!!!CHRISTOPH DRECOLL



[{Image src='Chr. Drecoll.png'class='image_left'height='300' caption='Christoph Drecoll' alt='Modekönig' width='265'}]


Im Modesalon des berühmten Modeschöpfers Herrn Drecoll am Kohlmarkt fanden sich im April 1890  gegen 7 Uhr abends etwa dreißig  Chefs von Wiener  Kleidersalons zu einer Beratung ein, in welcher es sich   darum handelte wie man sich den  Forderungen der Arbeiter gegenüber verhalten und  ob man die  Ateliers sperren soll.Unter ihnen befand sich auch der Chef von Jungmann & Neffe. Die Hälfte der Versammelten bestand aus Damen, Konfektionär Edelmann übernahm den Vorsitz. Bevor noch die Diskussion begann, erschien die aus  drei  Arbeitern des Etablissement Drecoll bestehende Deputation  aus der Gehilfenversammlung, deren Sprecher Benarz, erklärte, dass die Arbeiter an den sechs  aufgestellten Punkten ihrer Forderungen festzuhalten entschlossen sind und heute morgens den Streik eröffnen. Die drei Arbeiter gaben gleichzeitig die Erklärung ab, dass sie sich als entlassen betrachten.

In dieser Versammlung wurde  nach kurzer Beratung der Beschluss gefasst, die Bedingungen  der Arbeiter abzulehnen, dagegen ihnen folgende Konzessionen zu machen: Neunstündige Arbeitszeit, für zehnte und elfte Stunde eine Entlohnung von 40 kr., für jede  folgende Überstunde eine von  66 kr.

Inzwischen trat Herr Rosenberg,  Gesellschafter der Firma Spitzer trat mit dem Lohnkomitee der Arbeiter und den Führern der Werkstätten in Verbindung und verhinderten die Arbeitseinstellung in der Weise, dass er die Arbeiter veranlasste, heute morgens in allen Werkstätten  zu erscheinen und die neuen Bedingungen, die er  mit ihnen vereinbarte und die wenig von den Forderungen der Arbeiter abweichen, vorzulegen, Herr Rosenberg verbürgte sich dafür, diese Bedingungen in allen großen Häusern derart durchzusetzen, dass die Chefs durch eine schriftliche Erklärung  sich verpflichten, die neuen Bedingungen einzuhalten.  Also für Überstunden 66 kr., und der 1. Mai als Arbeiterfeiertag ohne  Entlohnung durchzuführen. In den Ateliers der Firmen Spitzer,  Jungmann & Neffe und Laufer die Arbeit wieder  aufgenommen worden.

Da diese Vereinbarungen den übrigen Arbeitern noch nicht bekannt waren, so wurden die männlichen und weiblichen Gehilfen in den meisten Modesalons am Morgen die Arbeit eingestellt. In vielen Ateliers sind die weiblichen Gehilfen in den Werkstätten erschienen, erklärten jedoch weinend, dass sie gerne die Arbeit unter den alten Bedingungen wieder aufnehmen wollten, wenn sie nicht von ihren männlichen Kollegen in ihrer persönlichen Sicherheit bedroht würden. Herr Drecoll gab  seinen Arbeiterinnen die Zusicherung, er werde dafür sorgen, dass die Arbeiterinnen unbehelligt  ihrer Arbeit nachkommen können. Daraufhin erklärten die Arbeiterinnen, dass dies nicht genügend sei, da man sie förmlich unter Eskorte nach Hause begleiten müsste, um von den Streikenden völlig unbehelligt zu sein. Hierauf erfolgte  seitens des Herrn Drecoll die Kündigung sämtlicher Arbeiter.



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[{Image src='drecoll salon.png'class='image_block'height='400' caption='Drecoll Salon' alt='Kohlmarkt' width='751'}]
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Eine größere Zahl streikender Schneider sammelte sich am Morgen  auf dem Graben und Kohlmarkt, von wo sie  gemeinsam nach dem Salzgries zogen. Dort wurden sie von feiernden Bäcker- und Schlossergehilfen mit lärmenden Jubel empfangen. Die Sicherheitswache musste einschreiten und und verhaftete bei dieser Gelegenheit zwei Schneider wegen Renitenz. Die Schneider zogen hierauf in Gruppen nach der Leopoldstadt ab.

