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Bouchal, Robert und Johannes Sachslehner: VerSCHLOSSen#

Bild 'Sachslehner'

Robert Bouchal und Johannes Sachslehner: VerSCHLOSSen. Die verborgene Welt der Adelssitze rund um Wien. Styria Verlag Wien - Graz 2019. 240 S., ill., € 27,-

"Alles hat seine Zukunft, auch das Vergangene" , ein Zitat aus dem Roman von Gerhard Fritsch ist das Motto des Buches mit dem kreativen und vielsagenden Titel "VerSCHLOSSen". Der Fotograf Robert Bouchal und der Historiker Johannes Sachslehner garantieren für Qualität. Zuletzt hat das erfolgreiche Autorenduo den "Lost places rund um Wien" ein Buch gewidmet. Diesmal ist ihr Thema nicht ganz so deprimierend. Aus den zahlreichen ehemaligen Herrensitzen haben sie solche ausgewählt, bei denen der Wille zur Erhaltung besteht. Auch wenn es oft (noch) nicht so aussieht, könnte man an das Motto glauben.

18 Schlösser haben die Autoren besucht und beobachtet, wie unterschiedlich die Besitzer ihre Liegenschaften verwenden: "Was dem einen ein willkommener Ort für großzügige Investitionen erscheint, ist dem anderen aus traditionsreicher Familiengeschichte entstandene tiefe Verpflichtung. Gemeinsam jedoch ist allen der große Idealismus, die Liebe, mit der sie die altehrwürdigen Mauern umsorgen." Der Leser gewinnt den Eindruck, dass die Schlösser im Land um Wien den Autoren ein Herzensanliegen sind. Sie schildern Eindrücke, Emotionen und Begegnungen mit den Eigentümern. Sie freuen sich mit ihnen, wenn wieder ein Stück Denkmalschutz gelungen ist. Dass die öffentliche Hand mehr dazu beitragen sollte, ist auch kein Geheimnis. In jedem Kapitel geht der Textautor kompetent auf die Geschichte der Herrensitze ein, der Bildautor bringt, wie gewohnt, perfekte Fotos, nur bei manchen wird die Tristesse sichtbar.

Einleitend nennt Johannes Sachslehner das Land um Wien ein "Atlantis der Schlösser": "Ein Kontinent der alten feudalen Welt Österreichs, der jedoch halb versunken ist. Ein Atlantis, das es wieder zu entdecken gilt." Noch prägen die Adelssitze die Landschaft, doch die Gesellschaft hat sich grundlegend geändert: "Heute ist, nimmt man es ganz streng, das Schloss ein Anachronismus, ein Gebäude, das die Welt, für die es geschaffen wurde, überlebt hat. … Im Schloss manifestierte sich die allgemeine gesellschaftliche und meist auch ökonomische Ungleichheit: Hier Prachtentfaltung und Luxus der 'Herren'. Da Bescheidenheit und Armut der 'Untertanen'. "

Die Entdeckungsreise beginnt - wie Fritschs Roman - im Marchfeld. Schloss Petronell ist ein "Palast auf römischem Boden". 1946 war das Haus, wie sich der damalige Besitzer erinnerte, "praktisch eine Ruine … die Kriegsfurie hatte ganze Arbeit geleistet." Nach Abzug der sowjetischen Soldaten halfen Bund und Land bei der Finanzierung der dringlichsten Renovierungen. Das Donaumuseum und ein Kunstgewerbemuseum wurden eingerichtet, aber nach zwei Jahrzehnten wieder geschlossen. 2006 kaufte ein privater Investor das Schloss. Er hatte mit dem Renaissancejuwel, wie man dem Internet entnehmen kann, große Pläne. Die Liegenschaft mit 3.000 m2 bebauter Fläche in einem 90.000 m2 großen Park sollte ab 2010 als Hotel, Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Konferenzzentrum genützt werden. Von der Revitalisierung versprach man sich touristische Impulse und 80 Arbeitsplätze. Ein Jahrzehnt ist vergangen, und die Autoren haben noch immer einen Wunsch für das leer stehende Schloss Petronell: "Möge es eine neue Bestimmung finden, die das 'Wesen' und den Charakter dieses Ortes nicht gefährdet."

Gleiches gilt für Schloss Seibersdorf, "ein Renaissanceschloss in barockem Kleid, seit Jahrhunderten das Herz der Marktgemeinde". Seit kurzem hat es einen neuen Besitzer. Tristesse ergreift die Autoren auf der Baustelle, wenn sie sehen, wie historische Böden herausgerissen und Räumlichkeiten entkernt werden. Sie erleben, "wie dieses altehrwürdige Gebäude einer grundlegenden 'Verwandlung' unterzogen wird. Altes wird zerstört, um Neues zu schaffen … " Die Ortsbewohner munkeln, dass Luxusappartements entstehen sollen.

