!!!HOFSTALLUNGEN


[{Image src='Hofstallgebäude.png'class='image_left'height='200' caption='Des Kaisers Vorstellung' alt='Hofstallungen' width='443'}]



Bis in die Zeit Kaiser Karl VI., Vater der Kaiserin Maria Theresia  war es Pflicht der Stadt Wien,  für die Einstellung der Pferde und Maultiere des kaiserlichen Marstalls  zu sorgen. Sie waren in Ställen in der heutigen Schreyvogelgasse und zu diesem Zweck waren verschiedene „Häuser in der Stadt“ und „auf der Wieden“, gesamt  53 an der Zahl, seit damals bestimmt, eine gewisse Anzahl von Pferden und Maultieren aufzunehmen, wofür sie  von andern Quartier Lasten und der Quartier Steuer befreit waren.

Als Kaiser  Karl VI.,  daran dachte, den kaiserlichen Marstall in einem Gebäude  zu vereinen, doch wie hoch würden sich die Kosten dafür belaufen  und wie soll diese Summe aufgebracht werden? Darum wurde nun eine Hofkommission  eingesetzt, die  das Vorhaben  zu  überprüfen hatte. Nach mehreren Beratungen trat man an die Gemeinde Wien mit dem Vorschlag heran, sie soll  70.000 Gulden dazu  vorstrecken, von denen 10.000 Gulden  sofort flüssig zu machen wären, der Rest jedoch  nach und nach   14 tägige „Erinnerung“. Hingegen sollte der Stadtrat die Macht bekommen, alle jene Hausherren „in der Stadt“, die die Verpflichtung hatten, die kaiserlichen Pferde oder Maultiere einzustellen,  zu einem „billigen Beitrag“ zur  Entledigung der Quartiere anzuhalten, oder, wenn diese nicht darauf eingingen,  zu einer „proportionierten Quartier Steuer“ heranzuziehen.

Der Magistrat setzte sich nun  mit den  einzelnen Hausbesitzern zunächst in der Stadt ins Einvernehmen, fand aber wenig Entgegenkommen, so dass die  Hofkommission weiter vorschlug, sollte die Summe von 70.000 Gulden nicht aufgebracht werden, so möge die Stadt Wien den noch fehlenden Betrag ersetzen, wofür ihr  das  Freimachung Ertrag von den  „Quartier-Stallungen“  überlassen werden sollte. Damit die Hausherren den Forderungen mehr entsprechen, wurde ihnen ein kostenloser kaiserlicher Freibrief in Aussicht gestellt, kraft dessen aus ihren Häusern „die kaiserlichen pferd auf ewig auslogiert“  werden und  „jener ort, alwo solche pferd oder maultier gestanden, in ewigen  zeiten zu keinem quartierteil mehr gezogen“ noch mit einer höheren Steuer belegt werden könne.

Der Stadtrat lud nun die einzelnen Hausbesitzer vor, sprach ihnen,  „soviel möglich“zu, um eine Einwilligung zu erhalten, doch alle Mühe war vergeblich. Manchen war die Summe zu gering und hatten eine ganz  andere Vorstellung.

Um zu einem Ende zu kommen  „taxierte“ der Stadtrat die von den  Widerstrebenden  zu leistenden Beträge selbst, überließ es in seinem Bericht vom 29. April  1719 „höheren Orten“ diese Beiträge,  „ex offo“ einzutreiben.

Die  Hofkommission ging auf den Vorschlag ein und  nach längeren Verhandlungen fanden sich alle „Quartier Geber“ bereit,  den „taxierten“ Betrag  zu erlegen. So war  die Summe von 70.000 Gulden aufgebracht. Die Stallungen sollten außerhalb der Stadt aber möglichst nahe der Burg erbaut werden. Man wählte das etwas ansteigende Terrain vor dem Burgtor, gegen Mariahilf zu; dort befand  sich aber ein Haus, geheißen das Brunnmaistersche,  dessen Area zu den Hofstallungen unentbehrlich war.  Der Stadtrat erbot sich, dieses Haus  einzutauschen, dessen Besitzer eine Behausung beim Bürgerspital in der Stadt zu überlassen und,  sollte bei der  Schätzung des Brunnmaistersche Haus höher bewertet werden  als das städtische beim  Bürgerspital, die Differenz in barem auszubezahlen. Nachdem somit diese Angelegenheit geordnet war, konnte mit dem Bau der Hofstallungen begonnen werden.

