!!!Stöger, Peter 

!![Teil des Austria-Forum Archivs|AEIOU/Austria-Forum_und_NID]

~* 24.10.1939 in Linz\\
† 25.04.1997 in Wien\\ \\

Bühnenbildner, Maler, Graphiker, Literat\\ \\
--> [Bildergalerie|Kunst_und_Kultur/Bücher/Peter_Stöger_Galerie]   [Oeuvre|Kunst_und_Kultur/Bücher/Peter_Stöger_Werkübersicht]   [Werkeverzeichnis|Kunst_und_Kultur/Bücher/Peter_Stöger_Werkverzeichnis]   [Interpretation|Kunst_und_Kultur/Bücher/Peter_Stöger_Interpretation]   [Presse|Kunst_und_Kultur/Bücher/Peter_Stöger_Presse]   
\\
--> [Introduktion zum literarischen Schaffen|http://www.evolver.at/stories/peter_stoeger]\\
--> [Tondokument: Peter Stöger liest 1982 aus seinem "monokel des polyphem"|Kunst_und_Kultur/Bücher/Peter_Stöger_Biographie/Stoeger.mp3]\\
--> [kommentiertes Faksimile "das monokel des polyphem - notizen"|http://www.evolver.at/stories/peter_stoeger_polyphem_notizen_001]
\\ \\  
 
__Bilder zum Vergrößern anklicken!__\\ \\

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[{Image src='BB_1962_Amedee_Paris_kl.jpg' height='220' caption='Bühnenbild 1962' alt='Bühnenbild 1962, Theater im Zentrum, Wien, "Kein Krieg für Amedee"' width='281'}]
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[{Image src='BB_1962_Amedee_kl.jpg' height='220' caption='Bühnenbild 1962' alt='Bühnenbild 1962, Theater im Zentrum, Wien, "Kein Krieg für Amedee"' width='353'}]
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[{Image src='v04_1962.jpg' height='220' caption='Peter Stöger 1962' alt='Peter Stöger 1962' width='305'}]
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%%center
%%small 
Peter Stöger vor seinen Bühnenbildern "Kein Krieg für Amedee" im Theater im Zentrum, Wien 1962 
%%
%%
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%%(width:70%; border:1px solid;)
   ''__Familienverhältnisse (Auswahl)__'':

   __zu Homer:__... stets kriegsbegeistert zeigte sein Onkel Hugo sich
     trotz fortschreitender Erblindung ...\\
   __zu Klopstock:__... sonder Grazie, doch voll Elan erwies sein Vetter Rudolf
sich beim Schlittschuhlauf... \\
   __zu Goethe:__... der schwarze Rüde, den ein Hundezüchter seiner Mutter
schenkte, hörte auf den Namen                           Faust; auch wohnte sein Onkel
     Otto samt Gattin Mariechen in Frankfurt am Main ...\\
   __zu Schiller:__... in St.Florian werkte sein Onkel Hans als Glockengießer...\\
   __zu Grabbe:__... er selbst trank zeitlebens zu oft zu viel —
usw. usw. ... \\
%%\\ 
Mit diesen Worten gab __Peter Stöger__ 1982 im 1. Textauszug auf Seite 14 seines
__"monokel des polyphem"__ literarisch einen biografischen Kurzeinblick. Dessen nüchterne Erweiterung liest sich wie folgt:

__Peter Stöger__ wurde am 24.10.1939 in Linz/Donau als Sohn des Bahnangestellten __Wilhelm Stöger__ und dessen Gattin __Margarete__ geboren,die Schwester __Christine__ vier Jahre später. Er besuchte das Humanistische Gymnasium auf der Spittelwiese und ab 1955 die __Kunstschule der Stadt Linz__ (heute Kunstuniversiät), wo er die Meisterklasse
für Graphik unter __Alfons Ortner__ 1958 abschloss.

Aus dieser Zeit stammt seine Freundschaft mit dem "Hausrucker"
__Klaus Pinter__, sein Atelierkollege seit 1956. Peter Stöger berichtete im Vorwort des Katalogs zu Pinters Ausstellung "Made in Tyrol" 1988 über ihre Komplizenschaft, u.a.: ... (''Auf freier Wildbahn''
großgezogen: nie wieder domestizierbar!) ...

