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Peter Payer, Johannes Hloch: Gebirgswasser für die Stadt#

Bild 'Payer'

Peter PAYER, Johannes HLOCH: Gebirgswasser für die Stadt - Die I. Wiener Hochquellenleitung. Falter Verlag Wien. 128 S. ill., € 24,90

Vor kurzem feierte die Erste Wiener Hochquellenleitung ihr 150-Jahr-Jubiläum. Sie wurde im Herbst des Weltausstellungsjahres1873 eröffnet. Der Bild-Textband des Stadthistorikers Peter Payer vom Technischen Museum und des Fotografen Johannes Hloch würdigt das Pionierprojekt, das bis heute eine zentrale Infrastruktur für die Bundeshauptstadt darstellt. Beide Autoren haben seit ihrer Kindheit eine persönliche Beziehung zu dieser Region. Die 100 km lange Wasserleitung aus dem Rax-Schneeberg-Gebiet prägt mit ihren Quellfassungen, Stollen, Wasserschlössern, Aquädukten und Reservoirs diese Gegend Niederösterreichs und Teile Wiens. Der Landschaftsplaner und Fotografenmeister Johannes Hloch hat sie im Bildteil kenntnisreich und künstlerisch dokumentiert.

Im ersten Teil schildert Peter Payer, "wie eine Wasserleitung zum Mythos wurde." Um 1860 war die Wasserversorgung Wiens eine Überlebensfrage. Die Einwohnerzahl stieg rasant, Seuchen drohten, mit den bestehenden Wasserleitungen fand man kein Auslangen mehr. Der Gemeinderat schrieb einen internationalen Wettbewerb aus, um "Wien in der kürzesten Zeit mit gutem Trinkwasser zu versehen. … Einem aus dem Gebirge herleitbaren Wasser würde vor dem aus der Donau zu entnehmenden der Vorzug gegeben werden." Doch daran hielt sich keines der eingesandten Projekte. Die Kontoversen endeten nach zwei Jahren mit der Wahl des späteren Bürgermeisters (1868-1878) und Naturwissenschaftlers Cajetan Felder (1814-1894) zum Obmann der Wasserversorgungskommission. Er bevorzugte, wie der Gemeinderat und Geologe Eduard Sueß (1831-1914), die Gebirgswasser-Variante. Nach einer Exkursion in das Höllental stand ihr Entschluss fest. Die Qualität der Quelle, aus der sich der Hof seit der Zeit Karl VI. Wasser bringen ließ, war überzeugend. Franz Joseph schenkte der Stadt die Kaiserbrunnquelle. Die Utopie "kaiserliches Wasser für alle" nahm Gestalt an. Die Verantwortlichen pflegten internationalen und interdisziplinären Austausch. Das Projekt, nach Pariser und Londoner Vorbild, wurde vom englischen Bauunternehmer Antonio Gabrielli realisiert. 1870 nahm der Kaiser den Spatenstich vor. Mineure aus Südtirol und hunderte Arbeiter aus Niederösterreich und der Steiermark schufen elf Kilometer Stollen sowie Quellfassungen, Kanäle und Aquädukte. Am Wiener Rosenhügel entstand der höchstgelegene Wasserbehälter, dem Reservoirs auf der Schmelz und auf dem Wienerberg folgten. In nur 24 Stunden erreichte das Quellwasser die Stadt. Erstmals war dies Ende August 1873 der Fall. Zwei Monate später nahmen Kaiser und Bürgermeister beim neuen Hochstrahlbrunnen auf dem Schwarzenbergplatz die offizielle Eröffnung vor. Eduard Sueß, der Vater des Projektes, hatte Auszeichnungen abgelehnt. Zu seinem 80. Geburtstag, 1911, erhielt er die Ehrenbürgerwürde. Eduard Strauß komponierte für ihn eine Polka mit dem Titel "Die Hochquelle". Kaiser Franz Joseph bedankte sich in einem Handschreiben: "für die Reichshauptstadt Wien haben Sie … ein Werk geschaffen, das ihre Bewohner jeden Tag als Wohltat empfinden."

Die Zeitungen lobten das größte Werk, das die Kommune Wiens jemals zustande gebracht habe. Peter Payer hat einen zeitgenössischen Pressespiegel zusammengestellt, z. B.: "Diese merkwürdige Schöpfung, die in ihrer kühnen und großartigen Anlage die so vielgepriesenen Aquädukte der alten Römer weit überragt, ist das herrlichste Denkmal bürgerlichen Gemeinsinns, zugleich ein Triumph der modernen technischen Wissenschaft." (Leipziger Illustrierte Zeitung). "Die Wiener Wasserleitung wird stets als ein ehrendes Zeugniß der Wissenschaft und der Technik unserer Zeit bestehen und zudem noch dem Bürgersinn einer Großstadt zur Ehre in aller Zukunft gereichen." ("Über Land und Meer", Stuttgart).