Man schrieb das Jahr  1720,  Kaiser Karl VI.,  konnte endlich  sein Vorhaben verwirklichen und für seine Hofpferde ein eigenes, der kaiserlichen Hofhaltung würdiges großes Gebäude   errichten, das zugleich eine neue Zierde dieser Stadt werden  und abermals ein Zeugnis für seine Kunstliebe abgeben sollte.  Die Ausführung vertraute er seinem bewährten Hofarchitekten  Fischer von Erlach an, der bereits im Stadtpalais des Prinzen Eugen in der Himmelpfortgasse, und all die anderen Palais die  seinen großartigen, künstlerischen  Ideenreichtum vielfach unter Beweis stellte.

Diesmal wurde ein großer Flächenraum für das Gebäude gewidmet, das nicht nur Platz für 600 Pferde, 200 Karossen und die Geschirr- und Sattelkammer enthalten sollte, sondern auch ausgedehnte Pferdeschwemmen, sowie eine riesige Arena für Reiterspiele und Karussells, einen eigenen Wohnpalast für den kaiserlichen Oberstallmeister und im Hintergrund am Abhang gegen die Breite Gasse eine große Kapelle.

Doch der so verheißungsvolle Beginn endete in einem Fiasko. Der Bau blieb unvollendet. Dem 65jährigen Architekten   fehlte für das letzte Werk einfach die Genialität der früheren ausgezeichneten Monumentalbauten. Er  hatte sich vom Barock verabschiedet und wollte einen Versuch  in  die französische Architektur  riskieren und nun versagten  seine Kräfte und es gelang ihm nicht der überaus lang gestreckten  Fassade  monumentalen Charakter zu verleihen.

Mehr noch aber  dürften die Stallmeister von ihrem fachmännischen Standpunkt aus an dem Bau zu tadeln gefunden haben, und vor allem  er erfüllte des Kaisers allerhöchsten Wunsch nicht, dieser  wollte nämlich bei der Laimgrube in die Stallungen hinein, die gesamte Länge des Gebäudes zwischen den auf beiden Seiten stehenden Pferde durch, um auf der anderen Seite wieder ins Freie zu kommen. Die  Durchfahrt war zu eng bemessen und dadurch  waren die eingestellten Pferde den Hufen der dahin rasenden Pferde  bedroht. All das dürfte dem Bauherrn missfallen haben und er verlor die Lust an dem Objekt. Nichts wurde mehr unternommen so blieben auch die Stallungen  schmucklos

Schon  1722 wurden Beträge, die für die Arbeit an den Hofstallungen ausgeworfen waren , zur Bezahlung von Skulpturen an der Karlskirche verwendet und keine  anderen Mittel mehr bewilligt als die zur  notdürftigen Fertigstellung unumgänglich erforderlichen; der heutige Hoftrakt wurde erst 1853 bis 1854 aufgeführt.

Fischer von Erlach  war über seinen Misserfolg trostlos. Seine letzten Tage verbitterte die erlittene Kränkung. Er starb mit 67 Jahren am 5. April  1723 an Siechtum im Sternhof im. Schultergaßl, in jenem Haus war 1802 Johann Nestroy  geboren. 

Trotz allem bot das Stallgebäude von der Burgbastei   aus, einen imposanten  Anblick, den auch die Fremden zu schätzen wussten. Eine lange Flucht prächtig eingerichteter Stallungen bietet den Reit- und Wagenpferden des ehemaligen kaiserlichen Hofes einen komfortablen Aufenthalt, die Wagenremisen und Reitschulen, besonders die Gewehr- und Sattelkammer, zählen zu den Sehenswürdigkeiten Wiens  und kein Fremder der die Donaumetropole besucht, versäumt es, ihnen einen Besuch abzustatten. Der riesige Hof, den diese Gebäude umschließt, war schon öfter der Schauplatz von Auktionen, wenn es galt überzählige Hofpferde anzubieten.

