser Franz Josef 1860 schließlich auch seinen jüdischen Untertanen die Grundbesitzfähigkeit zugestanden, was zu einem Run wohlhabender Juden auf die prestigeträchtigen  Bauparzellen entlang der neuen Ringstraße führte. Die Rothschilds schlugen erst zu, als es im Gefolge  der Weltwirtschaftskrise 1873 zu einem jähen Preissturz auf dem Immobiliensektor kam.
Im Belvedere-Viertel, nach der Ringstraße  der nobelsten Gegend in unmittelbarer Nähe zum kaiserlichen Hof, den Ministerien und der Börse, beauftragte Albert den berühmten französischen Architekten Hippolyte Destailleur mit dem Bau, zwischen 1878 und 1884, einer mächtigen Stadtresidenz, dem __Palais Rothschild__, verschwenderisch in seinen   Dimensionen und respektgebietend – mit Elementen der französischen Architektur des klassischen Stils von Versailles.  [{Image src='Stiege.png' class='image_right' caption='Stiegenhaus' height='' width='250' height='186'}]Straßenseitig war es  eine üppig dekorierte Festung mit hohen Zäunen, schweren Toren und mächtigen Mauern sowie einem großen Ehrenhof, gartenseitig zeigte sich ein Prachtbau - die Botschafterstiege von Versailles Ludwig  des XIV. - der  dem Regenten einer europäischen Großmacht zur Ehre gereicht hätte (Prinz Eugenstraße 20-22).  

Nach einer wechselvollen Geschichte im und nach dem 2. Weltkrieg wurde das Palais Rotschild 1955 abgerissen, um einem Büro der Arbeiterkammer Wien Platz zu machen. Durch diese Zerstörung verlor Wien den einzigen Wohnpalast rein französischer Architektur des XVII. Jahrhunderts: In der Wiener Architektur des Historismus nahm dieses Palais eine außergewöhnliche und auf Grund  seiner Fremdartigkeit beachtliche Stelle ein - wie ein Stück Paris inmitten der Miethäuser seiner Umgebung. 
Nach dem frühen Tod seiner Frau Bettina hatte  Albert 1894 gleich daneben ein weiteres, kleineres Palais errichten lassen, das der Spitzhacke entkam und heute Brasilien als Botschaft  dient.

Alberts Bruder __Nataniel__ tat es ihm gleich und errichtete, ebenfalls im Belvedere-Viertel, (Theresianumgasse  16-18) ein Schloß im französischen Stil mit schmuckloser Straßenfront, doch einer  grandiosen Freitreppe zum  eleganten Garten. Dieses Gebäude teilte  1950 das Schicksal  von Alberts  Palais, wurde demoliert, wich einem Bürogebäude der Arbeiterkammer Wien . In Reichenau an der Rax, nahe von habsburgischen Villas,  verwirklichte Nataniel eine Sommervilla im Stil eines Loireschlosses, das als Militärstiftung  heute noch bestaunt werden kann.

Ihren Bruder__Ferdinand__ zog es nach England, wo er seine Cousine Evelina aus dem Londoner Haus  heiratete und in Buckinghamshire sein Schloß Weddesdon Manor, das größte  aller Rothschildschlösser, durch der Architekten Destailleur bauen ließ. 





!Rothschild in der Schwerindustrie
Albert  verkaufte  1874 49 %  seiner Anteilscheine der Witkowitzer Stahlwerke  zur Finanzierung  eines Sanierungs- und Investitionsprogramms an die  Brüder Gutmann  und schaffte erfolgreich den Einstieg in das lukrative  Rüstungsgeschäft. Über  die Credit- Anstalt kontrollierte Albert vor allem   die Skoda Werke, die Schiffswerft Stabilimento Tecnico Triest,  Arthur Krupp Berndorf und die Hirtenberger Patronenfabrik. Das erste österreichische Schlachtschiff, gebaut mit Witkowitzer Stahlplatten, wurde von Rothschild vorfinanziert! Die Zahl der Beschäftigten stieg in der Folge auf über 10 000. 


