Feedback-Formular vorübergehend deaktiviert. Bitte wenden Sie sich an das Administrator Team
unbekannter Gast

Gaza, Zankapfel des Nahen Ostens#

Gaza ist als medialer Brennpunkt des Nahen Ostens in aller Munde. Doch das Gebiet um Gaza weiß viel mehr Interessantes, auch für Europas Politik und Kultur, zu erzählen als die täglichen Schlagzeilen! Gaza war schon seit Jahrtausenden Durchzugsort und Zankapfel auf der Via Maris, dem bedeutenden Weg an der schmalen Küste des Mittelmeeres, die Kulturen Ägyptens und Mesopotamiens verbindend: Ägyptische Pharaonen, assyrische Fürsten, römische Kaiser , osmanische Heerführer, französische und englische Generäle benützen diese Straße am Meer in der einen oder anderen Richtung, immer in kriegerischer Absicht: An einer Brücke im Südlibanon über den Fluß Lykos, heute Naar El Kalb (Hundefluß) genannt, befinden sich 22 heroische Inschriften für die Ewigkeit. Die Philister gründeten entlang der Küste die ersten Stadtstaaten, im VII. Jhdt vor Chr. bemächtigten sich ihrer die Neubabylonier, im Jahr 322 eroberte Alexander der Große Gaza, im 1. Jhdt gliederte Rom diesen Landstrich als Syria palästina (d.h. das philistische Syrien) ihrem Weltreich ein und bauten die strategische via Maritima großzügig aus. Zum Schutz der Südgrenze wurde der limes palaestina, eine Kette befestigter Anlagen auf Signaldistanz, von Gaza über Beer Sheva bis ans Tote Meer errichtet. In der oströmischen (byzantinische) politisch ruhigeren Epoche entwickelten sich Städte und Dörfer, die Bevölkerung wuchs. Zahlreiche Ruinen von Kirchen, Klöstern und Synagogen sind bis heute erhalten und dokumentiert, besonders von der Ecole biblique et archéologique francaise; regional berühmt war die Mosaikschule von Gaza.

In der Schlacht am Jarmuk im Jahr 636 drängten die Araber Byzanz aus der Region, bis die Kreuzfahrer das hl. Land eroberten und das Königtum Jerusalem gründeten. Sie eroberten im Jahr 1149 Gaza und bauten eine Festung für die Tempelritter. 1170 und 1177 belagerte Saladin die Festung Gaza vergeblich; doch das Blatt wendete sich durch den Sieg Saladins 1187 bei den Hörnern von Hattin über die Kreuzfahrer: Der Großmeister der Templer, in Hattin gefangen genommen, mußte den Seinen persönlich die Aufgabe der Festung Gaza anbefehlen. Sie wurde durch Saladin im September 1191 zerstört, doch von Richard Löwenherz kurz darauf rückerobert und repariert; im Frieden von Gaza 1192 verloren die Kreuzfahrer Gaza, Löwenherz mußte die Festung demolieren. Unter den Muslimen entwickelte sich Gaza in der Folge zu einem bedeutenden administrativen, militärischen und kommerziellen Zentrum. 1239 und 1244 versuchten die Kreuzfahrer vergeblich, die Stadt zu erobern. Nach dem Verlust von Jerusalem endete 1291 mit dem Fall von Akkon auch die letzte Präsenz der Lateiner im Nahen Osten. Die Ruinen der Festung von Gaza wurden im Verlauf des 1. Weltkriegs zerstört. Jedoch die auf Ruinen einer byzantinischen Kirche erbaute romanische Kirche zum hl. Johannes blieb erhalten und kann heute als Umariya- Moschee im Stadtzentrum bewundert werden.

1517 verdrängten die Osmanen die ägyptischen Mameluken aus Gaza und Askelon und errichteten ihre Großprovinz Syrien. In den folgenden Jahrhunderten erlebte und überschritt das Osmanische Reich seinen Zenith, bis es im 19. Jahrhundert der kranke Mann am Bosporus genannt wurde. Im Jahr 1840 schlug eine österreichisch-britische Flotte den ägyptischen Gouverneur Mehmet Ali, der versucht hatte, sich der Oberhoheit der Pforte zu entziehen, und sicherte so dem osmanischen Reich weiterhin den Besitz dieser strategischen Küstenregion. Sie wurde 1841 von der Großprovinz Syrien abgetrennt und direkt Konstantinopel unterstellt. Für die einander konkurrenzierenden Großmächte Europas wurde Palästina, das hl. Land, ein Ziel politischer und konfessioneller Interventionen. Der Tiroler Priester und damalige Vizerektor des 1863 eröffneten österreichischen Hospizes in Jerusalem, Georg Gatt, gründete 1879 im Stadtteil Zaytun von Gaza die katholische Pfarre zur hl. Familie. Diese sowie die angeschlossene Schule (mit gegenwärtig etwa 800 Schülern) wird noch immer überwiegend von österreichischen Gläubigen erhalten!