Ein Jahrhundert  später  spielten die Hofstallungen in der Kriegsgeschichte wieder eine Rolle. Am 10. Mai  1809  besetzte die französische  Avantgarde die Vorstadt Mariahilf ohne Widerstand und feindliche Chasseurs sprengten bis auf die  Glacis, wurden aber mit Kanonenschüssen von den Wällen empfangen. Um 7 Uhr schickte Marschall  Lannes einen Parlamentär vor das Burgtor,  der aber nicht empfangen wurde  und sogar auf dem  Rückweg blessiert und gefangen wurde. Da er nicht zurückkam, ließ er den französischen Oberkommandierende Alexander  Prinz von Neuchatel durch  Vorstadtbürger unter Führung des Richters von Gumpendorf Josef Damböck einen Brief  an den österreichischen Kommandanten Erzherzog Maximilian gelangen,  in dem er erklärte, Napoleon wünsche den Wienern die Greuel  des Krieges zu ersparen, er habe  auch keine Truppen in die Vorstädte gelegt, sondern  nur Patrouillen zur Aufrechterhaltung der Ordnung  ausgeschickt.

Der Erzherzog aber schickte den Brief ungelesen zurück, weil er ihm „nicht auf  die in  Kriegszeiten gewöhnliche  Weise“ in die Hände gekommen sei. Das Feuer von den Wällen wurde auch ohne  Unterbrechung fortgesetzt. Auch am nächsten Morgen wurde ohne Unterbrechung gefeuert;  französische Truppen waren in die Hofstallungen eingedrungen und schossen von dort aus mit Gewehren. Die ritterliche Zurückhaltung der Franzosen bewahrte aber damals Wien  vor einem entsetzlichen Unglück.

Inzwischen hatte  der von Napoleon zum Stadtgouverneur ernannte Andreossy im Kaunitz Palais Quartier  bezogen und von da einen Aufruf an die Bevölkerung gerichtet,  der Verteidigung ein Ende zu machen „Es gibt kein Beispiel von einer Zitadelle“,  erklärte er entrüstet, „welche  auf die eigene Stadt schießt und die Einwohner derselben den größten Gefahren preisgibt“. Als auch trotz dieser Vorstellung der Erzherzog den Widerstand nicht aufgab, fingen am Nachmittag von Seiten der Franzosen die Belagerungsarbeiten an. Sie hatten dazu die Anhöhe rückwärts der Stallungen gewählt, welche die  Arbeitenden deckte.  Hier wurde eine Batterie von zwanzig Kanonen  aufgeführt, in der Breite Gasse und in der Stiftgasse war französisches Militär aufmarschiert, um die Batterie vor einem Ausfall zu decken. Nachts  9 Uhr begann das Feuer, das von den Wällen erwidert wurde. Aus der Stadt fielen  578 Kanonenschüsse durch die viele Häuser auf dem Spittelberg, der Laimgrube, in  Mariahilf und St. Ulrich beschädigt wurden, am übelsten wurden die  Hofstallungen zugerichtet.

Nach der Schlacht von Aspern wurden am  14. Juni  die Stallungen  als Spital für die Franzosen eingerichtet und als solches durch eine schwarze Fahne gekennzeichnet.

Noch ein zweites Mal  waren die Hofstallungen  kriegerische Ereignisse ausgesetzt,  im Jahr  1848.  Als die Armee Windischgraetz im Oktober heranrückte, um der Revolution den Garaus zu machen bereitete man von hier aus den Angriff vor. Am 31.  wurden  Geschütze vor dem Stallgebäude gegenüber der Burgbastei aufgeführt und die Beschießung angedroht. Die Bürgerschaft war zur Übergabe bereit,  jedoch die radikalen Elemente schossen das Burgtor hinter den Unterhändlern und setzten den Widerstand fort.  Daraufhin begann die dreieinhalbstündige Beschießung der Stadt, wobei  das Dach der Augustinerkirche und das der Hofbibliothek in Brand gerieten. Das Burgtor wurde gestürmt. Um 6 Uhr  verließen die Verteidiger die  Geschütze, und die Truppen marschierten ein. Die Hofstallungen aber erhielten  noch ein Andenken durch die Einquartierung eines Kroaten Bataillons. 