!Rothschild  in der Forstwirtschaft
Schon 1875 konnte Albert aus einer Konkursmasse  die Walddomänen und Jagdreviere Waidhofen und  Gaming  mit 30 000 Hektar im[{Image src='Gaming.jpg' class='image_right' caption= 'Gaming in der Langau' height='188' width='250'}] Ybbs- und Erlauftal erwerben und wurde mit einem Schlag   größter Grundbesitzer in Niederösterreich. In Waidhofen an der Ybbs ließ er das verfallene Schloß 1885-87 durch den Dombaumeister Friedrich Schmidt, dem  Erbauer des Wiener Rathauses,  neugotisch renovieren und luxuriös modernisieren. Daneben wurden  zwanzig  Jagdhäuser und Jagdhütten errichtet, ein Ensemble im Schweizer Stil, gruppiert um das  Herrschaftshaus in Langau, dem Lieblingsaufenthalt der Familie Rothschild . Nobler  als alle  Schlösser in der Umgebung, besaß  es einen 15 Hektar großen  Park als künstlich geschaffene Naturlandschaft; andererseits ließ Albert den nahen Rothwald von jeglicher Bewirtschaftung freihalten - er ist heute als Weltkulturerbe das einzige Urwaldgebiet Österreichs. 
 Albert sorgte sich um die soziale Verbesserung der Forst-Angestellten, doch war ihm die Jagd im eigenen Revier wichtiger als  die Holzgewinnung oder produktive Investitionen in lokale Sägewerke zur Holzverarbeitung.
 

!Über Anti-Rothschild zum Antisemitismus [{Image src='Sozial.png' caption='Antijüdische Wahlagitation' alt=''class='image_right' height=' 250' width='166'}]
Durch die konstitutionelle Entwicklung und das erweiterte Wahlrecht kam es auch in Österreich zur Bildung von Massenparteien, die jede auf  ihre Art, ihren sozialen und wirtschaftlichen Forderungen und Ideologien lautstark zum Durchbruch verhelfen wollten. Deutschnationale, geführt von Georg von Schönerer, hetzten gegen den jüdischen allherrschenden Großkapitalismus (In Waidhofen an der Ybbs selbst faßten deutschnationale Burschenschaften den "Waidhofener Beschluß", um sein  antisemitisches Programm umzusetzen); Christlichsoziale  unter Bürgermeister Karl Lueger waren das Sammelbecken antiliberaler, bürgerlicher, konservativ-katholischer Kreise ;  Victor Adler einigte die Arbeiterschaft  in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, von Natur antikapitalistisch eingestellt - für all diese Strömungen waren die Jüdischen Rothschilds einladendes Feindbild, provozierend durch ihre sichtbare Dominanz als Arbeitgeber, Bahnbetreiber, Großgrundbesitzer, Kapitalisten, Fremde. 

Symbolisch ging der politische  Kampf um die Verstaatlichung der in Rothschilds Hand befindlichen Nordbahn,  begann 1878 mit dem Sequestrationsgesetz, setzte sich mit  jahrelangen parlamentarischen  Debatten um Verlängerung des "jüdischen" Bahn-Privilegs fort und wurde 1906  durch Luegers Zwangsverstaatlichung entschieden.
Doch diese  Saat Rothschild-Antikapitalismus-Antisemitismus ging auf und trug wenige Jahrzehnte später zum Aufstieg des Nationalsozialismus bei.






!Nathaniel Rothschild 
Nathaniel Mayer Freiherr von Rothschild *1836 Frankfurt/Main +1905 Wien[{Image src='Nathanael.jpg' caption='Nathaniel' class='image_right' height='200' width='' width='' width='150'}]

Anselms ältester Sohn, Nathaniel, war von der Unternehmungsleitung ausgeschlossen worden, war es auf Grund seiner bekannten Verschwendungssucht, seines wankelmütigen und unstabilen Charakters, seines Gehabens als schrulliger Hypochonder.[{Image src='4Roth.jpg' caption='Schloß in Reichenau an der Rax'class='image_left' height='' width='250' height='188'}] So pflegte er, ewiger Junggeselle, einen extravaganten Lebenswandel als Kunstsammler und Philanthrop, unermüdlich Reisender und Bauender. Neben seinem Stadtpalais in der Theresianumgasse  ließ er das Schloß Enzesfeld restaurieren und baute ein Sommerschloß in Reichenau an der Rax. Auf der Wiener Hohen Warte ließ er einen üppigen Prachtgarten mit Glashäusern und einer Sommervilla  
anlegen, heute noch als Teil des Heiligenstädter Parks zu erahnen.