Im 1. Weltkrieg tobten - unter Beteiligung österreichischer Artillerieeinheiten - drei Schlachten um Gaza und den Durchbruch der Engländer in den Norden nach Jerusalem, welches General Edmund Allenby im November 1917 erobern konnte. Nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches im Pariser Vorortevertrag von Sèvres 1920 ging der Traum des haschemitischen Sherifs von Mekka nach Schaffung eines arabischen Großreichs nicht in Erfüllung – England und Frankreich hatten im berühmten Sykes -Picot-Abkommen vom Mai 1916 schon ihre regionalen Interessen abgestimmt, der Völkerbund betraute Großbritannien 1922 mit dem Mandat über „Palestine“, inclusive zur Schaffung eines „ Jewish Homeland.“ Die nächsten 25 Jahre waren von gewalttätigen Auseinandersetzungen von Arabern gegen Juden sowie von Juden gegen die britische Besatzungsmacht gekennzeichnet und gipfelten im Teilungsplan der UNO vom November 1947, worauf Großbritannien sein Mandat über Palästina im Mai 1948 aufgab. Die Mitglieder der Arabischen Liga kündigten für den Fall, daß auf "ihrem" Mandatsgebiet auch ein jüdischer Staat entstehen sollte, diesem den Krieg an.

Wo begann diese, von Israel „Unabhängigkeitskrieg“ genannte militärische Auseinandersetzung ? Vor Gaza! Am 14. Mai 1948 überschritt die ägyptische Armee die Grenze und plante, entlang der Via Maris über Rafiah, Khan Junis, Gaza und Ashdod die Metropole Tel Aviv zu erreichen und den Judenstaat zu liquidierenden. Der verzweifelte hinhaltende Widerstand einzelner jüdischer Siedlungen, von denen der Kampf um den Kibbuz Yad Mordechai legendär wurde, hinderte die Ägypter an einem schnellen Durchmarsch und verhalf den jüdischen Einheiten zu kostbaren Tagen der Reaktion. Bei der Hafenstadt Ashdod angekommen, mußten die Ägypter feststellen, daß der einzige Übergang über das Wadi Lachisch, eine mamelukische Brücke aus dem 13. Jhdt,am Vorabend gesprengt worden war… Hätten sie das Wadi überqueren können, wären sie nach bloß 30 km kriegsentscheidend vor Tel Aviv gestanden! Doch sie kamen niemals weiter – „ad halom“ (bis hierher) heißt nun diese Brücke; eine arabische Inschrift gedenkt der dort gefallenen Ägypter . Die Armee wurde im Lauf weiterer Kampfhandlungen zurückgeworfen bis zur Stadt Gaza, dort überraschte sie am 24.Februar 1949 das Abkommen über den Waffenstillstand: Definiert als nördliche Linie ägyptischer Eroberung war somit der Gazastreifen geboren : Ein schmaler Küstenstreifen von 41 km Länge und ca. 9 km Breite, 365 km² umfassend, etwa 15 % des Territoriums, das der UN-Teilungsplan in diesem Küstenbereich für ein zukünftiges arabisches Palästina vorgesehen hatte.

Von 1949 bis 1967 stand der Gazastreifen unter Verwaltung Ägyptens, das aber den Streifen nicht annektierte, sodaß dessen Bewohner bis heute staatenlos blieben - (im Gegensatz zu Jordanien, welches das eroberte Westjordanland (Zis-Jordanien) annektierte und die lokale Bevölkerung zu jordanischen Staatsbürgern machte.

Im Sechs-Tage-Krieg Juni 1967 wurde der Gazastreifen von Israel erobert und unter militärische Verwaltung gestellt, jedoch ebenfalls nicht annektiert; im August 2005 zog sich die isr. Militärverwaltung nach wiederholten schweren Unruhen aus dem Streifen zurück und räumte alle israelischen Siedlungen. Da Israel aus Sicherheitsgründen weiterhin die Land-und Seegrenzen sowie den Luftraum über Gaza kontrolliert, betrachtet die UNO den Streifen weiterhin als unter israelischer Besatzung; auch Ägypten hält seine Grenzübergänge geschlossen.

Bei den ersten gesamt-palästinensischen Parlamentswahlen 2006 ging die nicht der PLO zugehörige Hamas-Bewegung als Sieger hervor, weigerte sich jedoch, den Vereinbarungen von Oslo, insbesondere der wechselseitigen Anerkennung Israels und der PLO, beizutreten und verlor ihre politische Machtstellung im Westjordanland; doch erkämpfte sie in der Schlacht von Gaza im Juni 2007 gegen die PLO einen blutigen Sieg und beherrscht seither mit Gewalt und Terror die Bewohner des Gazastreifens und bedroht, massiv vom Iran unterstützt, Sicherheit und Existenz des Nachbarlandes Israel.

null