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Matthias Marschik und Edgar Schütz: Automobiles Österreich#

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Matthias Marschik und Edgar Schütz: Automobiles Österreich. 100 Jahre Automobilgeschichte in Bildern. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 192 S., ill., € 37,90

Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert des Automobils. Das Auto hat Städte und Landschaften verändert, Identitäten geprägt, Zeithorizonte verschoben und Räume neu definiert. So nähern sich der Historiker Univ.-Doz. Dr. Matthias Marschik und der APA-Ressortleiter Dr. Edgar Schütz einem umstrittenen Thema. In ihrem Bildband zeigen sie Funktionen und Bedeutung des Automobils in der österreichischen Geschichte von 1900 bis 2000. Sie gliedern das Buch in acht Kapitel, wobei den einleitenden Texten insgesamt fast 200 Bilder folgen. Sie stammen nicht nur aus den bekannten Archiven, sondern auch aus Topotheken, wie sie in jüngster Zeit in vielen Gemeinden entstanden sind und private Schätze der interessierten Öffentlichkeit online zugänglich machen.

Die Anfänge des Automobilismus in Österreich sind mit der "Legende" des Marcus-Wagens, einem Prunkstück des Technischen Museums Wien, verknüpft. Der in Wien lebende Techniker Siegfried Marcus experimentierte Ende der 1880er Jahre mit Explosionsmotoren. Allerdings nicht als einziger, und wohl auch nicht als erster. Zeitgleich beschäftigten sich der deutsche Erfinder Carl Benz und der Ingenieur Gottlieb Daimler mit von Verbrennungsmotoren betriebenen Kraftfahrzeugen.

Die ersten Autobesitzer Österreichs waren Adelige. Während Kaiser Franz Joseph gemeint haben soll, die selbst fahrenden Wagen würden wieder abkommen, legte Erzherzog Leopold Salvator 1909 die Fahrprüfung ab. Die Grafen Siegfried von Wimpffen und Hanns Wilczek erwarben schon 1892 Autos. Im Bildteil sieht man seine romantische Burg Kreuzenstein mit zahlreichen Besuchern einer Kutsche und zwei Autos. Anfang 1910 zählte man in Wien 2545 Automobile. 1921 waren bereits 2442 Lkw, 5714 Pkw und 3518 Motorräder zugelassen. Im Bildteil des ersten Kapitels lernt man das erste Hybridmodell, den mit Elektro-Radnabenmotor und Otto-Motor betriebenen Lohner-Porsche- "Mixte" kennen. Er war auch als Allradfahrzeug erhältlich und wurde im Jahr 1900 auf der Pariser Weltausstellung präsentiert. Doch gelang es zwei Jahre später nicht, die k. u. k. Automobilabteilung der Armee von den Vorzügen zu überzeugen. Hohes Gewicht und geringe Reichweite sprachen dagegen, obwohl sich der Thronfolger als Beifahrer Ferdinand Porsches interessiert zeigte.

Das Automobil erobert Landschaft und Städte, betitelt sich das zweite Kapitel, in dem es um den Straßenbau geht. Bereits hier zeigt sich die Auto-kritische Einstellung der Autoren, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Eines der wenigen ganzseitigen Farbfotos ist Hermann Knoflacher in seinem "Gehzeug" gewidmet. Bekannt ist Knoflacher für seine Kritik am Automobil und dessen Auswirkungen auf die physische wie psychische Umwelt. Interessante historische Aufnahmen zeigen Erzherzog Heinrich Ferdinand, einen der ersten Ballon- und Autofahrer Salzburgs, der 1905 das tief verschneite Stilfser Joch passiert. Drei Jahrzehnte später schafften der Salzburger Landeshauptmann und der Planer der Großglockner Hochalpenstraße mit einem umgebauten Steyr 100 die erste automobile Überquerung der Hohen Tauern.

