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Karl Zellhofer und Martin Zellhofer: Eisenbahnen im Weinviertel#

Bild 'Zellhofer'

Karl Zellhofer und Martin Zellhofer: Eisenbahnen im Weinviertel.Von den 1970er-Jahren bis heute. Edition Winkler-Hermaden Schleinbach. 132 S., ill., € 24,90

Schulrat Karl Zellhofer und sein Sohn Mag. Martin Zellhofer beobachten seit langem den Wandel ihrer Heimat Weinviertel. Einige Bücher mussten sie schon dem "Verschwundenen" widmen: "Verschwundenes Weinviertel. Über Greißler und Wirtshäuser, Kinos und Schulen, Bahnhöfe und Ziegelwerke, die es nicht mehr gibt" (2016), "Verschwundene Eisenbahnen im Weinviertel. Von Nebenbahnen, Haltestellen und Bahnhofswirtshäusern, die es nicht mehr gibt". (2018), "Verschwundene Kinos im Weinviertel "(2019) und "Verschwundenes Marchfeld", mit Gedanken von Gottfried Laf Wurm (2019). Die Autoren verfügen über ein umfangreiches Fotoarchiv und so war es ihnen ein Leichtes, den neuen Band auszustatten.

Das Positive zuerst: Alle Hauptbahnen, wie die Marchegger Ostbahn, wurden und werden durch Ausbau und Elektrifizierung modernisiert. Jedoch schrumpfte das Nebenbahnnetz seit 1988 stetig. 2019 ist mit der Strecke von Obersdorf über Groß-Schweinbarth nach Gänserndorf und der Stichstrecke von Groß-Schweinbarth nach Bad Pirawarth die letzte Weinviertler Lokalbahn verschwunden.

Das Zeitalter der österreichischen Dampfeisenbahnen begann im Marchfeld, einem Teil des Weinviertels. Am 13.November 1837 fuhr der erste Zug auf der 13,5 km langen Strecke von Floridsdorf nach Deutsch-Wagram. Ihr Bau hatte nur sieben Monate gedauert und ging zügig voran. 1839 war das mährische Breclav (Lundenburg) erreicht. In Floridsdorf zweigte eine eingleisige Verbindung über Korneuburg nach Stockerau ab, wobei der Bahndamm auch als Hochwasserschutz fungierte. Eine zweite Flügelbahn führte ab 1848 von Gänserndorf über Marchegg nach Bratislava (Pressburg).

1870 nahm die Franz-Josefs-Bahn von Wien nach Eggenburg den Betrieb auf. 1872 folgten die Flügelbahn von Absdorf-Hippersdorf nach Krems und die Verbindung von Sigmundsherberg über Pulkau nach Zellerndorf. 1911/12 entstand bei der Station Limberg-Maissau die bestehende 267 m lange Hangbrücke. Ihre Träger ruhen 25 Meter tief im Fels. 1958/59 begann die Abtragung des zweiten Gleises zwischen Sigmundsherberg und der Staatsgrenze bei Gmünd, ein Jahrzehnt später auch zwischen Absdorf-Hippersdorf und Sigmundsherberg. 1970 feierte die Franz-Josefs-Bahn ihr 100-Jahr-Jubiläum. Zahlreiche Fahrgäste, das Zugspersonal und das Bahnhofspersonal nahmen in historischen Kostümen und Uniformen teil, jubelnde Menschen begrüßten den Festzug in den Bahnhöfen. Doch eine Eisenbahnzeitschrift relativierte: Traurig stimmte die Fahrgäste lediglich der bedrückende Anblick des entfernten zweiten Gleises, abgetragener Signale und verfallender Wärterhäuser. Die Festschrift zum Jubiläum nannte den 27. Dezember 1965 als letztenTag, an dem eine Dampflok der Zugförderung Wien Franz-Josefs-Bahn zum Einsatz kam.