In den Modesalons, bei den Schirmfabrikanten, kurz bei allen Industriellen, welche sonst der Praterfahrt  Aufträge und Arbeit  verdanken, erklären die Kunden, dass sie sich im Augenblick noch nicht für  Bestellungen entscheiden können, da sie ihre Teilnahme an der Praterfahrt  infolge der bekannten Vorgänge noch nicht für gewiss halten.

Drecoll der von der Damenwelt der bevorzugte Modekönig ohne Konkurrenz zu dieser Zeit war, und viele Damen von hohen und höchsten Adel wie auch die weiblichen Koriphäen der Bühnenwelt zu seinen Kunden zählen darf. Die Preise seiner Toiletten waren dementsprechend seiner Einzigartigkeit angepasst.

Drecoll  hat sich aus kleinen Anfängen rasch emporgearbeitet. Vor 12 Jahren war er noch ein kleiner Angestellter im Haus  Hellauer. Um diese Zeit etablierte er sich mit drei Angestellten am Kohlmarkt  als Damenschneider und bald darauf wurde daraus ein Salon, der immer mehr erweitert wurde. Als nun das Geschäft  vor einigen Monaten an eine Hamburger Gesellschaft verkauft wurde, beschäftigte er  bereits 300 Personen. Außerdem stellte er bei der Übergabe an die Gesellschaft die Bedingung, dass keiner dieser Angestellten entlassen werden durfte. Er selbst hatte einen hohen Verkaufspreis erzielt und blieb  vorläufig gegen eine Entlohnung von 35.000 Gulden an der Spitze des Geschäftes.

Die neuen Chefs der Firma Drecoll waren Hamburger Kaufleute Hirsch  und Comp.,  besaßen in Hamburg und Amsterdam große Geschäfte die alle Damenartikel führten. Die  Errichtung eines derartigen Etablissements war für Wien geplant. Die ersten Anfänge waren bereits gemacht und alle Vorbereitungen getroffen, um binnen Jahresfrist das Hunderte von Gewerbetreibende schädigende Werk im großen Stil einzurichten.

Das  Augenmerk wurde auf die Behandlung der Angestellte unter der neuen  Leitung gelenkt. Die Art und Weise wie  die einstigen Drekoll Angestellten nun behandelt werden, lässt zugleich einen Schluss zu, nach welchen Prinzipien künftig ein Geschäft geleitet werden soll, das die hohen und höchsten Herrschaften zu seinen Kunden zählt und daher eine Goldgrube ist. 

Da sie sich an die Bestimmung halten mussten, keinen Arbeiter zu entlassen,  die ihnen jedoch zu teuer kamen, verfielen sie auf die Idee diese aushungern zu lassen, indem sie ihnen wenig zu tun gaben und dadurch weniger verdienten und dann von selbst aus der Firma ausschieden. Ersetzt wurden sie durch billige weibliche Kräfte.

Wenn die Damen aus den höchsten Kreisen ahnen würden, dass ihre so teuer bezahlten Toiletten  von hungrigen Arbeitern und  jetzt von ausgebeuteten Arbeiterinnen hergestellt werden?


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[{Image src='Freiherr u.png'class='image_block'height='400' caption='' alt='Kohlmarkt' width='501'}]
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Nachdem der Bericht von Hungerlöhnen der Arbeiter in der Reichspost erschienen war, gab es bald darauf in der Neuen Freien  Presse eine Erklärung, denn ein Abgeordneter hatte das Abgeordnetenhaus über diese Zustände informiert. Ernst von Wagner ein Gesellschafter der Firma Drekoll, der mit der Reichspost nichts zu tun haben wollte war nun gezwungen diese Erklärung abzugeben und alles als unwahr zu bezeichnen und äußerte zugleich, dass es unter ihrer Würde sei sich mit einem solchen Blatt in eine Polemik einzulassen....

Die Wiener Mode war damals 1896, sehr berühmt und fand in einer Ausstellung in Wien große Beachtung, denn man vermeinte in ein Feenreich geraten zu sein, so viel Schönes, wie teure Juwelen, herrliche Ballroben, all das war bei dieser Ausstellung aufgeboten worden.

