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Ursula Prutsch: Leopoldine von Habsburg#

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Ursula Prutsch: Leopoldine von Habsburg. Kaiserin von Brasilien - Naturforscherin - Ikone der Unabhängigkeit. Molden Verlag Wien. 272 S., ill., € 30,-

Bella gerant alii, tu, felix Austria, nube! Selten war eine Spruchweisheit so töricht wie diese, die Österreich empfahl, statt auf Kriege auf Heiratspolitik zu setzen. Die Habsburger führten Kriege und opferten Kaisertöchter aus Staatsräson. Am bekanntesten ist das Schicksal von Marie Antoinette (1755-1793) Als 15-jährige musste sie den späteren französischen König Ludwig XVI. ehelichen. Mit 38 Jahren wurde sie, einige Monate nach ihrem Gemahl, mit der Guillotine hingerichtet. Ihre Großnichte (und Lieblingsschwester Leopoldines) Marie-Louise (1791-1847) wurde mit Napoleon Bonaparte (1769-1821) verheiratet. Er hoffte, dadurch Österreich bündnispolitisch an sich zu binden. Leidtragende war Marie-Louise, die Napoleon zutiefst verabscheute. Auch der Adel empfand die Heirat als nationale Demütigung. Doch Kaiser Franz II/I. (1768–1835) meinte, eine Zurückweisung Napoleons nicht riskieren zu können.

Nicht weniger tragisch, aber weit weniger bekannt, verlief das Leben von Maria Leopoldine Josepha Caroline von Österreich (1797-1826). Das fünfte Kind von Kaiser Franz II/I war 19, als die Verhandlungen bezüglich ihrer Heirat mit dem portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro (1798–1834) begannen. Ihr Vater war kein Befürworter dieser Verbindung. Er wusste um die Epilepsie und den unmoralischen Lebenswandel des Kronprinzen. Trotzdem gab der Kaiser dem Drängen seines Staatskanzlers Klemens Wenzel Lothar von Metternich (1773-1859) nach. Dieser erkannte den Vorteil einer Heirat zwischen Habsburg und Braganca sofort. … Die Portugiesen besaßen ein Weltreich und mit Brasilien eine Kolonie, die halb Südamerika einnahm. Sie schien ein Garant monarchischer Stabilität auf dem konfliktreichen amerikanischen Kontinent zu sein. Das österreichische Kaiserhaus, so hoffte Metternich, könnte durch Leopoldine jenseits des Atlantiks Einfluss ausüben und dafür sorgen, dass die besorgniserregenden Entwicklungen in Amerika nicht auch noch auf Brasilien übergriffen, schreibt Ursula Prutsch, Professorin für US-amerikanische und lateinamerikanische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Die Kaisertochter Leopoldine interessierte sich schon in jungen Jahren für Botanik, Schmetterlingskunde und Mineralogie. Sie war eine begabte Zeichnerin und beherrschte perfekt Französisch, Italienisch und Latein, später auch Portugiesisch. Von den monatelangen Verhandlungen ihres Vaters, Metternichs und diplomatischen Vertretern Portugals wusste sie nichts. Aber sie fügte sich, pflichtbewusst und religiös, im Bestreben, ihrem "lieben Papa" alles recht zu machen. Am 13. Mai 1817 wurde Leopoldine in St. Augustin, per Stellvertreter (ihr Onkel Erzherzog Karl) mit Dom Pedro verheiratet. Dazu gab es im Augarten ein prunkvolles Fest für 2.000 Gäste. Die Porzellanmanufaktur produzierte eigens mit Gold und Silber verziertes Geschirr. Vier Kapellen musizierten, 116.000 Lampen sorgten für "feenhafte Atmosphäre".

Inzwischen liefen die Reisevorbereitungen auf Hochtouren. Nicht nur das umfangreiche Gepäck - allein die Aussteuer benötigte mehr als 40 Schränke - und die zahlreiche Entourage mussten verschifft werden. Die brasilianische Hochzeit war auch Anlass einer naturwissenschaftlichen Expedition. Unter den Forschern herrschten Konkurrenz und Missstimmung. Dies bekam vor allem der Kustos des Naturalienkabinetts, der Zoologe und Ethnologe Johann Natterer (1787-1843), zu spüren. Nachdem die anderen den Kontinent verlassen hatten, blieb er noch Jahre in Brasilien und heiratete eine Einheimische. Erst 1835 kehrte er mit der Familie nach Wien zurück. Seine Expeditionen führten Johann Natterer u. a. zum Amazonas und an die bolivianische Grenze. Er sammelte mehr als tausend Säugetiere, 12.000 Vögel und 33.000 Insekten. Dafür wurde ein eigenes Brasilianisches Museum gegründet. 2.000 Exponate aus 70 Ethnien gehören zu den wichtigsten Sammlungen des Weltmuseums und zählen heute zu den Bedeutendsten ihrer Art.