Wir lasen Lautreamont und kanonisierten __Max Ernst__ und __Marcel
Duchamp__ als unsere ersten, ernstzunehmenden Kirchenväter. Wir
folgten erzürnt den Spuren ''Napoleons in der Wildnis'' der Lobau,
wir leerten die letzte Flasche im regnerischen Morgengrauen vor
der Albertina, wir pumpten die Zeche und balgten uns im Cafe Sport.
Zeitweilig drohte uns die planetarische Zentrifugalkraft aus den
Schuhen zu heben, allzeit aber hielten wir uns mit wohltrainier-
ter Zentripetalkraft im Lot. Gemeinsam erkletterten wir nächtens
den Neustifter Kirchturm, um seine Uhrzeiger auf eine paradoxe
Zeit umzustellen ..."


__Georg Wacha__ schrieb 1998 im Anhang von Peter Stögers Buch
"Peregrinus", über die Jahre in der Kunstschule und danach bis
1968:

"Auf den Jahresausstellungen der Anstalt im Rahmen der Neuen
Galerie im Brückenkopfgebäude trat Peter Stöger erstmals hervor,
er war bei der künstlerischen Ausgestaltung des (nun umgebauten)
Linzer Hauptbahnhofes mit Wandmalereien beteiligt, er war mit
dabei als die Grafikklasse eine Ausstellung im Klingspormuseum
in Offenbach organisierte und beteiligte sich am Grafikwettbewerb
in Innsbruck.

Als __Robert Urmann__, der Obmann des Linzer Jazzclubs (dessen Mitbegründer Peter Stöger war), im Gasthof "Goldener Becher"  am Römerberg in Linz auch Ausstellungen veranstaltete, zeigte er
dort 196o seine Werke. Vor einer Diaschau im "move 1", wie das
Lokal bezeichnet wurde, legte Avantgardist Peter Stöger seine
Einstellung zur Kunst im "Musischen Kalendarium" einer Zeitung
dar:

"Ich bin kein 'gegenstandsloser' Maler, vielleicht nicht einmal
ein 'abstrakter', denn meine Bilder stehen im vollen Erlebnisbezug
zur sichtbaren Wirklichkeit. Meine Bildmotive sind jedoch keine
Hauptworte wie Strauch oder Felsen. Sie stehen mehr mit Tätigkeitswerten in Beziehung, wie wachsen, wuchern und zerfallen.
Die Natur entwirft und erzeugt immer neue Formen, Grundstrukturen und Diagramme, die man überall ablesen kann: im Querschnitt der Baumstämme, in der Äderung der Blätter, in der Erosion der Felsen, in ausgetrockneten Bächen, im Röntgenbild. \\ 
Das Erlebnis dieser Formen und Strukturen ist der optische Anlass zur Bilderfindung. Doch beim Malen herrschen andere Gesetze: Sie sind von der Art und Intensität des Erlebnisses diktiert und bestimmen die bewusste Gestaltung meiner Bilder."


In Wien wurden 1963 Stögers Werke zweimal in der Galerie "Junge
Generation" ausgestellt.

Seine wichtigste Präsentation in Linz fand 1968 im "Forum 67"
in __Wilhelm Kollers__ kleiner Galerie in der Badgasse statt - ein
gesellschaftliches Ereignis. Ausführliche Presseberichte gaben
Zeugnis. U.a. besagt eine Zeitungskritik zur "öffentlichen Verbrennung": Die Gäste seiner "Fumages" hätten besser ein Taschentuch mitgebracht: Stöger eröffnete mit dem Flammenwerfer. Die
Plastikfolien vor seinen Bildern lösten sich in Rauch und Flammen
- die Gäste flohen hustend auf die Straße. Allein die pflichtgetreuen Kritiker blieben. Und was sich vor ihren entzündeten Augen aus infernalischen Schleiern von Rauch und Gestank gebar -
war es die Kunst? Zwischen den verkohlten Plastikfetzen entstand
eine neunteilige Bühnenlandschaft: großformatige Objekte aus
Holz, Gips und Schaumstoffen. Ihre materialgerecht strukturierten Oberflächen sind mit der Spritzpistole effektvoll eingefärbt.
Leuchtfarben contra Werte aus Schwarz und Grau. Und so erinnerte
im ersten Raum der Galerie einiges an Vedovas Kabinett auf der
dritten documenta: Verknüpfung der Bilder, Betrachter zwischen
den Bildern - versuchte Synthese von Bild und Raum.
1982 sagte Peter Stöger rückblickend, wie es zu der Idee der
"Fumages" kam:

"Also diese Bilderverbrennung - es war natürlich ganz etwas
anderes, nämlich ein __subtraktives Verfahren__: nicht etwas durch
Umhüllung verändern, sondern durch Enthüllung klarlegen. Auf
das Feuer bin ich verfallen, da mir auf Grund der Theatertätigkeit kostenlos Kunststoffteile zur Verfügung standen, aus denen ich mit einem simplen Campingbrenner - Flammenwerfer hat die
Kritik geschrieben - Formen herausbrannte. Diese Objekte waren
oft einen halben Meter dick, mit herausstehenden Teilen, 4 m
breit und 3 m hoch, ungeheure Dinger: ein Environment. Das war
mit Plastikbahnen verhüllt, welche sich über Boden und Plafond
zogen, die ich, um zu zeigen, was dahinter, zur Eröffnung aufschmolz. 