Nathaniel wurde durch seine  wohltätigen Stiftungen berühmt, deren wichtigste das Neurologische Krankenhaus Rosenhügel (Nervenheilanstalt Rosenhügel) ist. Die Stiftungssumme von 20 Millionen Goldkronen ist  sicher die größte Einzelspende, die jemals in Österreich gemacht worden war.
Nathaniel hat das moderne Tennis nach Wien gebracht und gefördert und war 1894 Mitbegründer des "First Vienna Football Clubs", der bis heute die rothschildschen Wappenfarben Blau und Gelb trägt.





!!Louis Rothschild (1882 - 1955) Der Ur-Urenkel 

Louis Nathaniel Freiherr von Rothschild *5.3.1882 Wien +15.1.1955 Montego Bay,Jamaika 

[{Image src='Louis Polo.png' caption='Louis beim Polotournier 1928\\© Roman Sandgruber'class='image_left' height='250' width='' width='175'}]Die restriktive Heiratspolitik des Hauses Rothschild zeigte nun ihre negativen Folgen, es fehlte an fähigen Erben: Von den fünf Söhnen von Alfons war Georg, der Älteste, geisteskrank, Alfons, der Zweite, zur Leitung des Hauses ausersehen, wurde Altphilologe, liebte die Jagd und den Pferdesport und zeigte kein Interesse für den Bank- und Industriebetrieb. So übernahm der drittgeborene, Louis das väterliche Unternehmen. Als reichster Mann Europas ohne besondere geschäftliche Ambitionen war es sein Bestreben, finanzielle Macht und wirtschaftliche Besitz des Hauses zu erhalten und hielt sich im Hintergrund, um seinen vielfältigen sportlichen Interessen nachzugehen. Er besaß die Privatbank Rothschild und kontrollierte über die Wiener Credit-Anstalt zahllose , auch kriegswichtige Industrie betriebe. Während des ersten Weltkrieges verdiente Rothschild mit Stahl, Kohle Eisen und Buntmetallen, doch zeichnete die Familie auch enorme Summen an Kriegsanleihen. 

Nach dem Zusammenbruch Österreich -Ungarns sagte der sozialistische Führer Otto Bauer: "Das alte Österreich wurde von der Dynastie Habsburg und der Dynastie Rothschild regiert, In der Republik blieb nur die Dynastie Rothschild übrig". Für die Rothschilds wurde es nun eng in der kleingeschrumpften Republik; [{Image src='Bank.jpg' class='image_right' caption='Hass gegen den jüdischen Kapitalisten' height='250' width='188'}]denn ihre Verwandten in London und Paris hatten sich kriegsbedingt abgewandt und Wien spielte keine Rolle als internationaler Finanzplatz mehr. Eine Völkerbund-Anleihe von 1922 sowie die Rückkehr zur Goldwährung 1925 leiteten eine Phase des wirtschaftlichen Neuaufbaus ein, doch die Konsolidierung des notleidenden Bankensektors forderte neue Opfer: 

[{Image src='Louis (2).jpg' caption='Louis\\© Georg Fayer/ÖNB'class='image_left' height='250' width='188'}]Die __Boden-Credit-Anstalt__, zweitgrößte Bank Österreichs und vom Konkurs bedroht, wurde 1929 von der "gesunden" Credit-Anstalt übernommen, nachdem Louis Rothschild als ihr Präsident und größter Aktionärs von der Regierung unter Druck gesetzt worden war. Doch die Credit-Anstalt litt unter ähnlichen strukturellen Problemen langjähriger leichtfertiger Geschäftsführung: Louis mußte am 11.Mai 1931 der Öffentlichkeit den drohenden Zusammenbruch der Credit-Anstalt bekanntgeben. Um ein Überschwappen der Krise auf Deutschland und Europa zu verhindern, wurde ein Internationales Komitee etabliert, welches eine Sanierung ausverhandelte: Rothschild verlor 100 Millionen Schilling und sein Aktienpaket der Bank, der Staat eine Milliarde , etwa ein halbes Jahresbudget. Noch im Herbst 1931 wurde Louis Rothschild wegen fahrlässiger Krida und Untreue angeklagt, doch nach hitzigen Debatten im Parlament und den Medien eingestellt; es gab kein Wiener Haus Rothschild mehr, Louis war nur mehr ein reicher Mann. Die Rothschildschen Grundbesitze in Waidhofen und Gaming wurden 1933 der Republik zur Deckung der Bankverluste überlassen.