Nordbahn und Franz-Josefs-Bahn bildeten die die Hauptbahnen des Weinviertels. Ab Ende der 1880er Jahren entstand ein dichtes Lokalbahnnetz. Die Strecken waren kurvenreich, die Höchstgeschwindigkeit lag bei 12, dann 35 km/h. In den 1950er Jahren begann eine jahrzehntelange Diskussion über die Einstellung von Nebenbahnen. Das Weinviertel, mit seinem Anteil von rund 300 km, war besonders betroffen. Nach der Einstellung des Personenverkehrs zwischen Korneuburg und Mistelbach gründete Franz Zellhofer mit etlichen Mitstreitern eine Bürgerinitiative. Ihre jahrelangen Gespräche endeten schließlich erfolglos. 1962 führte die Wiener Schnellbahn Linien nach Stockerau und Gänserndorf. Ende 1976 fuhren im Weinviertel die letzten Dampfloks, danach Diesellokomotiven und -triebwagen wie der legendäre "Blaue Blitz".

Die Autoren zeichnen, nach einem historischen Überblick über die ersten 125 Jahre, ein Zeitbild des vergangenen halben Jahrhunderts. Dabei werden Erinnerungen an Berufe wach, die (fast) verschwunden sind, wie Dampflokheizer, Dieselfahrzeugführer, Disponent der Güterkassa, Schalterbeamter oder Schrankenposten. Die Autoren fanden dazu erfahrene Interviewpartner. Einen Schalterbeamten gibt es im Weinviertel nur noch in Korneuburg. Hier machte Hans Niederl Dienst, der erzählte, wie kompliziert es in der Zeit vor dem EDV-gestützten Fahrkartenverkauf war. Außerdem hatte er Gruppenreisen und Fahrten zu weit entfernten Zielen zu organisieren, Beratung stand im Vordergrund. Der Bahnbeamte gab auch andere Auskünfte, war manchmal "Seelentröster", alarmierte bei gesundheitlichen Notfällen die Rettung oder verständigte das Seniorenheim über verirrte Personen. .

Der letzte Block- und Schrankenposten im Weinviertel befindet sich in Grafenberg, wo die Haltestelle der Franz-Josefs-Bahn längst aufgelassen wurde. Hier arbeiten Franz Böhacker und vier Kollegen im Schichtbetrieb als Fahrdienstleiterassistenten. Sie müssen drei Schranken - mit dutzenden Umdrehungen - händisch schließen und öffnen. An Werktagen verkehren rund 50 Personen- und zwölf Güterzüge, an Wochenenden weniger. Außerdem hat der Schrankenwärter Kontrollaufgaben zu übernehmen und genau Buch zu führen.

Eine Fülle interessanter Fotos aus dem Archiv der Autoren illustriert die jüngste Eisenbahngeschichte: Man sieht den Paradezug der Franz-Josefs-Bahn, "Vindobona", der zwischen 1975 und 1980 nach Berlin fuhr. Attraktiv wirken dampfende Ungeheuer wie auf der Steigungsstrecke des "Weinviertler Semmering" oder ein Jubiläumszug zum 75-Jahr-Jubiläum der Strecke Mistelbach - Hollabrunn. Den Schmuck der Lok hat man 1981 jenem der Eröffnungsfahrt nachempfunden. Zierate anderer Art waren im selben Jahr Erdäpfelketten an den Waggons des Sonderzuges zum Erdäpfelkirtag in Prinzendorf. In markantem Rosarot erstrahlt die ehemalige Wasserstation in Deutsch-Wagram. 1846 erbaut, zählt sie zu den ältesten Eisenbahngebäuden Österreichs. Ein Ausblick auf die Zukunft des Bahnbetriebes im Weinviertel rundet das Buch ab. Zum Bild des neuen Korneuburger Bahnhofs liest man: Sehr elegant und urban wirkt das am 22. Mai 2015 eröffnete neue Bahnhofsgebäude von Korneuburg. Es vermittelt beinahe schon großstädtisches Flair …

hmw