Faktisch ein symbolischer Vorgang: Ich enthülle jetzt,
jedoch nicht, indem ich die Bahnen einfach wegnehme, sondern die
Hülle wegbrenne, faktisch die Nachvollziehung des Entstehungsvorganges.
Eingeleitet habe ich es mit der Flammenschrift auf der Gasse vor
der Galerie. Am selben Abend gab es im TV ein Stück der Löwingerbühne. Die Bewohner der Häuser ringsum ließen das Fernsehen sein und schauten alle aus den Fenstern hinunter, und viele Ungeladene drängten
noch in die Galerie, Polizei kam schlußendlich auch. Kurzum, es
war eine ungemein lustige Sache.


Warum es zu einer USA-Ausstellung nicht gekommen ist, obwohl ich
für zwei Monate einen Gratisaufenthalt samt Galerie bekommen
hätte: Die Luftfracht der Objekte hätte ich aus Eigenem finanzieren müssen und dies war für mich eine Unmöglichkeit - so ist dies in die Binsen gegangen."


Die eigentliche Tätigkeit Peter Stögers in den 1960er Jahren
war die Arbeit als Bühnenbildner. Eine umfangreiche [Liste|Kunst_und_Kultur/Bücher/Peter_Stöger_Werkübersicht] zeigt diese erfolgreiche Funktion, die Theaterberichte nannten oft seinen Namen, hoben die Wirkung des Bühnenbildes deutlich hervor.\\ \\

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[{Image src='v04_ev_1963_Farbe.jpg' height='330' caption='Peter Stöger, vermutlich im Malersaal des Theaters "Wiener Komödie", 1963' alt='Peter Stöger, vermutlich im Malersaal des Theaters "Wiener Komödie", 1963' width='497'}]
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[{Image src='Dame_1959.jpg' height='330' class='image_left' caption='Bühnenbild "Der Besuch der alten Dame", Linzer Kammerspiele, 1959' alt='Bühnenbild "Der Besuch der alten Dame", Linzer Kammerspiele, 1959' width='440'}]

%%\\

__Wolf Dieter Hugelmann__ schrieb im EXPRESS vom Mai 1969: 

''"Dabei
hat Peter Stöger mit seinem Bühnenbild für die Ateliertheater-
Aufführung des "Schilderhauses" ideale Vorarbeit geleistet. Was er sich für das verschlungene Alptraumstück 
einfallen ließ, hätte auf jeder Weltstadtbühne zu spontanem Beifall
geführt. Stögers Ausstattung (er schuf auch die Kostüme) hat
Atmosphäre, stammt direkt aus der verspielten und dennoch bedrohlichen Welt __Audibertis__. Peter Stöger, der seit Jahren im Wiener Keller verdienstvolle Arbeit leistet, sollte endlich einem
'größerem' Direktor auffallen."''


Das Jahr 1969 brachte einen harten Einschnitt in der Entwicklung
des Künstlers. Der junge Haushalt (Eheschließung 1961, Geburt
des Sohnes Marcus 1963) erforderte immer dringlicher ein fixes
Einkommen und war der Anlass zur Abkehr vom Leben als Bohemien, es
begann "sein bürgerliches Emperiment".

Der Einschnitt war radikal. Fast alle noch im Eigenbesitz befindlichen Arbeiten wurden vernichtet, von nun an war er hauptberuflich als Siebdrucker tätig, mit anfangs noch sporadischen Arbeiten für andere Künstler, z..B.: __Wolfgang Hutter, Anton Lehmden,Christian Ludwig Attersee.__

Erst 1982 begann wieder - nach einer neuen persönlichen Bindung
mit __Helga Schicktanz__ - die künstlerische Arbeit neben dem Broterwerb. Der Roman "Zweier Trio" wurde gemeinsam mit ihr begonnen; seine Veröffentlichung war erst posthum 2005 möglich.
\\ \\
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[{Image src='v05_ev_1999_Farbe.jpg' height='340' caption='Peter Stöger beim 6. Textauszug des "monokel des polyphem", 1987' alt='Peter Stöger schreibend am 6. Textauszug des "monokel des polyphem", 1987' width='385'}]
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[{Image src='v04_1986_Marcus.jpg' height='340' caption='Peter Stöger mit Sohn Marcus, 1984' alt='Peter Stöger mit Sohn Marcus, 1984' width='546'}]
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\\ \\
1982 - 1987 legte der Künstler jährlich in einer privaten Auflage
von 100 Exemplaren Textauszüge unter dem Titel __"das monokel des
polyphem"__ vor.