Die Überfahrt der österreichischen Segelflotte gestaltete sich - inklusive Schiffbruch - gefährlich. Außerdem brach in Brasilien eine Revolution aus. Das Schiff der Erzherzogin startete Anfang Juni. Die Reise verzögerte sich, die Braut war krank und verzweifelt. Erst Anfang November konnte die portugiesische Königsfamilie sie in Rio de Janeiro begrüßen. Die Habsburgerin war eine leidenschaftliche Naturforscherin, setzte sich gegen Sklaverei und Armut ein. Ihrem Mann Dom Pedro intellektuell weit überlegen war sie es, die das Dokument zur Souveränität Brasiliens unterschrieb.

Obwohl sie an unter den Launen und der Krankheit ihres Gemahls zu leiden hatte, zeigte sich Leopoldine von ihrer neuen Heimat begeistert. "Das Land ist ein einziger Garten" schrieb sie an ihren Bruder Franz Karl. Sie unternahm Jagdexkursionen und naturwissenschaftliche Forschungen. 1819 wurde ihre erste Tochter, Maria da Glória (1819- 1853), geboren. Leopoldine und Pedro hatten in sieben Jahren sieben Kinder, der Thronfolger Pedro (1825-1891) war das jüngste. Leopoldine starb 29-jährig an den Folgen einer Fehlgeburt, deren Ursache die Brutalität ihres Ehemannes gewesen sein dürfte.

Dom Pedro war weder gebildet noch kultiviert. Zumindest besprach er alle Regierungsangelegenheiten mit seiner Ehefrau und folgte in der Regel ihrem Rat. Ihrem Einfluss war es zu verdanken, dass Pedro, dem sein Vater die Regierung Brasiliens überlassen hatte, 1822 die weitgehende Autonomie des Landes einleitete. Er ließ seine Gemahlin als Regentin zurück, als er in diesem Jahr nach São Paulo reiste. Unseligerweise lernte er dort Dona Domitilia kennen, die er bei Hof offiziell als seine Geliebte einführte. Um Leopoldine lächerlich zu machen, ernannte sie Pedro zur ersten Hofdame der Kaiserin und erhob sie in den Hochadel. Am 1. Dezember 1822 erfolgte seine Krönung zum Kaiser von Brasilien. Leopoldine durfte nach portugiesischer Tradition nicht gekrönt werden, sondern der Zeremonie nur zusehen. Sie musste auch noch erleben, dass Domitilia dem Kaiser eine Tochter schenkte, der drei weitere Kinder folgten.

Reichlich spät erfuhr Kaiser Franz die Missstände. An den Rand des Berichts eines Gesandten schrieb er Weh mir, jetzt weiß ich, was für ein miserabler Kerl mein Schwiegersohn ist. Schwer depressiv bat Leopoldine ihre Lieblingsschwester in ihrem letzten Lebensjahr: Hört wenigstens den Notschrei eines Opfers, ... das von Euch nicht Rache, aber Mitleid erbittet.

Was blieb von Leopoldine? fragt die Autorin. In den Fünfzigerjahren wurde auch die Sambaschule Escola de Samba Imperatrix Leopoldinense gegründet. Sie griff immer wieder Themen der österreichischen Geschichte auf. In Würdigung ihrer Verdienste um die Wissenschaft wurde die Palmengattung Leopoldinia pulchra Mart. nach ihr benannt. 2021 wurde sie zur Namensgeberin einer in Südbrasilien entdeckten Saurierart. Der Direktor des Museu Nacional , Alexander Kellner, hat den Sensationsfund Berthasaura leopoldinae genannt. Leopoldine hätte sich über diese Würdigung sicher gefreut, schreibt Ursula Prutsch am Ende der einzigen lieferbaren Biografie der starken Frau und politischen Vordenkerin.

hmw