Fast 100 Jahre später standen die Hofstallungen in den Kämpfen des Jahres 1945 neuerlich  im Mittelpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen.



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[{Image src='Hofstalllungen 1.png'class='image_block'height='300' caption='Stand der Wr. Werkstätten' alt='Hofstallungen' width='371'}]
[{Image src='werkbd.png'class='image_block'height='300' caption='Stand des Österr. Werkbundes' alt='Hofstallungen' width='393'}]
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Im Dezember 1918 wird in einem Inserat bekannt gegeben, dass  eine „Hofpferdelizitation“ stattfindet in der diese stolzen Tiere im „Wege  öffentlicher Versteigerungen dem Meistbietenden gegen  sofortiger Barzahlung“ veräußert werden. Somit verschwinden aus dem Wiener Stadtbild  die letzten sichtbaren  Reste höfischen Prunkes. Eine Tatsache war es, dass das alte Wien  stolz auf  seine   Hofequipagen die aus  eleganten Wagen bestanden, erst recht wenn die Räder „goldene Speichen“ zeigten. Hielt solch ein Wagen vor einem Nobelgeschäft der Inneren Stadt, war dieser Wagen sofort von Neugierigen umgeben die auch sofort wussten welche Persönlichkeit hierher gebracht worden war. In den ausländischen Blättern gab es oft Berichte über diese schmucken Galawägen mit dem weißen Pferdegespann. Besonders seitdem  der nachmalige Obersthofmeister Fürst Rudolf von Liechtenstein das Amt  des Oberststallmeisters übernommen hatte,  waren die Pferde der Hofstallungen von hervorragender Qualität und wurden ausgezeichnet gehalten. Natürlich kostete das Geld und Kaiser Franz Joseph setzte sich über derartige Vorwürfe hinweg. Die Beamten der Hofrechnungskanzlei  hatten ja keine Ahnung was gute Pferde und schöne Wagen kosten. Es blieb weiter bei der großen Anzahl der Lipizzaner in den  Hofstallungen und die Isabellenschimmeln  der Hofreitschule  daran  wurde nichts geändert. Doch jetzt zu Beginn einer neuen Zeit  hat auch für sie die letzte Stunde geschlagen, nämlich als Hofpferde. Die  Lipizzaner und all die übrigen  edlen Rassetiere kommen unter den Hammer. Pferdehändler, Pferdeliebhaber rüsten sich bereits  diese für sich zu gewinnen, denn eine solche Gelegenheit bot sich ihnen nur einmal.



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[{Image src='kunstgewerbe.png'class='image_block'height='400' caption='Stand des Wr.Kunstgewerbe Vereines' alt='Hofstallungen' width='468' popup='false'}]
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Man wollte vorerst den großen Bestand der Pferde  wegen der hohen Erhaltungskosten  und  herrschenden Futtermangels dezimieren, und sich ihrer entledigen. Denn in die Rechte des Hofes trat das Staatsamt für Landwirtschaft, das die  in den Hofstallungen eingestellten Pferde, insofern sie nicht  Privateigentum des ehemaligen Kaisers waren, als Staatseigentum übernommen hatte und  nun zur Veräußerung eines Teiles derselben schritt.

Diesmal waren  eine ungewöhnlich  große Menge  Kauflustiger, Neugieriger, Berichterstatter erschienen, die ein rege  Beteiligung an den Tag legten. Es herrschte kein günstiges Wetter.

Der Stand in den Hofstallungen  etwa 100  Reit- und 200  Zugpferde. Die Erstgenannten stammten entweder  aus Kladrub, vom Ankauf  in England, oder aus anderen Orten. Unter den Wagenpferden sind vor allem die 36 Schimmel- und  Rapphengste der alten spanisch-italienischen Rasse zur  Bespannung der Galawagen hervorzuheben; dann 80 Wagenpferde ausschließlich brauner Farbe und 30 solche in der Abrichtung, weiters 80 Postzugpferde der Karster Rasse nur von  Schimmelfarbe und 10 solche, die erst sicher eingefahren werden,  endlich 12  sogenannte „Paarweispferde“ die für die  Verfrachtung, zur Bespannung der  Küchenwagen, früher Pinzgauer, jetzt aber nur mehr Belgier oder Kreuzungsprodukte nach belgischen Hengsten. Zu Wirtschaftszwecken waren 4 bis 6 große, starke, in Kladrub gezüchtete Maultiere aufgestellt. Die meisten Wagenpferde kamen aus den  früheren Hofgestüten Kladrub und Lipizza, die Paarweispferde dagegen wurden auf Märkten angekauft.