__Peter Kraft__ vermerkte im Anhang des 2007 als Faksimile-Sammelband
aller sechs Broschüren im Österreichischen Kunst-und Kulturverlag, Wien
edierten Werkes u.a.:

Peter Stöger war ein begnadeter Cento-Künstler, d.h. er handhabte
das Zitieren und Verfremden von Zitaten als zusammenhängendes, 
alle seine existentiellen Blößen bedeckendes Tarngewand. Das
Cento, in biblisch-religiösem Sinn von __Johann Georg Hamann__, dem
Königsberger Denker und Freund __Immanuel Kants__, souverän und verkünderisch vorgetragen, wird bei Peter Stöger zur Waffe einer grell-humoristischen Attacke auf die Bösartigkeit und letztlich
Unerklärbarkeit der Welt. Das reicht bis zur derbgeilen Zote, zum
antikisch auftrumpfenden Priapismus und, im Extrem, zur gezielten
Blasphemie.

\\ \\

[{Image src='Dickicht.jpg' height='200' class='image_left' caption='"Dickicht (im Besitz der Stadt Wien)", 1957' alt='"Dickicht", 1957, im Besitz der Stadt Wien' width='257'}][{Image src='Schwanberg.jpg' height='200' class='image_left' caption='Johanna Schwanberg im MUSA, 1999' alt='Johanna Schwanberg im MUSA, Wien, Ausstellung Kunst aus OÖ, 1999' width='131'}]
__Johanna Schwanberg__ bemerkte im selben Anhang u.a.: Spezifisches
Charakteristikum dieses Künstlerbuches ist der Dialog zwischen
dem maschingeschriebenen Text und den beigefügten visuellen Elementen in Form von eigenen Zeichnungen, Siebdrucken und Collagen.Peter Stöger führt gekonnt alle nur denkbaren Spielarten möglicher Kombinationen aus Text- und Bildelementen vor. Häufig kommunizierten Texte und Bilder auf einem Blatt miteinander, wobei der
Text auch als grafisches Element vewendet wird... Texte Stögers
kennzeichnet eine große Lust an der Sprache und zugleich eine tiefe
Skepsis an den Möglichkeiten des genormten Sprachgebrauchs - eine
Haltung, die er mjt zahlreichen Schreibenden der Moderne, in erster Linie mit dem von ihm besonders verehrten __James Joyce__ aber auch mit den Künstlern im Umfeld der Wiener Avantgarde verbindet.\\ \\


Durch die "Verwendung pseudoklassischer Formen zur Vermittlung
ganz individueller skurriler und anarchischer Inhalte" wollte
er, so Stöger, die "herrschenden Textgewohnheiten nicht nur ignorieren" sondern sie im "Idealfall auch entlarven." Der Titel legt
auch Zeugnis davon ab, dass es in seinem Gesamtwerk stets um die
Frage ging, inwiefern Denken, Zeichnen und Schreiben, aber auch
die Rezeptionstechniken Lesen und Sehen miteinander verknüpft
sind. Nicht zufällig zitiert er __Michelangelos__ Ausspruch ''"si dipinge
con il cervello, non con la mano"'' (man male mit dem Hirn, nicht
mit der Hand) und fügt dem noch ein bekräftigendes "ma si signore
buonarotti" hinzu.
\\ \\
1982 begann der Künstler auch das __"projekt graphikon":__\\ \\
$$$$1
[{Image src='111_Graphikon.jpg' height='350' class='image_left' caption='Graphikon STUDIE 1983' alt='Graphikon STUDIE 1983' width='479'}]
$$$$2
[{Image src='v06_1983_Graphikon.jpg' class='image_left' height='350' caption='Graphikon LEPORELLO 1983' alt='Peter Stöger bei der Arbeit am Graphikon LEPORELLO 1983' width='247'}]''__Graphikon:__''\\ term. techn. für den Bildfahrplan im Dienstgebrauch der Eisenbahn; er verwendet ein rechtwinkeliges Koordinatensystem, wobei Ordinate und Abszisse Zeit bzw. Ort bezeichnen. Das Graphikon lässt nicht nur die Abfahrts- und Ankunftszeiten des einzelnen Zuges erkennen, sondern auch sein Zusammentreffen mit Zügen der gleichen und der entgegengesetzten Richtung, d.h. die Überholungen und Kreuzungen. (Brockhaus Enzyklopädie Bd.5)\\ \\