Der Chef des Hauses Drekoll  Ernst von Wagner  veranstaltete am Neujahrstag 1898 für seine Arbeiter ein Fest  in den Sälen des Wiener Tiergartens, wo sich 175 Arbeiter und Arbeiterinnen  mit ihren Familien einfanden.  Nach einer Christbescherung und Jause für die Kinder  gab es für die Erwachsenen eine Tombola und ein Festessen. Nachdem der Arbeiter Holaubek  im Namen aller  dem Chef für das schöne Fest  warm gedankt hatte, wurde bei den Klängen einer Musikkapelle dem Tanze gehuldigt, an dem auch Herr von Wagner mit Gattin teilnahmen




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[{Image src='blaue Salon.png'class='image_block'height='400' caption='Blaue Salon' alt='Kohlmarkt' width='425'}]
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Vor Jahresfrist 1896 zog sich der bekannte Modeschöpfer ins Privatleben zurück, gleichzeitig fasste er den Entschluss ein Asyl für beschäftigungslose Schneidergehilfen und  Gehilfinnen zu errichten. Vor zirka zwei Monaten besuchte er  aus diesem Grund mit dem Gemeinderat Herold den Bürgermeister Strobach und trug ihm die Einzelheiten der Widmung vor. Herr Drecoll wollte mit dem Betrag von 100.000 Gulden ein Haus erbauen, in welchem beschäftigungslose Arbeiter der Schneiderbranche verköstigt und  unterrichtet würden. Er verlangte einen in der Inneren Stadt gelegenen Baugrund kostenfrei von der Kommune überlassen. Nach seinem Ableben wäre das Stiftungshaus und der Baugrund in das Eigentum der  Kommune übergegangen. Das Haus hätte eine Räumlichkeit für einen  zu  errichtenden Schneiderkurs enthalten, und Herr Drecoll selbst wollte in diesem  die Vorträge halten. Der Bürgermeister sagte die tunliche Förderung des humanitären Werkes zu. Auch der Schneidergenossenschaft teilte Herr Drecoll seine Absicht mit.  Zu seiner nicht geringen  Verwunderung erhielt er von dem Vorsteher desselben, Fenzl am 4. Dezember eine Zuschrift, in welcher ihm mitgeteilt wurde: Die Genossenschaft würdige die hochherzige Absicht, könne sie aber nicht gutheißen, da durch die Ausbildung neuer junger Kräfte das Elend unter den Kleidermacherinnen nur vergrößert würde, was doch nicht in den Absichten des Stifters liegen kann. Die empfahlen Herrn Drecoll, eine Stiftung für  arbeitslose Gehilfen und Gehilfinnen gelegentlich des Regierungsjubiläums des Kaisers zu errichten. Herr Drecoll war dadurch verstimmt und ließ die ganze Angelegenheit ruhen. Erst gestern abends erhielt er einen Brief des Gemeinderates Herold, in welchem er ihm bekannt gab, soeben die Zusage des Vizebürgermeisters Dr. Lueger erhalten zu haben, das humanitäre Werk nach Möglichkeit zu fördern . - Herr Drecoll der ledig und kinderlos ist, hat die Absicht, sein gesamtes Vermögen fem wohltätigen Zweck  zu opfern, falls ihm die Kommune ein entsprechendes Entgegenkommen zeigt.

„Herr Christoph Drecoll gibt sich die Ehre mitzuteilen, dass ihm laut Breve vom 12. April  1897 von Sr. Heiligkeit dem Papst die erbliche  römische Baronie verliehen worden ist. Herr Drecoll wird die Ehre haben, von jetzt ab zu zeichnen Christoph Baron Drecoll, Inhaber des Mariannenkreuzes des deutschen Ritterordens. Diese freudige Mitteilung war in den letzten Tagen in einem Wiener Blatt zu lesen. Weltlich gesinnten Gemütern wird es zur Befriedigung gereichen, dass unter Umständen die Anfertigung von reizenden Sensationstoiletten auch ein frommes Werk sein kann. Diese Nachricht wird ebenso pikant wie eine jener Enthüllungen wirken, der sie eigentlich ihr Entstehen verdankt. Im Übrigen wird man wohl daran tun, das veraltete Wort, Kleider machen Leute, dahin zu erweitern, Kleider machen auch Barone.