Doch, so der Autor, "die Euphorie währte nur kurz." Im Winter herrschte Wasserknappheit. Der Hochstrahlbrunnen versiegte mehrmals. Rohrbrüche und technische Gebrechen ließen die spöttischen Wiener von der "Hochqualenleitung" sprechen. Die Stadt verfügte Rationalisierungen, behalf sich mit Provisorien und nahm Ausbauten vor. "In den Jahren 1887 bis 1900 gelangten zahlreiche Erweiterungen der Wasserleitung zur Ausführung. Mehrere ergiebige Quellen oberhalb von Kaiserbrunn und im Höllental wurden mit einbezogen. … Allmählich stellte sich ein nachhaltiger Erfolg ein. 1888 wurden bereits 90 Prozent der Wiener Häuser mit Hochquellwasser versorgt." In der Nähe des gotischen Bildstocks "Spinnerin am Kreuz" entstand 1899 das Wasserhebewerk am Wienerberg mit seinem charakteristischen Wasserturm als neues Wahrzeichen. Die 67 m hohe architektonisch-technische Sehenswürdigkeit versorgte die höher gelegenen Teile von Meidling und Favoriten. Für den durch Zuwanderung und Eingemeindung gestiegenen Bedarf reichte das Wasserquantum nicht aus, obwohl es täglich 110.000 m³ betrug. Eine zweite Hochquellenleitung, diesmal aus dem steirischen Hochschwabgebiet, wurde 1910 eröffnet und brachte täglich 180.000 m³. "Erstmals herrschte in Wien keine Wasserknappheit mehr."

Im Ersten Weltkrieg erklärte eine kaiserliche Verordnung die Erste Hochquellenleitung zum staatlich geschützten Unternehmen. In der Zwischenkriegszeit wurde das Quellschutzgebiet erweitert, denn durch den Bau der Raxbahn explodierten die Touristenzahlen, allein 1926 brachte die neue Seilschwebebahn 80.000 Personen auf die Rax. In den 1930 Jahren entstand der Slogan "Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub heimkommt? Auf Hochquellenwasser und Ankerbrot." Europas größte Brotfabrik verwendete den Werbespruch drei Jahrzehnte lang.

Die Instandsetzungsarbeiten an der Wasserleitung nach dem Zweiten Weltkrieg gingen zügig vor sich. Ab Juli 1945 floss wieder Hochquellenwasser nach Wien. Seit dem 100-Jahr-Jubiläum, 1973, besteht das Wasserleitungsmuseum in Kaiserbrunn, auch die Ursprungsquelle ist seither zu besichtigen. Seit dem 125-Jahr-Jubläum, 1998, kann man den "1. Wiener Wasserweg" besuchen. Heute liefert die Erste Hochquellenleitung täglich bis zu 220.000 Millionen Liter. Gemeinsam mit der Zweiten Wasserleitung - und bei extremer Trockenheit zwei Grundwasserwerken - deckt sie den Tagesbedarf von 390 Millionen Liter. "Wien ist damit in der Luxussituation, sämliche 23 Bezirke mit Quellwasser versorgen zu können. … Eine derart flächendeckende Versorgung einer Millionenstadt mit Hochgebirgswasser ist die absolute Ausnahme." Wenn Wien weltweite Städte-Rankings anführt, liegt dies nicht zuletzt an der Wasserversorgung.

Der zweite Teil des Jubiläumsbuches enthält ein Interview, das der Autor mit Paul Hellmeier, dem Leiter der Magistratsabteilung 31, führte. "Wiener Wasser" beschäftigt rund 570 MitarbeiterInnen, von denen 40 mit der Ersten Hochquellenleitung betraut sind. Das Rohrnetz umfasst 3000 bis 4000 km. 16 Kraftwerke erzeugen aus Trinkwasser Ökostrom, das 17. ist beim Behälter Hungerberg (Wien 19) im Bau. In Neusiedl am Steinfeld (Niederösterreich) entsteht der größte Wasserspeicher Europas mit einem Fassungsvermögen von einer Milliarde Liter Wasser. Transportleitungen werden ausgebaut. "Damit hoffen wir, für alles gerüstet zu sein, was auch immer vom Klimawandel noch kommen wird", schließt der Experte.

"Wasserschlösser, Einstiegstürme, Aquädukte" nennt Johannes Hloch seine ab 2020 entstandene Fotoserie der Wasserleitungsbauten. Sein erstes Ziel und "ein dramaturgischer Höhepunkt" war Nasswald. "Da findet sich die Fassung der Wasseralmquelle mit ihrer monumentalen Architektur, die 1894 das langjährige Ende der Leitung darstellte. … Der repräsentative Anspruch des Bauwerks, der mangels Publikum als Selbstzweck erscheint, hat etwas Eigenartiges. Und dort liegt das Wasserschloss Reisstal, das den Schneealpenstollen abschließt. … Nach und nach erforschte ich die gesamte Länge der Hochquellenleitung. Die ikonenhaften Einstiegstürme, die in regelmäßigen Abschnitten den Leitungsverlauf in der Landschaft sichtbar machen. Die markanten Aquädukte … Bei der Aufnahme liegt mein Fokus auf der Suche nach geeigneten Perspektiven, die dem Bauwerk gerecht werden und von denen aus die wichtigen Bildelemente sich zu einem stimmigen Ganzen vereinigen. … Sämtliche vorliegenden Bilder sind frei von Retuschen und zeigen die Szenen so, wie sie sich zum Aufnahmezeitpunkt präsentiert haben."

hmw