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Veronika Rudorfer: Palais Ephrussi#

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Veronika Rudorfer: Palais Ephrussi. Fotografien von Hertha Hurnaus. Böhlau Verlag Wien Köln Weimar. 216 S. deutsch/englisch, ill., € 45,-

Der Patriarch der Familie, Charles Joachim Ephrussi (1791-1864) stammte aus Odessa (Ukraine). In der damals russischen Hafenstadt gründete er 1830 eine Bank, die Beziehungen zu Wien und Paris pflegte. Außerdem profitierte der Großgrundbesitzer vom Getreidehandel von der Ukraine nach Paris, handelte im Kaukasus mit Öl und betrieb ein Warenhaus. Sein Sohn Ignaz (1829-1899) stieg in das Geschäft des Vaters ein und gründete mehrere Bankhäuser, aber auch wohltätige Vereine. 1855 verlagerte die Familie ihren Lebensmittelpunkt nach Wien, wo Ignaz Ephrussi und Emilie Porges heirateten. Sie war die Tochter von Ephraim und Anna Porges, geb. Todesco. Mit dieser Ehe verbanden sich die Vermögen der wohlhabendsten Familien der Gründerzeit. In Russland hatte sich die Stellung der jüdischen Bevölkerung inzwischen drastisch verschlechtert, doch im Habsburgerreich waren seit kurzem Diskriminierungen aufgrund der Religion aufgehoben.

Wien befand sich in seinem größten Umgestaltungsprozess, seit ab 1857 die Stadtmauer geschleift und an ihrer Stelle die Ringstraße angelegt wurde. Die neu geschaffenen Parzellen mussten gewinnbringend verkauft werden, um den Stadterweiterungsfonds zu speisen, der die öffentlichen Projekte am neuen Boulevard finanzierte. Bauherren aus dem jüdischen Großbürgertum verfügten über das notwendige Kapital. Sie engagierten Stararchitekten und Künstler für die Gestaltung ihrer Ringstraßenpalais. Die Autorin betont noch einen weiteren Aspekt: Ein Gebäude an der Ringstraße zu errichten, wird zur baulichen Manifestation der Integrationsbestrebungen in das Bürgertum Wiens. … Die Neoaristokratie lässt sich an der neuen Prachtstraße Palais errichten, um Reichtum und Stellung der Familie zu (re-) präsentieren. Ignaz Ephrussi wird 1871 Teil dieser neoaristokratischen Gesellschaft. Kaiser Franz Joseph, der 6000 Personen nobilitierte, erhob ihn in den erblichen österreichischen Ritterstand.

Ignaz Ephrussi ließ sein Palais 1869 bis 1873 nach Entwürfen von Theophil Hansen (1813-1891) errichten. Mit der Adresse Universitätsring 14/Schottengasse 11 ist es als Teil eines Ensembles aus vier Häusern auf maximale Außenwirkung hin konzipiert. Die renommiertesten Ringstraßenarchitekten waren daran beteiligt: Neben Theophil Hansen sein Schwager Emil Förster - er entwarf die Gebäude am Schottenring 10 und 12 - und Carl Tietz, der das Haus Lieben Schottengasse 9/Mölkerbastei 5 gestaltete. Dynamisch rhythmisiert wird die breite, in Summe 31 Achsen umfassende Ringstraßenfront zu einem mächtigen Block verbunden, der in seinem architektonischen Anspruch dem exponierten Bauplatz gerecht wird, schreibt die Kunsthistorikerin und Kuratorin am Bank Austria Kunstforum Wien, Veronika Rudorfer

Der Grundriss des Palais Ephrussi ist an dem mit Glas überdachten, querrechteckigen Hof ausgerichtet. Die, der Familie vorbehaltene Prunktreppe führt in die Beletage. Dort gelangte man vom Empfangszimmer in den Tanzsaal, den Damensalon und den Billardsalon. Die Privaträume der 18-Zimmer-Wohnung befanden sich im Schottengassen-Flügel. In den darüber liegenden Geschossen des Zinspalais wohnten Angehörige der finanzkräftigen Mittelschicht. Sie mussten die Nebentreppe benutzen. Für die Hausangestellten gab es eine Dienstbotenstiege.

