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Maximilian Funk: Fast 100 Jahre voller Abenteuer#

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Maximilian FUNK: Fast 100 Jahre voller Abenteuer. Von Kindertagen in Moskau bis zum legendären Chattanooga. Carl Ueberreuter Verlag Wien. 207 S., ill., € 25,50

Der jetzt 99-jährige Maximilian Funk hat hinter sich, was man ein bewegtes Leben nennt. Es war eine seiner vielen guten Ideen, die Memoiren und Anekdoten, reich illustriert, zum Buch werden zu lassen. Mit der Veröffentlichung hat er sich im Vorhinein ein Geschenk zum runden Geburtstag gemacht, zu dem die Leserschaft eingeladen ist. Der Autor wurde 1925 in Moskau geboren. Sein Großvater war ein internationaler Handelsvertreter, sein Vater Adolf Funk (+ 1961) Pianist und Komponist. Er schrieb den Trauermarsch für den Schriftsteller Leo Tolstoi und komponierte Musik für eine Tanzschule, wo er seine spätere Frau kennenlernte. Das Ehepaar hatte zunächst zwei Töchter, Vala und Lula, sein Sohn Max war der Jüngste. In einer Villa mit Garten in einem Moskauer Vorort verbrachten sie eine unbeschwerte Kindheit.

Musik war nicht der einzige Beruf ihres Vaters. Er erwarb ein Vermögen durch die Erzeugung von Schuhpasta, einem damals sehr gefragten Artikel. Nach der russischen Revolution wurde sein Betrieb verstaatlicht, doch konnte er ihn von der Regierung pachten. "Er baute ihn neu auf und war finanziell sehr erfolgreich." Einigen Neidern gefiel das nicht und man beschuldigte ihn der Steuerhinterziehung. Er wurde zu fünf Jahren Haft in Sibirien verurteilt und nach drei Jahren entlassen. "Obwohl wir in Russland lebten, hatten wir immer auch die österreichische Staatsbürgerschaft und so entschlossen sich meine Eltern, nachdem man ihnen alles weggenommen hatte, nach Wien zu übersiedeln." Das war 1933. Einen Monat lang lebten sie im Hotel, dann fanden sich in einem Gemeindebau in Margareten eine Wohnung und eine Produktionsstätte. Die Kinder lernten rasch deutsch und besuchten das Gymnasium. In der zweiten Klasse entdeckte Max sein Interesse für den Modellbau. Er konstruierte Modellflugzeuge - was sich später positiv auswirken sollte, wurde Segelflieger und landete bei der Luftwaffe. Es folgten dreieinhalb Jahre in russischer Gefangenschaft, wobei sich die Kenntnisse der Muttersprache als hilfreich erwiesen.

Wieder in Wien, arbeitete Max Funk im väterlichen Betrieb, der Schuhcreme, Bodenpasta und Messingputzmittel erzeugte. Bald war er so versiert, dass er bei der Produktion mitarbeiten und die Auslieferung übernehmen konnte. Als weiterer Artikel kam "Funk-Putz" zur Messingpflege dazu. Die Werbemaßnahme war - wie später viele andere - unkonventionell. "Am frühen Morgen putzte ich mit unseren Arbeitern die Messinggriffe der umliegenden Wohnhäuser", befestigte Probepackungen und Werbezettel daran und die Hausbesorger waren begeistert. Eine andere kreative Werbeidee war es, einen Lautsprecherwagen und Elefanten mit Plakaten für Funk-Putz durch die Stadt zu schicken, dafür übernahm die Firma die Kosten für das Futter der Tiere. Auch ein Messestand sorgte stets für Interesse. Bald wurde die Produktionsstätte zu klein. Man erwarb eine Bombenruine in der Leopoldstadt. "Mit der Zeit wurden wir Marktführer und verkauften mehr Messingputzmittel als die bekannte Firma Sidol." Später einigte man sich auf einen Verkauf dieser Sparte an die Konkurrenz. Als nächstes Produkt kam nach amerikanischem Vorbild die wohlschmeckende Zahncreme "Keep smiling" auf den Markt, dazu ein passendes Rasierwasser. Es folgte die Innovation "Clu - Fensterputzmittel", frisch bläulich eingefärbt und parfümiert, in kleinen roten Plastikflaschen. Schließlich erweiterte sich die Produktpalette auf Möbelglanz, Autopolitur, Chromputz und Allesreiniger. Die traditionellen Artikel Schuhpasta, Messingputz und Ofenpasta gingen langsam zurück.

