Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Barbara Beer: Es geht nicht um schön#

Bild 'Beer'

Barbara BEER: Es geht nicht um schön. 15 Restaurierungsgeschichten aus dem Wien Museum. Residenz Verlag Salzburg. 176 S., ill., € 28,-

Scheinbar stehen der Titel und die Ausstattung des Buches im Widerspruch. Hier ein exklusives Layout und gold-geprägtes Cover, dort die Erklärung der Autorin: "Es geht nicht um schön". Passend erscheint die "Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht", auf dem Buchumschlag. Teresa Feodorowna Ries schuf die Marmorskulptur 1895 - ein Vierteljahrhundert bevor Frauen an der Akademie studieren durften. "Das Bild vom Wieder-schön-Machen und Frisch-Aufmöbeln hält sich hartnäckig. Dabei geht es bei der Restaurierung darum, Objekte mit ihrer Geschichte zu bewahren, und nicht um Glanz und die Wiederherstellung eines vermeintlichen 'Originalzustandes'." Barbara Beer ist "Kurier"-Kolumnistin. In journalistisch gekonnter Art gibt sie - anlässlich der Neueröffnung des Wien Museums - Einblick in fünfzehn außergewöhnliche Restaurierungsgeschichten. Ihr Buch erzählt von Maßnahmen zwischen Hightech und Handwerk, Materialien unterschiedlichster Art, akribischer Recherche, Röntgenaufnahmen, Innenkonstruktionen und Transport. Die fachspezifischen Erläuterungen schrieb Alexandra Czarnecki, die Leiterin der Abteilung Objektbetreuung und Restaurierung.

Das spektakulärste Objekt der neuen Dauerausstellung, ist der "ramponierte Riese". Zehn Meter lang, drei Meter breit und 1,7 Tonnen schwer, war der "Praterwal" Generationen lang das Wahrzeichen eines populären Gasthauses. Als es den Betrieb einstellte, schien auch sein Ende besiegelt. Der Abbruchunternehmer, der die markante Skulptur aus Holz und Kupferblech entsorgen sollte, rettete sie. Nach einer Umfrage heißt der Wal nun "Poldi".

Ein Highlight der früheren Dauerausstellung bildete Egon Schieles Bild "Junge Mutter". Er malte es 1914 als Hochzeitsgeschenk für seine Schwester. Als eines der wenigen Gemälde ist dessen Oberfläche nicht gefirnisst und daher nahezu unverfälscht erhalten. Die jetzige Restaurierung brachte eine Überraschung zu Tage: Schiele hatte die Komposition anders geplant als ausgeführt, nämlich mit zwei Kindern, von denen er eines übermalte. Röntgen- und Infrarotaufnahmen zeigten die unterschiedlichen Maletappen. Wenn man es weiß, kann man die Konturen des verschwundenen Kopfes erkennen.

1906 eröffnete Adolf Grünsfeld in der Favoritenstraße ein Geschäft für Uhren, Juwelen und Silberwaren. Er warb dafür mit einer Wandmalerei auf einer Hausmauer. Solche Objekte werden selten bewahrt. Man wagte es trotzdem, "die Übung gelang, nichts ist verloren gegangen, die Malerei konnte als Ganzes abgenommen werden." Konserviert und zurückhaltend retuschiert, erinnert sie nun an das Schicksal der Wiener Jüdinnen und Juden.

Eine zentrale Rolle im neuen Wien Museum spielen die Originalplastiken des Providentia-Brunnens. Georg Raphael Donners Figuren - aus einer damals beliebten weichen Blei-Zinn-Legierung - zählen zu den Glanzpunkten der europäischen Plastik des 18. Jahrhunderts. Nach dem Abbau der Originale auf dem Neuen Markt verbrachten sie fast ein Jahrhundert im Marmorsaal des Unteren Belvedere. Sie sollten in das geplante Stadtmuseum kommen, doch wurde dieses damals nicht gebaut. 2021 sind sie in die Nachfolge-Instititution heimgekehrt.

Ein weiteres rares Exponat ist der "Pompejanische Salon" aus dem Palais Caprara-Geymüller, dem späteren Niederösterreichischen Landesmuseum. Wiens einziges museales Interieur aus dem Klassizismus besteht "aus Wandpaneelen, auf denen Malereien auf Seide aufgetragen sind. Vorrangig handelt es sich um drei Raumseiten umfassende Wandbespannungen mit 60 partiell bemalten Bildfeldern aus dunkelbrauner und hellbeiger Seide, vier Leinwand- und zwei Holztafelgemälden. Restauratoren und Restauratorinnen für Gemälde und Holz, sowie Vergolderinnen und Textilexpertinnen waren hier am Werk. Und mehr denn je galt: Restaurierung ist Gemeinschaftsarbeit."

