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Was die Russen in Fischbach suchten #

Mit mysteriöser Vehemenz drangen sowjetische Verbände im April 1945 nach Fischbach vor. Zeitzeugen haben eine Vermutung, warum.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Kleinen Zeitung

Von

Robert Preis


Fischbach vor dem Krieg
Fischbach vor dem Krieg. Der damals unscheinbare Ort erlangte zu Kriegsende plötzlich große Aufmerksamkeit (KK)
Der Vorstoß der Sowjets im Frühjahr 1945
Der Vorstoß der Sowjets im Frühjahr 1945
Foto: APA

Es sind die Aufzeichnungen der Soldaten von einst, die das verzweifelt geführte Finale eines Krieges schildern. Am 13. April 1945 schreibt etwa der Bayer Karl Reinecker in sein Tagebuch: „Der Russe wird lebhafter. Wir warten auf Hilfe.“ Er beschreibt Gräueltaten. „Fast alle älteren Männer sind erschlagen worden. Die Frauen und Mädchen hatte man auf einen Platz getrieben und geschändet.“

Die Zivilisten hatten Angst, fürchteten Gewaltakte. Doch auch die Soldaten an der Front bangten um ihr Leben. Reinecker: „Unser Einsatz hier dient nur noch der Verteidigung.“

In der Nacht das Kauern und Warten. In den dampfenden Wäldern zwischen Birkfeld und Fischbach war kaum noch ersichtlich, wo sich Feind und Freund aufhielten. Ein Wald vollgesaugt mit Hass und Angst.

Eine Zeit des Grauens, aber auch der Helden. Als das Wirtschaftsgebäude in Fischbach durch deutschen Artilleriebeschuss in Brand gesetzt wurde, befahl ein russischer Offizier, den Brand unter widrigsten Umständen zu löschen. Zeitzeugen sind der Meinung, hätte er es nicht getan, wäre ganz Fischbach abgebrannt.

Eine Schilderung des Soldaten Yuri Eltekov macht aber auch stutzig. Er war als Mitglied einer Eliteeinheit des sowjetischen Innenministeriums (NKWD) bei der Erstürmung von Fischbach dabei und gibt zu, dass ihm jene Tage zeitlebens Rätsel aufgaben. Er war überzeugt davon, dass seine Truppen nicht nur einen Krieg führten, sie jagten auch ein Symbol: die ungarische Stephanskrone, den wichtigsten Gegenstand der Reichsinsignien des ehemaligen Königreichs Ungarn.

Aufgrund seiner Recherchen vermutet auch der Birkfelder Lokalhistoriker Wolfgang Struschka, dass die Russen im Kriegschaos dem ungarischen Pfeilkreuzler Ferenc Szálasi hinterherjagten, einem Faschisten, der mit dem Kronschatz auf der Flucht gewesen sein soll. „Der Angriff erfolgte auf Stalins Befehl persönlich. Nach dem 8. Mai besetzten die Russen die Gegend, ehe sie von den Engländern am 26. Juli abgelöst wurden.“ Bis dahin war nichts und niemand vor ihnen sicher.

Eltekov erinnert sich auch an den Vorstoß des V. Garde-Kavallerie- Korps, denn dieser sei „mit ungewöhnlicher Vehemenz geführt worden“.

Dennoch wird die Sache mit der Stephanskrone von Manfred Rauchensteiner, dem ehemaligen Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, bezweifelt. „Damals floss etwas absolut Ungewöhnliches in die Befehle ein, doch die Erklärung von Eltekov geht sicher an den Realitäten vorbei.“ Er vermutet, dass Szálasi noch vor dem 30. März nach Mattsee in Salzburg geflohen war, wo er die Stephanskrone vergraben ließ. Diese war ein Symbol für die Ungarn, „für die Sowjets hatte sie aber keinen Wert“. Die russischen Spezialtruppen müssen etwas anderes gesucht haben, „vielleicht finden wir irgendwann eine Erklärung dafür“.

Die Stephanskrone kam nach dem Krieg jedenfalls über Umwege in die USA und gelangte erst 1978 wieder zurück. Seit 1990 ist sie im Wappen der ungarischen Republik dargestellt.


© "Damals in Graz", Robert Preis