Der hohe Pferdebestand erforderte ebenso zahlreiches Personal, so gab es Leibbereiter, Leibkutscher, Bereiter, Reitknechte,  und Postillone, Futtermeister usw. Das Personal für den Reitstall bezifferte sich auf 80, jenes für die Zugställe auf 200 Personen, wie man sehen konnte ganz gewaltig, der bei der  Eigenart des Hofdienstes auch an die Administration große Anforderungen stellte.

Diese Menschen hatten auch Familie und die Schule dieser Kinder befand sich gleichfalls im Hofstallgebäude. Kaiserin Elisabeth besuchte des öfteren  diese Schule, brachte den Kindern Geschenke,  besonders zu Weihnachten.

Zur Versteigerung gelangten insgesamt  70 Pferde, darunter auch Reitpferde,  ausschließlich Lipizzaner und Kladruber Schlages mit einem Ausrufungspreis, der zwischen 2000 und 3000 Kronen schwankte. Die Erstehungspreise jedoch bewegten sich  durchschnittlich über 15.000 bis 16.000 Kronen in einzelnen Fällen auch bedeutend höher.

Unter den Käufern gab es zahlreiche Prominente  wie den Besitzer der Meierei Siller der zwei sechsjährige Lipizzaner um 21.000 Kronen erstand. Freiherr von Skoda gab nur 5000 Kronen  für  die Lipizzaner aus, Firmeninhaber Hirsch und Huber in Schwechat, wie auch, Hotelier Achleitner aus Graz. Ein Rittmeister von Pietti aus Untertullnerbach musste sogar 27.000 Kronen berappen, auch Herr von Mauthner Markhof  trat als Käufer auf, 

Den Abschluss bildeten 20 Hofwagen, durchwegs Suitewagen, und zwar Suitecoupés, Suite-Viktoriawagen,  Suite Landauer und schließlich Suite-Visaviswagen.

Das Ergebnis der Auktion ergab, die alten Kladruber brachten  77.600 Kronen, die Wagenpferde  127.400 Kronen, und die Lipizzaner 341.300  Kronen ein. Zusammen 600.000 Kronen

In der  vom Wiener Handels- und Industrieverein  am Montag, den 17. Mai 1920, um 7 Uhr abends, im großen Saal der Niederösterreichischen Handels-  und Gewerbekammer, I.,  Stubenring 8, abgehaltenen  Besprechung über die  Errichtung einer Wiener Messe  konnte man an dem  außerordentlich zahlreichen Besuch von vorneherein das große Interesse erkennen, das diesem Thema von Seiten der Produzenten und Händler Wiens  seit jeher entgegengebracht wurde.

Von der Annahme ausgehend, dass dem  österreichischen Staat  das freie  Verfügungsrecht über die hofärarischen Baulichkeiten zusteht,  wäre es nicht uninteressant, sich mit dem Problem zu beschäftigen, eines dieser  Gebäude und zwar die ehemaligen k. k. Hofstallungen, in einer  dem Staate sowie der Stadt Wien enormen Nutzen abwerfenden Weise zu exploitieren

Es ist zwar geplant  in den Hofstallungen die  „Wiener Messe“  zu etablieren, doch steht  einem  on dit  zu Folge deren Durchführung in weiter Ferne, so dass der dafür  gedachte Herbsttermin 1921 nicht in Betracht zu ziehen sei,   weil die Vorbedingungen, Unterbringung der fremden Messebesucher, wegen unserer Wohnungsnot keine Lösung finden kann.