\\ \\ \\ \\ \\ \\ \\ \\

Als Sohn des Linzer Bahnhofsvorstands waren Peter Stöger die
großformatigen Papierbögen dieser Bildfahrpläne mit dem oftmals
bizarren Liniengeflecht ihrer Diagramme von Kindheit an vertraut
und wurden nun zum Anlass einer umfangreichen Arbeit:

__Graphikon LEPORELLO:__ Faltbuch mit 14 mehrfarbigen, serigraphischen
Eigendrucken auf 2 mm Multicolor Karton (im Schuber 31 x 43cm),
geöffnet 31 x 6o2 cm.

__Graphikon PORTFOLIO:__ Doppelmappe mit 12 vierfarbigen, handüberarbeiteten Eigendrucken 6o x 82 cm

__Graphikon STUDIEN__ (meist Collagen) hiezu. 
\\ \\ 
Aussehen und Datierungen der letztgenannten Blätter machen jedoch ersichtlich, dass diese
"Studien" - mit wenigen Ausnahmen - keine vorbereitenden Projektskizzen sondern fertige Arbeiten sind, in denen das Graphikonmaterial mit anderem (oft auch anderen Techniken) konfrontiert wird.
Die Blätter des Portfolios hingegen zeigen - trotz ihres unübersehbaren Zusammenhanges - jeweils zwölf konkret unterschiedene Bildsituationen. Der Text ist auf kurze Zitatzeilen reduziert,
erfüllt jedoch eine wesentliche optische Bildfunktion: das
typografische Element innerhalb des geometrisch-objektiven Diagrammrasters und der emotional-subjektiven Handzeichnung.
Der Text des Faltbuches bildet nahezu eine "Erzählung", deren
erstes Wort mit A beginnt und deren letztes mit Z endet.


Das __"projekt graphikon"__ wurde 1984 beim __9. Internationalen  Wittgenstein-Symposion__ in Kirchberg/Wechsel, 1985 im __Französischen Kulturinstitut Wien__(Palais Clam Gallas) und 1986 in der __Oldfather Hall__, Lincoln, USA gezeigt.__\\ \\

%%columns-fill
[{Image src='v06_1985_Gallas.jpg' height='220' caption='Clam Gallas 1985' alt='Ausstellung "projekt graphikon" im Palais Clam Gallas, Wien 1985' width='329'}]
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[{Image src='v06_1984_Wittgenstein_beide.jpg' height='220' caption='Peter Stöger, Helga Schicktanz, Werner Leinfellner, Wittgenstein-Symposion 1984' alt='Peter Stöger, Helga Schicktanz, Werner Leinfellner beim Wittgenstein-Symposion 1984' width='276'}]
----
[{Image src='v07_1985_Clam.jpg' height='220' caption='Clam Gallas 1985' alt='Ausstellung "projekt graphikon" im Palais Clam Gallas, Wien 1985' width='326'}]
%% \\

Zwischen 1984 und 1986 arbeitete Peter Stöger zusätzlich an
seinem __"projekt hemerologion",__ dessen Präsentation für 1987
geplant war.

Der Titel, dessen Mehrdeutigkeit Kalender ebenso wie Tagebuch bezeichnet, stand für eine mehrfarbig bearbeitete Kunstglaskonstruktion. Acrylflächen (jeweils 6o x 8o cm) sollten sich in einem
Metallgerüst über ein Raumvolumen von ca. 6 m Länge, 3 m Breite
und 2 m Höhe erstrecken. Die Darstellung zeigte in abstrahierender Form die Entstehung, Variation, Konzentration und Auflösung von Bildelementen in einem zeitlichen Kontinuum (hemerologion).
Der für das Projekt gewählte Grundriss vervielfachte zudem durch
Knicke, Schräg- und Quertellungen, Ein- und Durchblicke innerhalb
der zusammenhängenden Einzelmotive, denen eine "hemerologische
Mensur" durch das vergrößerte graphische Zitat des Herzschlagdiagramms (EKG) als "basso continuo" zugrunde lag.
Die Entstehungsphasen, Variationen, Skizzen und Modelle zum
Projekt sollten in einem übersichtlichen Text- und Bildprotokoll
dokumentiert werden.
\\ \\
%%columns-fill
[{Image src='v08_1985_Garten.jpg' align='center' height='310' caption='Mit Helga Schicktanz 1985' alt='Mit Helga Schicktanz 1985' width='460'}]
----
[{Image src='hemerologion_1985.jpg' align='center' height='310' caption='projekt hemerologion 1985' alt='projekt hemerologion 1985' width='441'}]           
%%
\\ 
September 1986 brachte in finanzieller Hinsicht einen großen
Einschnitt. Peter Stöger verlor seine langjährige Anstellung,
in den Folgejahren ergaben sich kontinuierlich schlechter dotierte Beschäftigungen.
Da nun sowohl keine weitere technische Möglichkeit bestand, um
das "projekt hemerologion" fertigzustellen, als auch keine Subvention durch öffentliche Stellen, vernichtete der Künstler das schon recht weit gediehene Projekt.