 



!Nationalsozialismus und Emigration
Am 11.März 1938 verabschiedete sich Bundeskanzler Schuschnigg, Seyß-Inquart forderte deutsches Militär an, Hitler gab  den offiziellen Einmarschbefehl. Wien war in Konfusion, wer sich retten konnte, rettete sich. Louis wartete noch, bis er seine beiden Nichten in der Schweiz in Sicherheit wußte - tags darauf wurde er auf dem Flughafen Aspern von der Gestapo verhaftet und später mit anderen wichtigen Gefangenen in das  Hauptquartier der [{Image src='Kunschak.png' caption='Louis (links) mit christlich-sozialem Kunschak in den Händen der Gestapo'class='image_left' height='' width='250' height='' height='167'}]Gestapo,  das Hotel Metropol, gebracht.] Das Palais Rothschild wurde von Adolf Eichmann  für seine berüchtigte "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" requiriert, während Nathaniels Palais  dem Sicherheitsdienst der SS als Bleibe diente. Auch alle übrigen Rothschilds Immobilien [{Image src='rothschild.jpg' caption='Rothschild Mausoleum Wien' alt=''class='image_right' height='250' width='' width='188'}]wurden besetzt und ausgeraubt, die Mobilien  verschleppt, Kunstschätze registriert und, soweit sie nicht  aufgrund des Führervorbehalts für das von Hitler geplante Kunstmuseum Linz zu reservieren waren, an interessierte Institutionen  verteilt. 

Die Nationalsozialisten versuchten, Louis durch Einzelhaft psychisch willfährig zu machen;  Stefan Zweig verarbeitete diese Gegebenheit in seinem Roman "Die Schachnovelle".   In langwierigen Verhandlungen mit dem "Reichstreuhänder für die rothschildschen Vermögen" mußten die  Brüder auf ihr gesamtes Vermögen in Österreich und Böhmen, Palais, Gärten, Wälder und Gemälde inbegriffen und die Privatbank verzichten  - am 11. Mai 1939 durfte Louis endlich ausreisen. 

An den Stahlwerken Witkowitz hatten die Wiener  Rothschilds 68,1% der Anteile gehalten, die 1937 über Holland und die Schweiz rechtzeitig an die Londoner Holding Lionel Rothschilds  transferiert worden waren. Hermann Göring wollte Witkowitz in seine Stahlwerke integrieren und zwang die Familie Rothschild, sein minimales Kaufangebot anzunehmen; kurz vor Unterzeichnung wurde jedoch Louis freigelassen. Nach der Besetzung  von Paris fanden und beschlagnahmten die Deutschen eine Menge an Anteilscheinen und konnten nach der Besetzung der Tschechoslowakei endlich Witkowitz in den Reichswerkekonzern eingliedern, der sich im Lauf des Krieges zum größten europäischen Montankonzern entwickelte. Nach dem Ende des Krieges verstaatlichte die tschechische Regierung die Großindustrie entschädigungslos.

Über Chile  kam Louis im Februar 1941 als Staatenloser in den USA an, erhielt 1946 die amerikanische Staatsangehörigkeit  und ließ sich in Vermont nieder. Ab 1946 besucht er mit seiner Gattin Hilda von Auersperg öfters Europa und auch Österreich. Bei einem Badeunglück in Montego Bay am 15.November 1955 ertrank Louis und fand, seinem Testament gemäß, seine letzte Ruhestätte in der Familiengruft in der jüdischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs.