Der Einstieg in die Gastronomie erfolgte gemeinsam mit der Schwester Vala im "Café Schottenring", das sie modern mit einen großen Theke umbauten. Attraktionen waren ein Fernsehgerät, spezieller Obers-Kaffee, Cremeschnitten und - damals in Cafés nicht üblich - Wiener Küche. Dann stand das Graben-Café zum Verkauf. Diesmal hatte der sonst so gewiefte Unternehmer mit seinen Geschäftspartnern, die eine Snackbar eröffneten, Pech. Zumindest der amerikanisch klingende Name "Chattanooga" - nach der Komposition Chattanooga Chou Chou von Glenn Miller erwies sich als perfekt für Funks "Chattanooga Dancing".

Den zweiten Teil des Buches betitelt der Autor "Neubeginn in der Gastronomie. Chattanooga Dancing, Night Club, Snackbar." Die Eröffnung erfolgte 1961. "Nach entbehrungsvollen Nachkriegsjahren begann sich das Leben wieder zu normalisieren. … Mein Plan war aufgegangen. Das Chattanooga wurde das Beste aller Tanzlokale in Österreich und der gesellschaftliche Hotspot. …Internationale Kapellen spielten zu gepflegtem Tanz- und Showvergnügen mitten in der Wiener Innenstadt. Das junge Publikum tanzte mit Begeisterung. … Man erschien wohl angezogen mit Krawatte oder Kleid. An der Garderobe gab es siebzig Krawatten zum Ausleihen. Lange Haare bei Herren und Blue Jeans waren unerwünscht. … Horst Winter, der beliebte Musiker und Komponist aus Berlin, spielte mit dem Wiener Tanzorchester und viele Prominente besuchten das Chattanooga." Außerdem engagierte Funk Kapellen aus dem Ausland. Zwar zerschlug sich ein Engagement der Beatles, doch liest sich die Liste der Ausführenden wie ein Who is Who jener Zeit, u. a. Fatty George, Friedrich Gulda, Roy Black, Waterloo und Robinson. Die Rolling Stones, Udo Jürgens und Peter Kraus waren unter den Gästen, auch eine junge Philippinin namens Tessy. Sie wurde nicht nur Funks Mitabeiterin, sondern auch seine Ehefrau.

Mit einer neu gegründeten Agentur war Funk weltweit unterwegs und begleitete die Ensembles auf Tourneen. "In den folgenden Jahren wurde die 'Chattanooga Production & Promotion' zum größten Kapellenimporteur Europas. … Unser Bankkonto erreichte einen Höchststand. Aber anstatt weiter zu arbeiten und viel Geld zu verdienen entschlossen wir uns, zu heiraten, eine Familie zu gründen und ein schönes Haus zu bauen." In Gießhübl fand sich das passende Grundstück. Den Plan verfasste der Bauherr selbst. Wunschgemäß kamen zwei Kinder, Michi und Bella, zur Welt. Das Geschäft wurde verpachtet und es folgten "Die zehn schönsten Jahre mit der Familie".

Nach dem Ende des Pachtvertrags übernahm der Besitzer wieder den Betrieb. Was er zu sehen bekam, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Nicht nur das Lokal war desolat, es hatte sich auch "einen ganz üblen Ruf erworben". Razzien, Beschwerden und Polizeieinsätze standen an der Tagesordnung. An ein Tanzlokal war nicht mehr zu denken. Der inzwischen 72-jährige Max Funk hatte wieder eine Idee: Ein Bierrestaurant wie in Deutschland sollte es werden. Bald war das Lokal umgebaut, dekoriert und erhielt den klingenden Namen "Wiener Stadtbräu". Die Küche wurde auf den neuesten Stand der Technik gebracht und der Schanigarten verschönert.

Inzwischen hatten Sohn und Tochter eine gastronomische Ausbildung absolviert und die Firma übernommen. Ihr Vater darf zufrieden sein. "Obwohl ich viel zu tun hatte, nahm ich mir die Zeit, um über mein Leben zu schreiben. Es war interessant und abwechslungsreich mit vielen Höhen und Tiefen und ich erinnere mich gerne an die zahlreichen Ereignisse in meinem doch recht langen Leben. … Mit viel Glück konnte ich alles erreichen, von dem ich einst geträumt hatte."

hmw