Rossharnische sind seltene Objekte. Das Wien Museum präsentiert die älteste, beinahe komplett erhaltene Pferderüstung neu. Seit Jahrhunderten ausgestellt, zeigt erst die jüngste Restaurierung die Rüstung so, wie sie ursprünglich gedacht war. Das zur Demonstration verwendete Holzpferd war für den aus dem Jahr um 1450 entstandenen Harnisch viel zu klein, auch dessen Teile passten nicht zusammen.

Ein anderes Prachtstück stellt der Dienstwagen des Wiener Bürgermeisters dar. Die symbolträchtige Kutsche fertigte der Sattlermeister Laurenzi 1853 an. Das Prachtgefährt diente noch Bürgermeister Lueger, der allerdings schon ein Auto bevorzugte. In den 1920er Jahren kam das Fahrzeug in das städtische Museum - wo es heute an Seilen von der Decke hängt, "bestens gesichert und von unten beäugt vom staunenden Publikum."

Das älteste im Buch vorgestellte Exponat ist das Fragment eines Mammutstoßzahns. 82 cm lang und rund 15 cm im Durchmesser, stammt er aus der Zeit um 33.000 bis 11.000 v. Chr. Bei Objekten dieser Art steht die Klimatisierung im Fokus. Die Wiener Fürstenfiguren, Herzog Rudolf IV, seine Gattin Katharina von Böhmen, die Eltern und Schwiegereltern, zählen zu den kulturhistorisch und künstlerisch bedeutendsten Werken des 14. Jahrhunderts in Österreich. Sie sind "erstaunlich realistische Porträts, die in der damaligen Skulptur eigentlich keine Parallelen haben." Aus Leithakalkstein gefertigt, standen sie an der Westfassade und am Südturm des Stephansdoms. 1858 ersetzte man sie durch Kopien und überließ sie 30 Jahre später dem städtischen Museum.

Die mittelalterlichen Glasfenster von St. Stephan haben durch die Restaurierung ihre Farbenpracht zurückerhalten. Die "absolute Rarität" wurde instandgesetzt und neu präsentiert. "Allein durch das Reinigen sind die Farben kräftiger geworden", weiß die Restauratorin. "So eine Farbexplosion hat man bei keinem anderen Kunstwerk." Franz Grillparzers Klavier, ein früher "Bösendorfer" aus der Zeit um 1835, ist nun wieder "nahe am Originalzustand." Ziel der Restaurierung war es, den Flügel spielbar zu machen. Heute kann man kleine Präsentationskonzerte darauf abhalten. Das Instrument befand in der alten Ausstellung im rekonstruierten Wohnzimmer des Dichters. Das Gemälde "Die Kaiserstadt an der Donau" misst 21 m². Der Landschaftsmaler Anton Hlavacek hat ab 1878 sechs Jahre lang daran gearbeitet. Das Monumentalgemälde gehört zu den größten Stadtansichten Wiens und war, von Verschmutzung abgesehen, in einem guten Zustand. Eine andere großformatige Attraktion des neuen Wien Museums ist ein historistisches Modell des Stephansdoms, das sich seit 50 Jahren auf dem Dachboden des Doms befand. Hier war vor allem Reinigung angesagt, zugleich Prophylaxe für kommende Jahrzehnte.

Höhepunkt und Abschluss des spannenden Buches ist Erwin Pendls Wien-Modell. Barbara Beer nennt es ein "3D-Aquarell". Ein vierköpfiges Team hat sich drei Jahre (oder 2400 Stunden) damit beschäftigt. Die WienerInnen konnten Patenschaften für einzelne Gebäude übernehmen. Das aus sechs Teilen bestehende Modell aus Papier und Karton ist auf einem Lattenrost aufgebaut und jetzt wieder mit einem Glassturz geschützt. "Die restauratorische Behandlung nach dem Zweiten Weltkrieg war zwar gut gemeint. Aus heutiger Sicht handelte es sich jedoch um unzulässige Eingriffe", weiß die Autorin. Sie schließt: "Seiner Faszination tut dies keinen Abbruch. Man erkennt an ihm, besser als man es an einem Plan oder einer 3D-Animation jemals könnte, das Gesicht der Stadt."

hmw