Die Plafondgemälde der Beletage stammen von Christian Griepenkerl (1839-1916). Der Historienmaler war ein Schüler des Monumentalmalers Carl Rahl. Er wirkte bei zahlreichen Aufträgen Rahls mit (u. a. Heeresgeschichtliches Museum, Palais Sina und Todesco) und fertigte Gemälde für den mit seinem Professor befreundeten Architekten Theophil Hansen an. Dieser beauftragte ihn mit den Deckengemälden für Schlafzimmer, Damenzimmer, Empfangszimmer, Speisezimmer, Billardzimmer und Tanzsaal im Palais Ephrussi. Die Gestaltung der Kassettendecken und das ikonographische Programm stammen vom Architekten, der auf die Wirkung des Gesamtkunstwerks bedacht war. Dem Zeitgeschmack folgend, stellten die Bilder meist Allegorien und Szenen aus der griechischen Mythologie dar.

Auffallend ist eine Änderung der Motive im Tanzsaal, dem öffentlichsten Raum des Palais, vom Erstentwurf zur Ausführung. Die beiden Hauptgemälde zeigen nicht, wie geplant, die Hochzeit von Venus und Adonis und dessen Tod, sondern Szenen aus dem Alten Testament; die Krönung Esters und die Verurteilung Hamans. Der Tanzsaal bildet den Mittelpunkt der Zimmerflucht, durch die Darstellungen aus dem Buch Ester wandelt er sich zum festlichen Sakralraum, zum "Bekenntnisraum" , wie die Kunsthistorikerin Mara Reissberger formulierte. Das einzige jüdische Bild an der Ringstraße weise "einen evidenten inhaltlichen Bezug zur Biografie des Auftraggebers" auf, bekräftigt Veronika Rudorfer. Allerdings könne die Frage nach dessen Motiven "nicht final beantwortet werden."

Das letzte Kapitel ist dem "Schicksal der Familie Ephrussi ab 1938" gewidmet. Viktor Ephrussi (1860-1945), der Sohn des Erbauers. wurde gezwungen, sämtliche Eigentumsrechte im annektierten Österreich abzutreten. Einrichtung und Kunstsammlung wurden auf Museen aufgeteilt bzw. verkauft, das Bankhaus "arisiert". Viktor Ephrussi und seine Frau Emilie, geb. Schey von Koromla, flüchteten auf ihr Landgut in der Slowakei, wo Emilie starb. Der Witwer, der nach Großbritannien auswandern konnte, hinterließ vier Kinder: Elisabeth de Waal emigrierte nach Großbritannien, Ignace Leo Ephrussi in die USA, dann nach Tokyo, Rudolphe J. Ephrussi nach New York und Gisela de Bauer nach Mexiko City. Viktors Urenkel, Edmund de Waal, hat in seinem Buch "Der Hase mit den Bernsteinaugen" (2010) die Geschichte seiner Familie aufgearbeitet.

Der edel gestaltete Band "Palais Ephrussi" enthält bisher unpublizierte Illustrationen. Die aktuellen Aufnahmen - bestechend von außen und innen - stammen von der Fotografin Herta Hurnaus. Sie stehen im Kontrast zu historischen Ansichten des Neubaus auf der noch unvollendeten Ringstraße. Ein zweiter Bildteil zeigt die aquarellierten Entwürfe Theophil Hansens für Architektur und Ausstattung. Pläne, die er ein Jahr nach der Fertigstellung in der Allgemeinen Bauzeitung vorstellte, geben Einblick in die Konstruktion des Ringstraßenpalais. Das Werk erschien in zweiter Auflage in deutscher und englischer Sprache. Kurzbiographien der wichtigsten Akteure und ein Glossar, zusammengestellt von Philipp Emanuel Missaghi, runden die kunst- und kulturgeschichtlichen Analysen ab.

hmw