Trotzdem wurden 1986 die Arbeiten zum "Interlegium" aufgenommen.
Als Werkstatt fungierte die Terrasse des Gartens, den __Helga
Schicktanz__ 1983 gepachtet hatte. \\ \\

[{Image src='123.jpg' height='270' caption='Interlegium 1986' class='image_left' alt='Interlegium 1986' width='383'}]Peter Stöger schrieb am 19.8.1986 im imaginierten literarischen Dialog mit
__Johann Peter Eckermann__ (siehe Anhang des Faksimilebandes "das
monokel des polyphem"):\\

''... mir mangelte es just heute an gelber und schwarzer Farbe, sodass ich mich dergestalt wohl oder übel in eine andre Harmonie fügen musste! ... entweder man weiß, was zu tun ist oder man
läßt's bleiben! Jegliche Beschränkung des Materials war mir
schon immer eine Herauforderung: ein vorgegebener Raster, innert
dessen ich umso stürmischer meine gestalterischen Absichten vortragen konnte ... Freilich: ganz ohne "Materie" läßt sich nichts Rechtes gestalten, aber: die Phantasie hilft der Ökonomie doch
des öftern recht flott auf die Beine!''

Und am 21.7.1987: \\	

''Morgen werd' ich also Haarspray oder farblose Lacke (was immer das Billigere sein mag -) erstehen, damit
ich die Blätter endlich übereinander legen kann ... zur Zeit bedecken sie nämlich (wieder einmal) den ganzen Boden des Gartenhäuschens ... Sollte ich die "neueren" Arbeiten ausstellen - nur: womit ich das Ganze bezahlen soll (Plakat, Prospekt, etc.) - das wissen (oder auch nicht?) die Götter ...''\\ \\ 

[{Image src='111.jpg' height='270' caption='Interlegium 1986' class='image_right' alt='Interlegium 1986' width='200'}]
\\ \\ Im August 1987: \\
''1 Tag wie (leichtgegorner!) Honig! (Arbeitsmäßig nämlich -)
Ha, wie hab' ich gewütet: am Papier .. Jetzt bin ich völlig
groggy - alles (Finger, Füße, Augen, Hirn) zittert schlaff
vor  sich hin ,... ich bin auch recht froh mit meinen Produktionen
(obwohl: die Finger meiner Rechten zeigen - neben Farb- und
Schmutzspuren - ganz veritable Schürfflecken + aufgerissene
Wasserblasen ...)''\\ \\  
Im August 1988:\\ 
''... nun ja: mühseligst - des gebrochenen Beines wegen! - hab'
ich mir die Blätter fürs oktoberliche Interlegium zusammengeklaubt .. So hab' ich inzwischen halt nur Notizen (bezüglich
des noch zu gestaltenden Untergrundes) gemacht + die komplette
Ausstellung in der Lade eingesargt.''\\ \\
''... das ist überhaupt das Aller-aller-scheußlichste!! - diese
Unbeweglichkeit! Und dazu diese (gewißlich kleinen, aber überaus
lästigen) Unannehmlichkeiten: 1 mal juckt es, 1 mal sticht es,
1 mal drückt es ... etc. etc. unterm schönen Scotch-cast-Verband!
... Es rinnt der Schweiß deutlich fühlbar (+ juckend!) zwischen
Hülle und Fuß abwärts, es schabt das Schienbein bei jeglichem
Schritt an der harten Hülle, es klopft + drückt, es juckt + zwickt
es ist der oftzitierte, wenngleich nur selten verspürte "Klotz
am Bein", ganz simpel + direkt!''\\ \\ 