Das Automobil im öffentlichen Raum erforderte aufgrund seiner immer stärkeren Verbreitung ab 1906 eine "konzessionierte Führerscheinprüfung". Zuvor gab es individuell ausgestellte handgeschriebene Bescheide. Die erste "Spezialfachschule für Automobilismus" etablierte sich nach dem Ersten Weltkrieg in Wien 3. 1926 wurde an der Opernkreuzung die Verkehrsampel erprobt. Zu sehen sind u. a. auch Nutzfahrzeuge, wie sie die Stadtverwaltung ab 1920 einsetzte, O-Busse, die zwischen Pötzleinsdorf und Salmannsdorf verkehrten, Fahrschulwagen, Tankstellen und Raststätten.

Das Geschäft mit dem Automobil blühte besonders in der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Autohäuser mit riesigen Auslagen die Ringstraße eroberten. Um Gags im Konkurrenzkampf der Mittelklassewagen waren die Firmen nicht verlegen. So ist zu sehen, wie ein "Ford" mit Muskelkraft auf einen Treppenabsatz im Stiegenhaus des Barockpalais Auersperg gehievt wird. Hingegen hatte sich das Autohaus Liewers dem Volkswagen verschrieben, der den Wettlauf um die Publikumsgunst gegen den österreichischen "Steyr Puch 500" gewann.

Das Automobil in der Politik ließ sich hervorragend für propagandistische Zwecke (miss-) brauchen. Das wusste der letzte Kaiser Österreichs ebenso gut wie christlichsoziale Politiker, Adolf Hitler oder Jörg Haider. Bundespräsidenten und Staatsgäste ließen sich gerne in ihren Repräsentationsautos sehen. Ein geradezu liebenswürdiges Beispiel ist der Besuch eines Niederösterreichischen Landeshauptmanns in der Gemeinde Haringsee. Anlass war die Fahnenweihe der Feuerwehr zu Pfingsten 1926.

Das Automobil im Alltag wurde zum unverzichtbaren Transportmittel, es verlieh Autonomie und Freiheitsgefühl, ermöglichte individuelle Urlaubs- und Campingreisen. Viele sahen es als Familienmitglied an und gaben ihm einen Spitznamen. Dazu passt das Titelbild des Buches: Unter einem Blütenbaum parkt in der Wiese ein beiger VW-Käfer. Auf seiner Kühlerhaube sitzt eine junge Frau, barfuss und im Dirndl mit einem Buben, ein zweiter hat sich auf dem Autodach platziert. Trügt die Idylle, wie man sie damals in vielen Familienalben finden konnte? Den Autoren ist der Blick auf die Kehrseite des Automobilismus wichtig. Sie verweisen auf Unfälle, überfüllte Straßen, Parkplatznöte und Umweltschäden. Außerdem weisen sie darauf hin, dass Autos lange Zeit eine Männerdomäne waren.

Im Kapitel Der Automobilrennsport und seine Helden begegnet man Stars wie Gerhard Berger, Gunther Philipp, Niki Lauda und Jochen Rindt. Apropos Stars: Last but not least geht es um Das Automobil in Kunst und Kultur. Da heißt es: Im Oktober 1910 gelang Karl Illner in einem Etrich-Monoplan ein Überlandflug von Wien nach Horn und zurück. Für den Transport Illners vom und zum Flugfeld standen Ferdinand Porsche und Heinrich Graf Schönfeldt mit seinem Austro-Porsche zur Verfügung. Als Beispiele für Stars finden sich weiters etwa Marlene Dietrich, Gina Lollobrigida, die Beatles, Karl Schranz, Papst Johannes Paul II., Curd Jürgens, Johannes Heesters, Herbert von Karajan oder Udo Jürgens. Er präsentiert auf dem Foto einen Spielzeug-Rennwagen, hatte in seiner Garage aber auch etliche Nobelkarossen, wie die Autoren bemerken und den "bekennenden Autofan" zitieren: … wir Nachkriegskinder sind doch alle autoverrückt.

hmw