Die Frage ist immer, "Welches Konzept lässt sich für eine sinnvolle zukünftige Nutzung des Schlosses finden?" Sie stellt sich auch Beppo Harrach, dem Besitzer von Schloss Prugg, an der Leitha gelegen. Er hat sein "Sorgenkind" zumindest so weit gesichert, dass es nicht verfällt. Die weitläufige Gartenlandschaft wurde im Rahmen eines EU-Projekts revitalisiert. Für die im Park versteckt liegende Orangerie gibt es wohl keine Rettung mehr.

In der Feste Ebenfurth macht die "Wiedergeburt" große Fortschritte. Im Mittelalter gegründet, wurde sie als Schloss barockisiert und kam in den Besitz der kunstsinnigen Familie Suttner, die es bis 1979 behielt. Dann war die Erhaltung des verfallenden Objekts eine kaum zu meisternde Verpflichtung. Hilfe kam von einer serbischen Künstlerin, die als "beste und erfolgreichste Sängerin des Balkans" ausgezeichnet wurde. Sie und ihr Ehemann möchten Ebenfurth zu ihrem Lebensmittelpunkt machen und einen Teil museal nützen. "Man erkennt und fühlt bereits jetzt, dass hier mit Liebe zum historischen Bauwerk vorgegangen wird und es nur mehr eine Frage der Zeit ist, bis der ehemalige Adelssitz in neuem Glanz erstrahlt. Eine derartig aufwendige Restaurierung uralter Bausubstanz ist selten, vor allem, wenn sie aus privater Hand finanziert wird."

Immer wieder verweisen die Autoren auf Devastierungen durch die Rote Armee. So auch in Loosdorf. Das dortige Schloss hat als "Haus der tausend Scherben" traurige Berühmtheit erlangt. Die Adelsfamilie Piatti besitzt es seit dem 19. Jahrhundert. Sie legte namhafte Sammlungen an: intarsierte Möbel, Zinnfiguren und - vor allem - Porzellan. Bevor die Besitzer schweren Herzens von ihrem Anwesen Abschied nahmen, ließen sie dieses, in Kisten verpackt, im Keller vermauern. Doch die Soldaten entdeckten das Versteck und zerstörten mutwillig alle Kostbarkeiten, ebenso wie die wertvolle Bibliothek. Unter dem Motto "Alte Scherben erzählen große Geschichte" richtete man im 1959 geschaffenen Museum das "Scherbenzimmer" als Rauminstallation ein. 2015 begannen Spezialisten der Universität Tokyo mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung und Restaurierung der Relikte, darunter seltener japanischen Objekte.

In den Adelssitzen rund um Wien wurde Geschichte geschrieben. Schloss Laxenburg war Maria Theresias "Frühingsresidenz". Im Schloss Stetteldorf tagte während der Zweiten Osmanischen Belagerung der Kriegsrat mit dem Polenkönig Johann Sobieski und dem Oberbefehlshaber des österreichischen Heeres, Karl von Lothringen. Schloss Guntersdorf diente in den Napoleonischen Kriegen dem als "Sieger von Aspern" berühmten Erzherzog Carl als Hauptquartier. Das "Hauptquartier der internationalen Friedensliga" befand sich 80 Jahre später in Schloss Harmannsdorf. Hier schrieb die Friedensnobelpreisträgerin Bertha Suttner ihren Roman "Die Waffen nieder!". Im Schloss Ochsenburg komponierte Franz Schubert seine Oper "Alfonso und Estrella". Das Bergschloss Enzesfeld stand im Besitz von Eugen Rothschild, der illustre Gäste empfing. 1937 bot er dem englischen König Edward VIII. nach dessen Abdankung Quartier.

Johannes Sachslehner schreibt von der Vielfalt und vom Zauber der Begegnung mit den Kulturstätten. "Wir haben Schlösser gesehen, deren Verfall so weit fortgeschritten ist, dass ein Betreten nur unter höchster Vorsicht möglich ist. … Es gilt daher, Wege zur Rettung der Gebäude zu finden, und zwar rasch, ansonsten sind diese einzigartigen Monumente einer vergangenen Zeit für immer verloren - mit ihnen, so unsere Überzeugung, wird auch ein Teil unserer Geschichte und Identität verschwinden und unsere kulturelle Landschaft ein entscheidendes Stück ärmer und eintöniger werden. "

hmw