Bei der Eröffnung der Ausstellung __"Interlegium"__ am 4.1o.1988
im Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien, lasen __Herbert
Kucera__ (der für den erkrankten Burgschauspieler __Tom Krinzinger__
einsprang) und Autor Peter Stöger __"Die Wetteraussichten vom
Tage."__ In der Vorankündigung der Ausstellung schrieb __Walther
Lippert__ in der Zeitschrift "Vernissage" /Okt. 88 darüber:\\ \\
Der __"barometrische Dialog"__ greift zwar das eine oder andere Leitmotiv aus dem __"monokel des polyphem"__ auf, bezieht sich aber doch vor allem auf "die Aktualität" (in einem freilich recht weiten Sinn) und zeigt den Autor erstmals im Kostüm eines kabarettistischen Dramatikers.\\ \\

[{Image src='Wetteraussichten.jpg'  height='380'  border='1' align='center' caption='Herbert Kucera und Peter Stöger bei der szenischen Lesung "Die Wetteraussichten vom Tage" im Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien, bei der Ausstellung "Interlegium", 1988' alt='Herbert Kucera und Peter Stöger bei der szenischen Lesung "Die Wetteraussichten vom Tage" im Institut für Wissenschaft und Kunst, Wien, bei der Ausstellung "Interlegium" 1988' width='938' popup='false'}]\\ 

Im April 1989 begann Peter Stöger das __"projekt diaphanion"__.\\ \\

[{Image src='Peter_Stoeger_89.jpg' height='380' class='image_left' caption='"projekt diaphanion" 1989' alt='Peter Stöger auf der Gartenterrasse bei der Arbeit am "projekt diaphanion", 1989' width='371'}] Hiezu einige seiner Schilderungen während des Arbeitsprozesses:\\ \\

6. Mai 1989: \\Je nun: Nicht nur war das Wetter heute eher ein
Un-Wetter (10°), auch die diaphanische Arbeit wurde letzlich
eher eine Un-Arbeit .. Trotz größtem Bemühen + geduldigster (stundenlanger!) Wiederholungen, ließ sich meine Farbe (die vorzüglich
zum Bemalen von Glasflächen geeignet ist!) nicht mit der - inzwischen wirklich dutzendmal gründlichst gesäuberten Spritzpistole, in der gewünschten Art aufsprühen ... mechanisch ist sie in Ordnung! Pure Verdünnung etwa sprüht sie durchaus in der gewünschten Feinheit aus ihrer Schlitzdüse ... nur meine Farbe partout nicht!
... ich hab'mich nunmehr lang genug damit geärgert - es kann nur mehr besser werden (und das bissl Fertige ist wirklich gut!) ...\\

13. Mai 1989: \\Das Schlimmste ist, dass ich (seit heute, d.h.: nachdem ich 8 von 9 Platten im Großen + Ganzen fertig habe!) weiß, wie ich das Alles noch viel besser machen könnte, wenn ich - was leider unmöglich ist, mindestens 1 - 2 Monate ununterbrochen an diesem Projekt arbeiten könnte + dazu eine Halle hätte, in der
ich (mit Gehilfen) die Glasplatten zur optischen Kontrolle nach
jedem Farbdurchgang in die rechte Ordnung zusammenstellen könnte
... wenn ich die dazu nötigen Vorrichtungen + unbeschränkte Farbmenge hätte ...

Im Juli 1989 konnte das "projekt diaphanion" im Wiener Theseustempel ausgestellt werden. \\ \\ \\ \\ \\ \\ \\ 

%%columns-fill
[{Image src='v09_1989_Theseustempel_1.jpg' height='280' caption='"projekt diaphanion", Theseustempel, 1989' alt='"projekt diaphanion", Theseustempel, 1989' width='417'}]
----
[{Image src='v09_1989_Theseustempel_3.jpg' height='280' caption='"projekt diaphanion", Theseustempel, 1989' alt='"projekt diaphanion", Theseustempel, 1989' width='411'}]
%%

\\ 
[{Image src='v09_1989_Theseustempel_2.jpg' height='600' caption='"projekt diaphanion", Theseustempel, 1989' alt='"projekt diaphanion", Theseustempel, 1989' width='900'}]


Peter Stögers Kurzinformation hiezu: 

Die "Durchsichtigkeit" (Diaphania) wird in dieser Installation im engsten Connex zum dafür
gewählten Ort - in mehrfacher Weise thematisiert. Glasplatten 
(Format 100 x 100 cm) teilen den Raum in Quer- und Längsrichtung,
sodaß ein Peripatos vorgegeben ist, der die mehrschichtige Bemalung der Glasflächen von beiden Seiten sichtbar macht ("chronologische Durchsichtigkeit" des Arbeitsvorganges), wobei die teilweise Transparenz der Farben eine wechselnde Intensität der "realen Durchsichtigkeit" ergibt. Zudem bilden die einzelnen Sujets (quasi
"naturhafte" Strukturen, denen "geometrisierende" Formen gegenübergestellt sind) einen motivischen Zusammenhang, der von den beiden Schmalseiten des Raumes in der Längsachse jeweils zu seiner Mitte führt.