!!Epilog: Restitution und Erbe

Nach 1945 gab es keinen Rothschild mehr, der die Energie gehabt hätte, die Wiener Familientradition fortzusetzen, die letzte Verwandte, Bettina Loora-Rothschild, Großnichte von Louis, starb 2012 in Langau.
Die Restitutionsfrage beschäftigte die Justiz noch jahrelang. Die Stadtpalais waren zerstört und lagen überdies in der  sowjetischen Besatzungszone; Louis verkaufte sein Palais um vier Millionen Schilling, seine Schwägerin Clarisse das Palais Nathaniel um drei Millionen, beide an die Arbeiterkammer Wien, die dort gesichtslose Bürogebäude hochzog.
Die Kunstkollektionen von Louis und Alfons mußten erst mühevoll in den einzelnen Bundessammlungen eruiert und gemäß dem __Ersten Kunstrückstellungsgesetz 1947__ in separaten Rückstellungsanträgen zur Ausfuhr erbeten werden. Einige Sammlungen machten jedoch ihre Zustimmung und die des Bundesdenkmalamtes abhängig von "freiwilligen Widmungen" der Eigentümer, was einer zweiten Enteignung gleichkam. Erst durch das beispielhafte __Kunstrückgabegesetz 1998__ wurden die österreichischen Sammlungen verpflichtet, den Erben insgesamt  261 weitere Kunstobjekte   auszufolgen.

Die __Archive der Familie Rothschild__ waren 1926, nach der Schließung der Niederlassung Frankfurt,  nach Wien transferiert worden. Von der SS 1938 geraubt und verschleppt, tauchten sie 1945 in Moskau auf und wurden  im Jahr 2001 der Londoner Familie übergeben.

!Was bleibt von den Rothschilds ?                                                                                          
Ihnen verdankt Österreich  großteils seine Modernisierung und Industrialisierung sowie  großzügige Sozialeinrichtungen, [{Image src='Brasil.jpg' caption='Rothschilds Nebengebäude' alt=''class='image_right' height='' width='' width='250' height='188'}]doch  blieb, neben dem unauslöschlichen Nimbus des Namens "Rothschild", dies teilweise auch dank der Existenz der Rothschilds in London, sehr wenig:

**Das Nebengebäude des Palais Rothschild (Botschaft von Brasilien); der berühmte Goldene Saal des Palais ist eingebaut in  eine  Tanzschule in Hernals  
** Büste Nathaniels im Krankenhaus Rosenhügel, seiner Stiftung
**Bettina-Pavillon des Kaiserin Elisabeth Spitals, gestiftet von Albert
**Statue Salomons, ehemals vor seinem Nordbahnhof, jetzt im Jüdischen Museum;"Rothschildplatz" auf dem  Gelände des 
   ehemaligen Nordbahnhofs
**Pförtnerhaus der ehemaligen Rothschildgärten auf der Hohen Warte
**Das historische Bankhaus der Familie in der Renngasse 3, vom Architekten Ludwig Förster 1847 errichtet, wurde 1951  von der 
   Schöllerbank gekauft.
**Israelisches Blindeninstitut, von Anselm gestiftet, beherbergt das Polizeikommissariat Döbling
**Grabmal der Rothschilds auf dem Wiener Zentralfriedhof

**Rothschild Palais in Reichenau an der Rax, gehört der Vereinigten altösterreichischen  Militärstiftung
**Schloß Waidhofen an der Ybbs wurde restauriert und mit einem modernen Turm versehen von Architekt Hollein
**Urwald Rothwald, Weltkulturerbe

**Privat: Schloß Enzesfeld; Domäne Langau mit Jagdvillen, Lieblingsaufenthalt der Familie;  Jagdhaus in Atschreith

**Eisenwerke Witkowitz: Stillgelegte Industrieruine  als Europäisches Kulturerbe



!Weiterführendes
>Roman Sandgruber:  Rothschild, Glanz und Untergang des Wiener Welthauses, mit umfangreichem Literatur- und 
   Quellenverzeichnis, Molden Verlag 2020
>Jüdisches Museum Wien: Die Wiener Rothschilds- Ein Krimi, Amalthea Verlag 
>Felicitas Kunth: Die Rothschild'schen Gemäldesammlungen in Wien,  Böhlau Verlag 2006
>Frederic Morton: Die Rothschilds, Portrait einer Dynastie, Wien 2006
>Egon C.C.Corti: Das Haus Rothschild,  Leipzig 1928
>Georg Miller-Aichholz:Das Palais Albert Rothschild in Wien und sein Architekt Hippolyte Destailleur, Wien Univ.dipl.arb.2006

>Der Verfasser dankt dem __Jüdischen Museum Wien__ für die freundliche  Genehmigung  zur Nutzung seines reichhaltigen, bebilderten  Ausstellungskataloges mit 23 Einzelbeiträgen; der Katalog schöpft, wie auch der Verfasser, aus dem  magistralen Werk von Univ.Professor Roman Sandgruber.

> Gestaltung: Kurt Hengl









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