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[{Image src='Speisezimmer.png'class='image:block'height='400' caption='Speisezimmer' alt='Kohlmarkt' width='341'}]
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Dezember 1907: Vor dem Pariser  Handelsgericht hat vor einigen Wochen ein Prozess stattgefunden,   der in den Damenmodesalons Aufsehen erregt. Von einem Korrespondenten in Paris erhält das „Neue Wr. Tagblatt“ die folgende Mitteilungen über ein Gespräch, dass er soeben mit Baron  Christoph Drecoll gab  nachstehende Aufklärungen: „Vor ungefähr  25 Jahren gründete  ich in Wien  die Firma „Chr. Drecoll“, die vor 13 Jahren in den Besitz zweier Berliner Unternehmer, der Herren  Berg und Kahn überging. Durch den damals abgeschlossenen Vertrag verpflichtete ich mich  kein Geschäft der gleichen Branche in Österreich-Ungarn zu errichten. Demnach standen mir alle anderen  Länder offen. Die genannten Herren errichteten nun  vor fünf Jahren eine Filiale  ihrer Wiener Firma in Paris. Da ich hinsichtlich Frankreichs durch meinen Vertrag nicht gebunden war, errichtete ich  hier in der Rue de la Paix vor 16 Monaten ein eigenes Haus unter der Firma „Christoph Drecoll“ und trieb meine Gewissenhaftigkeit so weit, dass ich auf den  Firmentafeln den Vermerk  anbringen ließ  „Maison  fondée en 1907“, um jede Verwechslung vorzubeugen. Meine  bona fides ist somit zweifellos. Die Herren Berg und Kahn strengten gegen mich  einen Prozess vor dem Pariser  Handelsgericht an, um mir die Führung meines Namens zu verbieten. Dies erschien mir übertrieben. Mein Anwalt Maitre Clemensceau, der Bruder des Ministerpräsidenten teilte meine Zuversicht, die durch das Urteil des hiesigen Handelsgerichtes gründlich enttäuscht wurde. Das Urteil vom 19. Oktober  verbietet mir  in der Tat unter Androhung eines großen Pönales die Führung meines eigenen Namens. Gegen das Urteil, das noch nicht  rechtskräftig ist, habe ich sofort die Berufung bei dem Pariser Zivilgericht angemeldet.“

Nun kam für den verwöhnten Modeschöpfer eine schwierige Zeit, Drecoll kam in Zahlungsschwierigkeiten – der Gedanke ist  nahezu unfassbar, bedenkt man was sich stets am Kohlmarkt abgespielt hatte, wo die Reichen und Schönen ein und aus gingen um sich neu einkleiden zu lassen, das Geld spielte kaum eine Rolle, man war bestrebt all die Freundinnen und Bekannten auszustechen, Nun das Blatt hat sich gewendet, die ungünstige Wirtschaftslage zwang  auch die Schönen und Reichen  sich vom Luxus  zu verabschieden, die Monarchie mit den Mitgliedern des Kaiserhauses, die Hocharistokratie,   waren selbst verarmt, all das bekam nun der Modeschöpfer  in den  diversen Drecoll Firmen  zu fühlen, es fehlte an dem nötigen Geld .

Der berühmte Modeslon Drecoll gehörte längst der Vergangenheit an.

Im Jahr 1934 war  Decroll gezwungen in Konkurs zu gehen, Elias erwarb die fallite Firma um 1000  Schilling musste allerdings auch die Passiven  und Ausgleichsschulden übernehmen. Jaques Elias, der  auf Kredit einkaufte, die Schulden erreichten schließlich die Höhe von  288.000 Schilling. Elias wird die Schädigung der Massegläubiger zum Vorwurf gemacht.

Jacques und Melanie  Elias  befinden sich seit dem Spätsommer in Untersuchungshaft

In einem Altersheim zu Hoffnungstal zu Berlin starb dieser Tage , Februar 1940, im 88. Lebensjahr  Christoph Freiherr von Drecoll, der einst gefeierte Modekönig Wiens. Drecoll entstammte einer Hamburger Hugenottenfamilie. Er wurde Offizier und machte den französischen  Feldzug von  1870/71 mit. Nach seiner Rückkehr wurde er Damenschneider und erregte in allen Kreisen  der Gesellschaft  großes Aufsehen. Sein Traum wurde Wirklichkeit, er wurde als Modekönig zum  Mittelpunkt der Damenwelt. In der Nachkriegszeit erlosch sein Glanz, die Inflation raubte sein Vermögen, Den Rest vergeudete ein unlauterer Prokurist. Drecoll hatte nun Zeit und verfasste sein Lebenserinnerungen.

__QUELLEN:__  Reichspost  27. Februar 1896 S 12, Neues Wiener  Journal  5. Februar  1897, S 4, Vaterland  15. Dezember  1907 , S 9, Die Stunde , 1.  März 1929, S 5,  Salzburger Volksblatt, 17. November  1934, S 9.   __Bilder:__  Sport und Salon  18. November 1905, Seiten 5, 6, 7., Wiener Salonblatt, 28. Jänner 1894 S 5. ANNO Österreichische Nationalbibliothek.

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