Derzeit beherbergen  die Stallungen  den sozialistischen Fuhrwerksbetrieb mit dem nötigen Stallpersonal, zirka  80 Paar Pferden und den Wagenpark, ferner die Schule der Sicherheitswache, was entschieden keine lukrative Ausnutzung der  weitläufigen Gebäude beinhaltet.

Wenn nun der Staat mit Zuhilfenahme  einiger Banken den  Hofstallkomplex zu demolieren, stünde eine enorme freie Fläche zur Verfügung oder man verkauft sie. Egal welche Überlegungen angestellt wurden, die Kosten würden beträchtlich sein. So kam man wieder zum Projekt „Wiener Messe“ zurück.

1921 wurde nicht nur die Rotunde   für Messezwecke verwendet nun kamen noch die Hofstallungen dazu die als Messepalast  bezeichnet und eine eigene Haltestelle  bekam.

Ein Befürworter der Wiener Messe, der sich dafür sehr eingesetzt hatte, da er die Verwirklichung des Projektes für eine Lebensnotwendigkeit für Wien.hielt war  Dr. L. M. Blasel „Gerade jetzt wo die .Sache spruchreif werden soll, sehe ich wie die ganze Anlage verpfuscht wird, so dass man nur mit größter Sorge an das Ende denken muss, Eine Messe ist eine Ausstellung, es müssen hohe Ausstellungsfachmänner herangezogen werden und in der Leitung vertreten sein, soll das äußere Ansehen und die Technik nicht versagen, ebenso muss die Reklame von diesen Fachmännern gemacht werden. Jeder Ausstellungsfachmann wird natürlich das Unglücksprojekt,  die Messe in das Winkelwerk der seligen  Hofstallungen zu verlegen,  als grotesk empfinden. Hätten wir nichts anderes, so müsste man eben  ein Messegebäude bauen, oder die Sache einstweilen stehen lassen. Nun haben wir  das Ideal, das Muster  eines Messegebäudes, um das uns  die ganze Welt beneidet, die Rotunde. Man kann alles aus ihr machen, alle Kombinationen von einer Halle bis zum Riesenkomplex des ganzen Baues, mit dem herrlichen Park für alle Objekte, die im Freien auszustellen sind. Die Straßenbahn führt von zwei Seiten bis zu den Toren der Rotunde und zwar die Linie  A, L, M,  H, H2 und 4, durch Umsteigen am Praterstern  auch noch die Linien 2, 5,  C. Sie ist das einzige Wiener  Objekt, das mit allen Bahnhöfen direkt verbunden ist, was für viele Messebesucher,  die nur auf einen Tag  nach Wien kommen,  von großer Wichtigkeit  ist. Aber weil  alles für  diesen genialen Bau einer weiter und großzügiger blickenden Leitung der Weltausstellung spricht, darf es nicht gemacht werden, weil ein Querkopf sich ins Winkelwerk der Hofstallungen wohlfühlt. Man will sie doch benützen und dort eine  Sommernachtsredoute veranstalten. Es ist überhaupt  bezeichnend, dass der Vergnügungsteil ebenso intensiv als reklamehaft  betrieben wird und ich habe das Gefühl, dass von der Messe  eine Gschnasausstellung übrig bleiben wird, im letzten Augenblick zusammengestoppelt, um einen Vorwand für Theaterrummel und Redouten zu haben, womit natürlich das ganze Projekt begraben ist.

Die Summe, die die Messe AG.,  angeblich hat, soll 50 Millionen betragen.....“..... „Es wäre doch zu betrüblich,  wenn die Messe  in das Fahrwasser  der Adria Ausstellung geraten würde, auf dem besten Weg  dazu ist sie...“ 

Bezeichnend für die Kopflosigkeit und Sachunkenntnis, mit denen in Wien  noch immer – auch  bei den bedeutsamsten und wertvollsten Aktionen -  vorgegangen wird, ist, dass man anlässlich eines im Rahmen einer politischen Partei gehaltenen Vortrages über die Wiener Messe erfuhr, dass mit dieser auch ein – internationaler Journalistenkongreß verbunden werden soll.
Nur die Journalisten wissen davon nichts....