Am 13.12.1990 schrieb der Künstler aus dem Gartendomizil:


... das Gefühl, so wie die letzten 3 Tage, die nächsten 3 Jahre
hier verbringen zu können ... nämlich: ein Paradies, weil ich ungehetzt meinem psychosomatischen Rhythmus nachgeben kann... hätte ich Zeit genug, ich könnte viele (und ganz andere) Arbeiten fertigstellen, die mir - im sonstigen Zeitdruck - niemals möglich wären.... Na, vielleicht gelingt's mir "in der Pension" (vorm Absterben) - wie so vieles, was ich auf diesen Zeitraum verschieben muß ...		

[{Image src='v10_1991_Finger.jpg' height='200' class='image_left' caption='Die rechte Hand ...' alt='Die rechte Hand ...' width='177'}]1991 brachte dem Rechtshänder einen gebrochenen Mittelfinger an dieser Hand und ein nächstes Ausstellungsvorhaben, das __"projekt agnostikon"__ wurde skizziert:
Der Titel benennt ein graphisches(?) Kompendium aus Texten, Zeichnungen, Drucken, Montagen, etc., die aus ("all"-)tägl ichen Notizen, Skizzen, Überlegungen (und der Varianten) die Arbeit dokumentieren (vielleicht auch problematisieren ...), wobei variable Diagramm-Raster den logistisch-formalistischen Hintergrund bzw. Ausgangspunkt bilden - und eingrenzen ... (Details aus Seismographen, Wetterkarten, EKG, etc.) Die wesentlichsten der entstandenen Arbeiten sollen in einer Art "Wandkalender", einem skulpturalen Großbild in Form variabler Stellwände jeweils raumfüllend installiert werden - die begleitenden Studien zum Projekt in Form eines dokumentierenden Werkheftes vorliegen.

Daran anschließend sollte das __"projekt paralipomena"__ folgen, wovon sich jedoch über den Titel hinausgehend im späteren Nachlass keine weiteren Unterlagen fanden.
Beide Projekte fanden keine Realisation. \\ \\

Peter Stögers literarisches opus magnum, __"das monokel des polyphem"__,
sollte nach den sechs Vorarbeiten (1982-1987) aus vier Teilen bestehen,
mit den Untertiteln: __Peregrinus__ (eine Introduktion), __Fabian__ (eine
Variation), __Nobile__ (ein Interlegium), __Pudelwein__ (ein Supplement).\\ \\

[{Image src='Monokel.jpg' height='300' class='image_left' caption='Sammelband "das monokel des polyphem",2007' alt='Sammelband "das monokel des polyphem", 2007' width='402'}]
[{Image src='v11_1997_last.jpg' height='300' class='image_right' caption='Letztes Foto, 1997' alt='Letztes Foto, 1997' width='205'}]Im Nachlass fand sich nur der 1. Teil __"Peregrinus"__ abgeschlossen, der 1998 im Österreichischen Kunst- und Kulturverlag ediert wurde. \\ 
Der Künstler bezeichnete im Katalog zur Ausstellung 1984 den Inhalt seines __"projekt graphikon"__ als "Stationen eines agnostischen Kreuz- und (Quer-)Weges." 
\\ 
Und meinte am 21.7.1987 (siehe Anhang des Sammelbandes __"das monokel des polyphem"__ 2007) anlässlich der Problematiken bei der Entstehung der graphischen Blätter zum "Interlegium" scherzhaft?: \\ ''"Mutter Aja (Ah-ja?!) liest mir aus der farbverklexten Linken (Handfläche): 
"Nach ewigem Ratschluss sollst sterben du vor deinem Ruhm ..." (oder so ähnlich-)." ''\\ 
Beide Äußerungen können nun im Rückblick auch als nahezu prophetische Definitionen seines zu früh abgelaufenen Künstlerlebens gelten. Peter Stöger starb am 25.4.1997 in Wien.

[{Metadata Suchbegriff=' ' Kontrolle='Nein'}]