Die Wiener Messe ist aus der  Initiative einer Gruppe von Industriellen und Gewerbetreibenden hervorgegangen, die im Februar 1921 mit einem Aufruf: „Bauet die Wiener Messe!“ an die Öffentlichkeit  trat. Gezeichnet von  Komm.-Rat  Ernst Hochmuth, Kammerrat Karl Sarg, Komm.-Rat  Franz Zeller, dem sozialdemokratischen Gemeinderat Julius Müller und dem Staatssekretär a. D.  Ing. Hans  Zerdik. Angeschlossen hatte sich noch  Eduard Heinl Handelsminister, Jakob Reumann, Bürgermeister  von Wien....

1922  wurde im neuen Messepalast eine  Luxusartikelmesse abgehalten.

1930  war zu bemerken, dass  wichtige Firmen  die  Wiener Messe    brüskierten und nicht mehr ausstellten. Der Grund, viele Besucher kamen nur, um die Hofstallungen zu sehen, weniger die Objekte die ihnen angepriesen wurden. Oder es wurden Luxusmöbel ausgestellt, die sich Menschen zu dieser Zeit nicht leisten konnten, lieber eine Sitzgelegenheit bevorzugten, die man zu einem Bett umgestalten konnte.

Die Hotelmöbelmesse war total ausgefallen, die Kojen haben sich daher die Franzosen gemietet.

Die  Zahl der Aussteller der Porzellanbranche ist gleichfalls stark zurückgefallen. Der Grund soll in den vielen Insolvenzen der bekanntesten Firmen liegen. Ein Aussteller von Keramikgegenständen befürchtet, dass er nicht einmal die Miete von 500 Schilling verdienen wird.

Die meisten Unternehmer kamen zu der Ansicht, dass ihnen die Wiener Messe keinerlei Vorteile brachte, und das Geld besser verwertet werden könnte.

Einer der größten Uhrenunternehmer hat ebenfalls sich von der Wiener Messe verabschiedet und stellt nicht mehr aus. Die bedeutendste österreichische Parfümerie Firma ist von der Messe verschwunden.

Nur  eine Abteilung wurde gestürmt, die der Lebensmittel wo   Kostproben verabreicht wurden, Das Gedränge wurde so arg, ja lebensgefährlich.

Der Eintritt eines Einmalbesuches kostete 3 Schilling und war außerordentlich hoch zu bezeichnen.


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Nachdem auch der Messepalast ausgedient hatte, wurden neue Pläne geschmiedet. Man will unbedingt auffallen, es soll eine moderne Note dazukommen. So wollte man wieder einmal  hoch hinaus und das durch einen Turm inmitten des  barocken Komplexes der Hofstallungen. Dieser entfachte eine Kontroverse, die so lange anhielt bis der Turm der Vergangenheit angehörte. Doch was sich in der barocken Harmonie Fischer von Erlachs eingenistet hatte ist genau so ein Missgriff,  zwei Bauungetüme und neuerlich wird schon wieder von einem Umbau mit Turm gefaselt. Türme in historischer Umgebung sind unerwünscht! Man hat scheinbar noch immer nicht begriffen wie zerstörerisch die unansehnliche Modernisierung auf die herrliche  barocke Umwelt  wirkt. Und unser Denkmalamt  hinkt mit den Gesetzen unfähig und  machtlos hinterher und muss zusehen wie all das Schöne dieser Stadt dahinschwindet.   Leider   fehlt der meist zugewanderten  Bevölkerung   die innige Beziehung zu Wien, daher ist das Interesse für die Vorgänge in dieser Stadt  sehr gering.

__Quellen:__  Neues 8 Uhr Blatt, 10. Dezember 1918, S 2,  Wiener Landwirtschafts Zeitung, 1. Jänner 1919, S 1,  Die Freiheit, 9. September 1930, S 3, Czernowitzer Tagblatt, 18. Dezember  1918, S 3,  Drogisten Zeitung, 26. Juni 1920, S 5, Wiener Montags Journal, 7. März 1921, S 3, 16. Mai 1921, S 4, Der Architekt 1921 Ht S, 56, 57, 58,Bilder, ANNO Österreichische Nationalbibliothek

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Hinweis:
Hofstallungen(AustriaWiki)
Hofstallungen Bilder








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